: Landfunk mit gefühlter Übergröße
PRIVATFERNSEHEN Niedersachsen hat ein neues regionales Fernsehprogramm: FAN TV aus dem Örtchen Dörverden bei Verden. Ein Spezialversand für extragroße Schuhe finanziert den Kanal, mit dem er auch unter einem Dach im Gewerbegebiet sitzt
VON LASSE HINRICHS
Der Countdown läuft. Georg Mahn ordnet seine Zettelwirtschaft und zupft noch kurz das schwarze Sakko zurecht. Dann zoomt die Kamera heran und los geht’s: „Es ist Viertel vor. Hier sind die Nachrichten bei FAN Television.“ Die Top-Story: Ein Verkehrsunfall in Oldenburg, bei dem ein Radfahrer lebensgefährlich verletzt wurde. Dann Meldungen: Wulffs Mea culpa, der letzte Stand zur Gorleben-Erkundung, noch ein Unfall-Film, Regionalnachrichten vom Blatt – und, klar, das Wetter.
Mahn, in Friesoythe bei Oldenburg geboren, ist der Anchorman bei „Fernsehen aus Niedersachsen“ (FAN TV). Zudem ist er Chefredakteur, und mit Geschäftspartner Kay Zimmer, Hauptgesellschafter und Gründer des Senders. Am 1. November hat FAN TV im Örtchen Dörverden in der Nähe von Verden den Betrieb aufgenommen. Das vollmundige Versprechen lautet: „vertrauenswürdiges, authentisches und qualitativ anspruchsvolles Privatfernsehen für Niedersachsen“.
Finanziert wird FAN TV von der Schuhplus GmbH, einem Spezialversand für Übergrößen-Schuhe. Deren Eigentümer sind: Mahn und Zimmer. 3,5 Millionen Euro steckten sie in einen Gebäudekomplex, in dem nun sowohl die Schuhfirma als auch der Sender untergebracht sind.
Die Idee, regionales Privatfernsehen aus den Tiefen Niedersachsens über einen Versandhandel für XXL-Schuhe aufzuziehen, entstand vor acht Jahren, erzählt Mahn, der selbst Größe 48 braucht. Es stand damals am Ende seines Journalistik-Studiums. Die ersten Paar Schuhe verkauften er und sein Compagnon Zimmer noch über Ebay. Das Projekt Schuh-Sender anzugehen, ermöglichte eine Änderung des niedersächsischen Landesmediengesetzes, das seit 2010 kommerzielles Lokalfernsehen zulässt. Von der Landesmedienanstalt in Hannover erhielten Mahn und Zimmer die Volllizenz. Auf die Frage, warum FAN TV anders als andere Lokalsender kein Verlagshaus im Rücken hat, antwortet Mahn: „Ich wollte keine fremden Leute an Bord.“ Also „keine Banken, keine Energieversorger“, niemanden, der ihm in die Arbeit quatsche.
Jeden Tag stellen 22 Mitarbeiter zwei Stunden frisches Material für FAN TV her, das zwölfmal am Tag wiederholt wird. Das Vorbild für FAN TV seien lokale TV-Angebot in den USA, erklärt der junge Unternehmer, der 2003 im Washingtoner Büro der ARD hospitiert hat. Das heiße: Die Themen kommen zwar von nebenan, werden aber trotzdem aufwändig produziert.
Zehn Formate weist der TV-Sender aktuell aus. Das „FAN Magazin“ zum Beispiel, die „Hauptsendung“ des Kanals, beschäftigt sich mit „tagesaktuellen Ereignissen aus den Bereichen Landespolitik, Wirtschaft und Lifestyle“. In der Sendung „Tach auch!“ durchkämmt Reporterin Mareen Steinacker das Sendegebiet, um „persönliche Geschichten“ zu erzählen und „innovative Unternehmen, soziale Einrichtungen oder einzigartige Ortschaften“ vor die Kamera zu bekommen. Und „Schlager to Go“ verspricht „Party, Spaß und gute Laune“ – unter anderem sollen Live-Auftritte von Schlager-Interpreten „die Bude zum Beben“ bringen.
Unklar ist, wie viele Zuschauer diese Art von Vollprogramm nutzen. Zwar ist FAN TV nach eigener Darstellung schon nach zwei Monaten der „größte private Regionalsender in Niedersachsen und Bremen“. Aber nur, was Investitionsvolumen und technische Reichweite angeht. Im Sendegebiet, das sich im Norden von Cuxhaven hinunter bis nach Springe und von Wildeshausen aus in den Osten bis nach Lüchow erstreckt, kann FAN TV theoretisch 1,1 Millionen Menschen erreichen. Doch da die Gesellschaft für Konsumforschung die Quoten nicht regional erhebt, muss Mahn schätzen. Er sagt: „100.000 bis 120.000“ schalteten das Schuh-alimentierte TV-Potpourri am Tag ein. Aber das ist eher ein gefühlter Wert, der vor allem Werbekunden motivieren soll. Denn über externe Kunden will der Sender den Betrieb auch unabhängig von Schuhplus profitabel gestalten. Bislang ist der größte Werbepartner von „Fernsehen aus Niedersachsen“ der Schuhversender selbst – mit einem Anteil von über 50 Prozent.
Der Norddeutsche Rundfunk jedenfalls betrachtet FAN TV nicht als Konkurrenz zur eigenen Berichterstattung aus Niedersachsen, wie ein Sprecher mitteilt. Im Gegenteil: „Wir sehen in dem Regionalsender eine vom Gesetzgeber gewollte Ergänzung auf dem Fernsehmarkt und wünschen den Kollegen viel Erfolg.“ Auch Mahn bekennt: „Der NDR hat in vielen Punkten eine so wahnsinnige Stärke – da können wir nicht gegen an.“
Zu empfangen ist FAN-TV unter anderem über den analogen Kabelkanal S17, den digitalen Kanal S32 oder unter www.fan-television.de