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Streit ums KlimpergeldGeputzt oder rumgesessen?

Eine frühere Toilettenfrau bei Karstadt in Hamburg will vor Gericht erstreiten, dass sie den Mindestlohn bekommt – statt 3,40 Euro plus Prämien.

Das Geld zufriedener Nutzer landet selten auch bei denen, die hier arbeiten: öffentliches WC. Bild: dpa

HAMBURG taz | Für viele Menschen sind sie wichtige Anlaufstelle bei längeren Einkaufstouren: die Kundentoiletten großer Läden. Sie vorzuhalten, ist oft kein kostenloser Service der Warenhäuser, meistens steht da ein Teller – für Kleingeld der Erleichterten.

Rund 50 Cent werden verlangt oder doch wenigstens zur Zahlung empfohlen. Viele Kunden werden wohl denken, dieses Geld landet bei den Mitarbeitern, die das WC sauber halten. Irrtum – zeigt ein derzeit laufendes Arbeitsgerichtsverfahren in Hamburg.

Da klagt eine ehemalige Toilettenfrau, die von April bis September 2012 ein Kunden-WC bei Karstadt betreut hat, gegen ihren früheren Arbeitgeber, fordert rückwirkend mehr Lohn. Angestellt war sie nicht bei der Warenhaus-Kette selbst, sondern bei einem Subunternehmer, der für Karstadt mehrere Toiletten bewirtschaftet. Laut ihrem Anwalt Detlef Burian bekam die Klägerin 3,40 Euro pro Stunde – brutto. Oder anders gerechnet: 600 Euro brutto für einen Vollzeit-Job, mindestens acht Stunden pro Tag, fünf Tage die Woche.

Dazu seien Prämien des Arbeitgebers gekommen, sagt Burian, in besseren Monate habe der Verdienst seiner Mandantin bei rund fünf Euro pro Stunde gelegen. Von dem Geld aber, das die Karstadt-Kunden in den Teller legten, hat die Servicefrau nichts behalten dürfen – es landete bei ihrem Arbeitgeber.

Burian fordert für seine Mandantin nun nachträglich den allgemein verbindlichen Mindestlohn des Reinigungsgewerbes. 2012 waren das in Westdeutschland für einfache Arbeiten 8,82 Euro die Stunde. Sollte ihm das Gericht bei dieser Einstufung nicht folgen, will der Anwalt den tatsächlich gezahlten Lohn als sittenwidrig eingestuft sehen.

„Bewirtschaftung von Kunden-WCs durch Dienstleister“

Der Anwalt des Arbeitgebers, Jan Freitag, bezweifelt, dass im vorliegenden Fall der Tarifvertrag der Gebäudereiniger gilt – und damit der Mindestlohn. Schließlich habe die Frau nicht überwiegend Reinigungstätigkeiten ausgeübt, sondern nur gelegentlich. Diese Einschätzung, sagt der Anwalt, teilten auch der Zoll und die Agentur für Arbeit, die das Unternehmen kontrolliert hätten. Freitag sagt auch, die Klägerin habe mehr bekommen, als ihr Anwalt nun angebe: „Am Ende sind etwa sechs bis sieben Euro dabei rumgekommen.“

Es ist nicht das erste Mal, dass sich ehemalige Mitarbeiter genau dieser Firma wegen strittiger Bezahlung ans Arbeitsgericht wenden. Bisher kam es stets zu einem Vergleich – den auch dieses Mal der Arbeitsrichter bei einem Gütetermin vorschlug. „Wir waren zu einem Vergleich bereit“, sagt auch Arbeitgeber-Anwalt Freitag. Nicht so die Klägerin: Sie will die Frage gerichtlich geklärt sehen, am morgigen Donnerstag befasst sich erstmals das Arbeitsgericht in Hamburg damit. Karstadt beantwortete am Dienstag eine taz-Anfrage zu dem Fall nicht.

Wie normal ist es, dass Einzelhändler Betreuung und Pflege von Kunden-WCs outsourcen? Der Handelsverband Deutschland erklärt über seinen Geschäftsführer Kai Falk eher allgemein, dass die „Bewirtschaftung von Kunden-WCs durch Dienstleister durchaus auch im Einzelhandel nicht ungewöhnlich“ seien.

Auch der wichtige Entwickler und Betreiber von Einkaufszentren ECE, eine Tochter des Hamburger Otto-Konzerns, arbeitet so: „Die Regel ist, dass wir Kunden-WCs anbieten, die von Pächtern betrieben werden“, sagt Sprecher Christian Stamerjohanns. Das vom Kunden gezahlte Geld – ob freiwillig oder nicht – fließe an den Pächter. Und der bezahle davon seine Mitarbeiter.

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8 Kommentare

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  • F
    FranKee (Pirat)

    Hinweis:

    Der zweite Kommentar in meinem Namen

    vom "28.03.2013 10:56 Uhr" ist nicht von mir.

    Was auch immer das soll.

  • F
    @FranKee (Pirat)

    Das Ämter in Hamburg in der Vergangenheit ziemlich korrupt waren, ist jedem Insider bekannt.

    Dabei ist es egal wer im Feierabendsenat saß.

    Interessantes Dokument und Inhalte §7Abs.2 was so gar nicht zum Stuttgarter Weindorf vor dem Rathaus und deren unterirdischen Toiletten passt.

    Getränkeausschank und Sitzplätze waren immer mit einem kostenloser Toilettegang verbunden.

    Deswegen gibt es diese lustig, wackeligen Stehtische, mit diesem werden Gesetze und Kosten umgangen.

    Wäre ja wohl eine wirtschaftliche Bevormundung wenn Tchibo und andere den Verkaufsraum hätten verkleinern müssen. Die Banken und ihre Immobilienberwertung nach DIN 276!

    Das flüssige kaffebraune Gold, deren Verkaufspreise stehen in keinem Verhältnis, zu nichts. Dabei müsste ein großer Teil der Steuereinnahme der Stadtreinigung zukommen.

    Google, Starbucks&Co zahlen keine Steuer, die Entsorgung der Pappbecher sollen aber alle bezahlen.

    Kaffesteuergesetz? Irres Beamtentum.

    http://www.buzer.de/gesetz/3471/a48286.htm

     

    Apropos Privatisierung, ist die Stadtreinigung für den öffentlich überdachten Hauptbahnhof zuständig?

    Die Geldgier wie Phantasie bestimmter Klassen ist seit Jahrhunderten ungebremst.

    Warum sind wohl in Frankreich bei alten Gebäuden keine Fenster an der Front zur Straßenseite? Die Fenstersteuer, ähnlich wie die Steuer "Überdachung öffentlicher Bereiche". S. teil überdachte Einkaufsstraßen wie z.B. Wandsbeker Chaussee.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Fenstersteuer

     

    Ich hoffe die TAZ bringt einen Artikel über das Gerichtsurteil.

  • S
    SeHer

    Das Gewerbe der Toilettenpächter ist ein sehr undurchsichtig und bewegt sich zu einem großen Teil im grau-schwarzen Bereich. Man erfährt wenig, nichts wird offengelegt. Es gibt Pächter, die sogar hohe Prämien für begehrte Standorte zahlen, weil viel Geld zu verdienen ist. Die dort arbeitenden unterbezahlten Frauen sehen davon natürlich nichts.

    Traurige Zustände in einem hochentwickelten Land.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Es ist eine Schande.Oh Deutschland, wie tief bist Du gesunken.

  • F
    FranKee (Pirat)

    Wer mal ein Stück Rechtsbeugung (oder grosszügigste Auslegung vom Feinsten, mit Übergangsfristen über Jahrzehnte!) rund um das (durchaus hochprofitable) Toilettenbusiness reinziehen möchte, ist herzlich eingeladen:

     

    Der Trick ist, alle gesetzlich eigentlich verpflichtenden Toiletten soweit wie möglich zu verhindern, dann klappt's auch mit dem abkassieren:

     

    https://fragdenstaat.de/anfrage/grundlage-fur-ignoranz-der-gastv-durch-das-bezirksamt/#nachricht-6990

     

    bzw. ganz genau dann hier:

    https://docs.google.com/viewer?url=https://fragdenstaat.de/files/foi/6990/ToilettenHauptbahnhof.pdf

     

    Selbstverständlich im SPD-regierten Hamburg-Mitte. Ihr sozialdemokraten-Eigenschaften sind rund um den Hauptbahnhof ja ganz besonders berüchtigt...

     

    (Wobei die SPD Fraktion Hamburg-Mitte entsprechende Anfragen einfach 2 Monate komplett unbeantwortet gelassen hat. Da brauchte es erst den Hebel über fragdenstaat und das Transparenzgesetz...).

  • M
    magy

    Das sich Unternehmen nicht in Grund und Boden schämen Angestellte derart zu diskriminieren. Soll er doch von dem Lohn leben müssen.

    Vorschlag: So wie an Autobahn-Tankstellen Automaten montieren, wo man einen Bon bekommt, dann ist Trinkgeld hinfällig und der Subunernehmer kann das "Trinkgeld" nicht einnehmen, der Staat seine Steuern.

  • D
    dfsdsf

    Ich halte es für eine Frechheit, wenn ein Laden wie Karstadt seinen Kunden noch nicht einmal eine Toilette anbietet und man sich beim Einkauf (Verzeihung für die Wortwahl) nach Kleingeld anschnorren lassen muss. Dass dieses Geld zu allem Überfluß auch noch von Karstadt selbst behalten wird, setzt dem ganzen die Krone auf. In einem Restaurant würde niemand vergleichbares hinnehmen.

     

    Viel Erfolg an die wackere Dame.

  • F
    Fraktalismus

    Kündigung wegen eines Pfandbons von 1.30 Euro während Firmen Trinkgelder bzw. Benutzungsentgelt unterschlagen und steuerlich evtl. nicht angeben?

     

    Als die schwarze Birne an die Macht kam, wurde pflugs Trinkgelder als Schwarzgeld definiert und Angestellte mit Kundenkontakt/Trinkgeld steuerlich schlechter behandelt.

    Der Angestellte musste Jahresende beweisen das er nicht soviel wie das willkürlich steuerlich festgesetzte Trinkgeld erhielt.

    Das ging nur über den Arbeitgeber. Aus diesem Grund werden in vielen Firmen z.B. Blockhaus Trinkgelder steuerlich auf der Quittung ausgewiesen.

    Diese Angaben nicht zu machen, ist eine strafbewährte Steuerhinterziehung.

    Der Subunternehmer soll das Trinkgeld und die Einnahmen belegen.

    Normalerweise müsste eine Toilettenfrau eine Quittung ausstellen können, sie nimmt Geld für ihren Arbeitgeber ein!!

     

    "Subunternehmer, der für Karstadt mehrere Toiletten bewirtschaftet." dürfte sehr wohl dem professionellen Reinigungsgewerbe zugeordnet sein. Ist Karstadt EN ISO 900x zertifiziert?

    Welche Aufgabe hat die Innung, Handels- und Handwerkskammer? Werden Beiträge an die Handwerkskammer/Gebäuderreinigung gezahlt?