■ SURFBRETT: Auf frischer Tat ertappt
Rechtzeitig zum neusten Zensurversuch deutscher Staatsanwälte ist in Santa Clara, Kalifornien, eine neue Version der guten alten Suchmaschine „Infoseek“ fertig geworden. „Infoseek Ultra“ (http:// ultra.infoseek.com) heißt das Programm, das sich noch in der Beta-Testphase befindet. Es funktioniert hervorragend und erlaubt Anfragen an das World Wide Web, die bisher nicht möglich waren. Pech für die Staatsanwälte. Sie haben nur gelernt, ein paar strafbare Worte in das Textfeld einzugeben und dann auf das Schaltfeld „Submit“ zu klicken. Natürlich finden sie jede Menge passender Webdokumente, bei Infoseek Ultra vielleicht sogar ein paar mehr als bei Altavista, der bislang mutmaßlich größten öffentlichen Datenbank des Internet. Altavista behauptet, über 30 Millionen Adressen gespeichert zu haben, bei Infoseek Ultra sollen es über 50 Millionen sein.
Doch die Masse allein ist nicht entscheidend, ohnehin sind die Zählmethonicht einheitlich. Viel wichtiger für schlaue Recherchen sind andere Eigenschaften des neuen Programms. Mit Infoseek Ultra läßt sich die Abfrage auf bestimmte Felder des Datensatzes eingrenzen. Damit kann man den Staatsanwälten auf die Schliche kommen. Sie haben unter „radikal“ ein paar wenige Dokumente auf dem Host „xs4all.nl“ gefunden und meinen damit eine neue Art von Täter verhaften zu können. Nur haben sie keine Ahnung, wer das ist. Kehren wir die Frage um, suchen wir nicht nach „radikal, sondern nach „xs4all.nl“, und zwar mit dem Zusatz für das Feld „URL“. Infoseek Ultra schaut dann in seiner Datenbank nach, was auf diesem Rechner gespeichert ist. Das Ergebnis ist niederschmetternd. Das Programm findet zur Zeit genau 11.880 Dokumente, in deren Adresse „xs4all.nl“ vorkommt.
Diese Zahlist eine politische Demonstration. Wer diesen einen Rechner sperrt, verbietet mit einem Schlag den Zugang zu 11.880 möglichen Informationen. Zweifellos ist nicht alles davon wichtig, manches in niederländischer Sprache verfaßt. Eine riesige Website beschreibt mit vielen, einzeln adressierten Seiten die Schönheit einer gälischen Insel in Gälisch. Ich habe die englische Version (http:// www.xs4all.nl/~conaill/Toraigh/t_boile.html) aufgerufen und darüber die deutsche Zeitschrift radikal aus den Augen verloren. Unter den ersten 150 Fundstellen kam sie noch gar nicht vor. Wirklich radikal schien mir am Ende nur dieses Inhaltsverzeichnis, das kein Mensch überblicken kann. Staatsanwälte sollten die Finger davon lassen. niklaus@taz.de
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