Ärger über Glücksspiel-Staatsvertrag: Spielchen mit Netzsperren
Der Glücksspiel-Staatsvertrag soll Wettanbieter ohne Lizenz aussperren. Der Entwurf löst große Kritik aus - vor allem im Internet.
KIEL taz | "Die Glücksspielaufsicht kann Anbietern unerlaubter Glücksspiele den Zugang untersagen. Das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses wird eingeschränkt": Diese Sätze im aktuellen Entwurf des Glücksspielstaatsvertrags lassen zurzeit in der Internetszene alle Warnlampen aufleuchten.
"Wir erleben hier einen weiteren Versuch, eine Zensurinfrastruktur in Deutschland aufzubauen", sagt Benjamin Stöcker vom Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur. Dem Chaos Computer Club (CCC) war der Entwurf des Staatsvertrags zugespielt worden, das Papier ist nun im Internet zu finden. Parallel dazu hatte auch die Piratenpartei den Entwurf öffentlich gemacht.
Die Kritiker sehen sich durch den Entwurf in ihren Befürchtungen bestätigt. Die Bundesländer verhandeln seit Monaten über einen neuen Vertrag, der Lotto, Toto, aber auch Sportwetten, Daddelhallen und Internetcasinos regeln soll. Den Vorgängervertrag hatte der EU-Gerichtshof für ungültig erklärt. Die Neufassung soll auch für Internetspiele gelten, die bisher in Deutschland nicht erlaubt sind. Vor allem die FDP favorisiert diese Liberalisierung, die es Anbietern gestatten würde, sich in Deutschland anzusiedeln.
Befürworter des Modells erwarten sich mehr Steuereinnahmen aus dem Milliardenmarkt, Gegner befürchten mehr Spielsüchtige, wenn Wetten oder Pokerturniere noch offener beworben werden. Bei ihrem jüngsten Treffen hatte sich die Mehrheit der Ministerpräsidenten dafür ausgesprochen, sieben Lizenzen zu vergeben - alle übrigen Wettanbieter würden ausgeschlossen.
Doch das könnte erneut gegen EU-Recht verstoßen, da mit so einer Regelung willkürlich in den Wettbewerb eingegriffen würde. "Es wäre unklug, wenn die Bundesländer zum zweiten Mal gegen dieselbe Wand laufen", sagt Konstantin von Notz, Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion für Netzpolitik und Obmann der Enquetekommission Internet und Digitale Gesellschaft. "Es gibt andere Wege, als das Internet zu sperren."
Internet hält sich nicht an Staats- oder Landesgrenzen
Mathias Döhle, Mitglied der Piratenpartei aus Bremen, spottet: "Scheinbar ist es für Juristen ein unhaltbarer Zustand, dass sich das Internet nicht an Staats- oder Landesgrenzen hält." Neben der juristischen Frage stehe die technische: "Internetsperren sind leicht zu umgehen." Die Forderung nach einer Sperre sei "ausgemachter Blödsinn".
Zustimmung erhält der Pirat ausgerechnet von einem CDU-Mann: "Wenn bei der weit gefährlicheren Kinderpornografie keine Sperre möglich war, dann erst recht nicht beim Glücksspiel", sagt der CDU-Landtagsabgeordnete Hans-Jörn Arp aus Schleswig-Holstein, der sich seit Jahren mit dem Thema beschäftigt - enge Kontakte zur Anbieterszene eingeschlossen: Jüngst machte er als Gast einer Veranstaltung von Spielbetreibern in einem Luxushotel auf Sylt Schlagzeilen.
Für Arp ist der jetzt vorliegende Staatsvertrag "eine reine politische Willensbekundung", die nicht durchzusetzen sei. Neben der Internetsperre bemängelt die schwarz-gelbe Regierung in Schleswig-Holstein, dass nur sieben Lizenzen an Spielbetreiber vergeben werden sollen: Damit würden nur die größten mitspielen dürfen.
Bei den Abgaben, die in die Kassen der Länder fließen, will Schleswig-Holstein den Anbietern entgegenkommen, ansonsten bestehe die Gefahr, dass Firmen im Ausland bleiben.
Sollten die anderen Bundesländer ihre Meinung nicht ändern, werde der Norden ein eigenes Modell im Alleingang umsetzen. Bis zum Sommer wird weitergepokert: "Die anderen müssen ihre Blätter neu mischen", meint Arp.
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