Rücktritt: Marnette platzt der Kragen
Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister geht, weil er die Verantwortung für mögliche weitere Verluste der HSH Nordbank nicht mittragen will und seine Kompetenz nicht gewürdigt sieht. Verständnis beim Koalitionspartner SPD.
Ein leiser Abgang hätte nicht zu ihm gepasst. Werner Marnette (CDU), bis Sonntag noch Wirtschaftsminister Schleswig-Holsteins, hat den Bettel mit lautem Geschepper hingeworfen. In einer Erklärung wirft er der CDU-SPD Landesregierung "schlechtes und unprofessionelles Krisenmanagement" bei der HSH Nordbank vor. Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) reagierte angesichts der im September anstehenden Landtagswahl schnell. Schon am Montag ernannte er den Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Kiel, Jörn Biel (parteilos) zu Marnettes Nachfolger. Der sei "ein profilierter Sachwalter und Fürsprecher der Wirtschaft".
Marnette sagte, seine "Warnungen und Handlungsempfehlungen" in der Causa Nordbank seien im Kabinett nicht berücksichtigt worden. Die ehemalige Landesbank, die zu knapp zwei Dritteln Hamburg und Schleswig-Holstein gehört, hat durch die Finanzmarktkrise viel Geld verloren: Im vergangenen Jahr waren es 2,8 Milliarden Euro.
Der Vorstand der Bank unter Führung von Dirk Jens Nonnenmacher hat ein Rettungskonzept vorgelegt. Es sieht vor, dass die beiden Bundesländer zusammen weitere drei Milliarden Eigenkapital in die Bank geben sollen. Wenn dies wegen künftiger Verluste nicht reichen sollte, garantieren sie zusätzlich für Kredite im Umfang von zehn Milliarden Euro. Der schleswig-holsteinische Landeshaushalt beläuft sich auf sieben Milliarden Euro.
Die beiden Landesregierungen haben sich bereits für den Plan ausgesprochen. Die Abgeordneten der Landesparlamente hörten dazu Experten an. Am Mittwoch will die Hamburgische Bürgerschaft in erster Lesung über das Rettungskonzept beraten. Der schleswig-holsteinische Landtag soll es am Freitag beschließen.
Der Ex-Wirtschaftsminister will nicht die Hand dafür ins Feuer legen, dass dieses Konzept trägt. "Auf Schleswig-Holstein und damit auch auf Hamburg kommen wahrscheinlich weitere Belastungen in den kommenden Jahren zu, die ich nicht mitverantworten kann", sagte er dem Handelsblatt.
In seiner Erklärung schreibt er, die Landesregierung habe das Land "durch Vernachlässigung der Kontroll- und Sorgfaltspflicht in eine sehr schwierige Lage gebracht". Sein Beitrag sei offenbar nicht erwünscht gewesen. Weder habe die Landesregierung eine interministerielle Arbeitsgruppe eingesetzt, noch habe die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG einen Auftrag zur Sonderprüfung der HSH Nordbank erhalten, wie es der Aufsichtsrat behauptet habe. "Heute steht dem Parlament und der Landesregierung nur noch die vom HSH-Vorstand vorgeschlagene Handlungsoption offen", kritisiert Marnette.
Die Hamburger Finanzbehörde weist das zurück. Die KPMG sei nur mit einem erweiterten Jahresabschluss beauftragt worden. Es hätten sich aber fünf weitere Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaften mit der Bank befasst. Alle wesentlichen Kapitalmarkttransaktionen seien geprüft worden. "Die HSH Nordbank ist noch nie so durchleuchtet worden wie jetzt", sagt Finanzsenator Michael Freytag (CDU). Marnette kritisiere ein Rettungspaket, dem er im Kabinett selbst zugestimmt habe.
"Herrn Marnette sind alle von ihm gewünschten Informationen zugänglich gemacht worden", behauptet der Kieler Finanzminister Rainer Wiegard (CDU). Dazu hätten mehrstündige Gespräche mit Vertretern des Vorstands und Beratern gehört. Nie habe er selbst konkrete Handlungsempfehlungen gegeben. Im Gegensatz zu Marnette betrachte das Bundesfinanzministerium die Nordbank nicht als entbehrlich, sondern als "systemrelevant".
Marnette scheint sich auch daran gestört zu haben, dass er sich aus Gründen der Kabinettsdisziplin mit Äußerungen zurückhalten musste. Nachdem er vor Schülern bekannt hatte, dass er sich genötigt sehe, ein Geschäftsmodell zu unterstützen, von dem er nichts halte, sollte er auf Wunsch der Grünen vor dem Finanzausschuss sprechen. SPD und CDU bügelten das zunächst ab. Der Minister kam dann zu einer anderen Sitzung, hielt sich dabei aber sehr zurück.
Dieser angebliche Maulkorb werde überbewertet, sagt SPD-Fraktionschef Ralf Stegner. Die SPD wolle sich über jeden Punkt der Erklärung Marnettes Klarheit verschaffen. Stegner: "Man muss ernst nehmen, was er sagt." Nach der Beratung durch eigene Experten gelte es aus seiner Sicht vor allem Fragen zur geplanten Kreditgarantie zu klären. Ob die Auskünfte Wiegards (CDU) ausreichend gewesen seien? "Quantitativ seien sie nicht zu kritisieren", antwortet Stegner.
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