Grimm-Zentrum in Mitte eröffnet: Zum Studieren auf die Terrasse
Zum Auftakt der 200-Jahr-Feier der Humboldt-Uni öffnet das Grimm-Zentrum in Mitte. Dort gibt es 1.250 Arbeitsplätze - mit zum Teil fantastischer Aussicht.
Über den besten Ausblick lässt sich streiten, aber der allerbeste Überblick über die Bibliothek offenbart sich zweifelsohne von den Arbeitsplätzen im vierten Stock. Die Arbeitsplätze sind auf gegenüberliegenden Plateaus angelegt, die sich wie eine Treppe anordnen. Diese nach oben offenen Leseterrassen sind seitlich begrenzt von gitterähnlichen Wänden. Massives Kirschholz umrahmt Glasfenster, die den Blick auf die dahinter liegenden Bücherregale freigeben.
Dicke Regentropfen trommeln auf die Glasfenster des Dachs - perfektes Lese- und Studierwetter am Eröffnungstag der neuen Zentralbibliothek der Humboldt-Universität. 45 Kilometer Bücher sind in den vergangenen Monaten aus der alten Universitätsbibliothek und 12 Teilbibliotheken in das neu gebaute Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum umgezogen. Bis dahin war die Unibibliothek in der Staatsbibliothek Unter den Linden untergebracht, die Teilbibliotheken in ihren jeweiligen Fachbereichen.
Am Montag haben die Jubiläumsfeierlichkeiten zum 200. Geburtstag der Humboldt-Universität begonnen. Auftakt war eine Veranstaltung im Konzerthaus am Gendarmenmarkt. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Universitätspräsident Christoph Markschies waren die prominentesten Redner der Veranstaltung, zu der 1.300 Gäste geladen waren.
20 Jahre nach der friedlichen Revolution in der DDR werde mit dem Jubiläum auch "die erfolgreiche und nahezu komplette Erneuerung der größten ostdeutschen Universität nach der deutschen Wiedervereinigung" gewürdigt, sagte Markschies und bezeichnete die Hochschule als ein "Laboratorium der deutschen Einheit".
Im Anschluss liefen etwa 300 Lehrende, Studierende und Freunde der Universität mit einem Festumzug vom Gendarmenmarkt zu einem Empfang im Hauptgebäude der Hochschule Unter den Linden. Dort wurde im Foyer eine Kunstausstellung eröffnet. Zu sehen ist eine Installation der Berliner Künstlerin Ceal Floyers, eine Auseinandersetzung mit der 11. Feuerbachthese von Karl Marx, die in großen Lettern im Foyer prangt: "Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern."
In den kommenden 15 Monaten wird das Jubiläum mit über 70 Ausstellungen, Konferenzen und Konzerten gefeiert.
Gegründet wurde die Humboldt-Universität 1809 auf Initiative des preußischen Bildungsreformers und Sprachwissenschaftlers Wilhelm von Humboldt, im Jahr darauf begannen Forschung und Lehre. Von 1828 bis 1946 führte die Hochschule den Namen Friedrich-Wilhelms-Universität, benannt nach ihrem Gründer, dem preußischen König Friedrich Wilhelm III. 1949 erhielt die Universität ihren heutigen Namen. KAF
Sechs Jahre Bauzeit und 75,5 Millionen Euro waren nötig, damit die Humboldt-Universität ihre erste eigene Zentralbibliothek in dem imposante Monumentalbau des Schweizer Architekten Max Dudler beherbergt. Zwischen den S-Bahnhöfen Friedrichstraße und Hackescher Markt thront der helle Natursteinbau mit unterschiedlich breiten Fenstern: schmale für die aufgereihten lichtscheuen Bücher, breitere für die hellen Arbeitsplätze mit Ausblick.
Doch zunächst müssen die ersten Besucher der neuen Bibliothek erst einmal ins Unterirdische zu den Schließfächern. Um acht Uhr hat die Bibliothek erstmals geöffnet, zwei Stunden später sind fast alle Schränke belegt. "Mensch, ist das voll", sagt eine Frau. "Die ganzen Bibliotheken waren ja seit dem Sommer zu, klar kommen die dann heute alle", erklärt ihr Kommilitone. Noch sitzt kaum jemand in den roten Lesesesseln im ersten Stock oder in der Cafeteria im Erdgeschoss. Viele der 1.250 Arbeitsplätze sind dagegen schon belegt. Wer kein Laptop hat, kann an einem der 450 Computern arbeiten.
Die unterschiedlichen Fachbereiche sind über sieben Stockwerke verteilt. Medien- und kulturwissenschaftliche Bände stehen im zweiten Geschoss, im dritten die Bereiche Philosophie, Erziehungswissenschaften und Ethnologie. "Gerade die Geisteswissenschaften arbeiten ja sehr interdisziplinär, das war der Hauptgrund für die Zusammenlegung", erklärt Pressesprecher Olaf Eigenbrodt. 2,1 Millionen Bücher haben Platz im Freihandbereich, 2,5 Millionen Bücher können aus dem Bestand bestellt werden. Damit gehört die Bibliothek zu den größten in Deutschland, hat mit am längsten geöffnet - wochentags von 8 Uhr bis Mitternacht - und ist auch für Nichtstudenten kostenlos.
Drei Studentinnen laufen keuchend die Treppe in den fünften Stock hinauf. "Hier muss es doch irgendwo einen Fahrstuhl geben." Gibt es auch, nur das Hinweisschild fehlt noch. Im Eltern-Kind-Bereich gibt es noch kein Spielzeug, eine der 120 Bibliotheksangestellten steht in ihrer Abteilung vor verschlossener Tür, weil ihre Zugangskarte nicht erkannt wird, und an den Recherchecomputern im Eingangsbereich funktioniert der Internetzugang nicht.
Die Anfangsschwierigkeiten sollen bis 19. November behoben sein. Dann wird die Bibliothek offiziell eröffnet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin