Integration: Fußball hilft beim Deutschlernen
Kinder aus Neukölln spielen Fußball mit dem Hertha-Jugendtrainer, nach dem Training gibt es Deutschunterricht. Der Erfolg des Projekts zeigt sich in den Noten.
Die Kinder in der Turnhalle der Rixdorfer Grundschule tragen zwar Hertha-Trikots. Doch obwohl der Trainer von Herthas U 12-Mannschaft, Zeljko Ristic, mitten unter ihnen steht, fehlt es dem Spiel der Neuköllner SechstklässlerInnen für die Bundesliga-Jugendauswahl noch etwas an Disziplin. Nicht schlimm, meint Ristic, der nicht nur als Fußballtrainer ist, sondern auch Berufserfahrung als Streetworker hat: "Beim Fußball können die Kinder sich austoben. Das hemmt die Aggressivität im Alltag und so benehmen sie sich disziplinierter", sagt er zwischen zwei schrillen Pfiffen, mit denen er ein Foul auf dem Spielfeld unterbindet.
Die FußballspielerInnen in der Schulturnhalle sollen in erster Linie allerdings auch gar nicht bundesligareif werden. Sie sollen bessere Noten auf dem Zeugnis haben - und das nicht nur im Sport. Die Kinder sind Teilnehmer des Programms "Fußball trifft Kultur", das die Frankfurter Buchmesse und Hertha BSC seit einem Jahr gemeinsam an zwei Neuköllner Grundschulen durchführen. Insgesamt 25 SchülerInnen der 6. Klasse nehmen daran teil, zur Hälfte beteiligen sich sogar Mädchen. Fußballspielen und Unterricht laufen jedoch getrennt ab. Kleinere Gruppen können einfacher betreut werden können, heißt die Begründung. Zweimal die Woche gibt es also Fußball und dazu extra Deutschunterricht. Außer Grammatik zu üben, können die Kinder auch Bücher ausleihen, die vom Sponsor des Programms, der S. Fischer Stiftung, zur Verfügung gestellt wurden. Auch gemeinsame Museums- und Bibliotheksbesuche gehören zum Projekt.
Die zwölfjährige Fatma findet das alles sehr prima. Mädchen seien beim Fußball genauso gut, eigentlich sogar besser als Jungs, sagt sie. Die Frage, ob auch ihr Deutsch besser geworden sei, beantwortet sie eindeutig: "Ja, viel!" Und obwohl ihr, wie auch allen anderen befragten TeilnehmerInnen, Fußball mehr Spaß macht, besucht sie den Deutschunterricht gern. Genau wie Büsra, Schulsiegerin bei einem Vorlesewettbewerb: "Zu Hause, mit der Familie sprechen wir Türkisch, hier in der Schule sprechen aber alle Deutsch. Deshalb ist es gut, länger hier zu sein."
Unbestrittener Höhepunkt des Programms war der Besuch der Kinder beim Uefa-Cup-Spiel Hertha gegen Galatasaray Istanbul im Dezember im Olympiastadion. Auch die Eltern waren dabei. Auf die Frage, wem der Jubel der Kinder, die alle aus Einwandererfamilien stammen, galt, zuckt Zeljko Ristic die Schultern: "Die Türken jubeln Galata zu, die Araber Hertha. Ist nun mal so." Sie selbst würden allerdings alle lieber für Berlin spielen wollen. Überhaupt sei der Besuch bei Hertha für die Kinder eine große Sache gewesen, so der Trainer. Manche von ihnen hätten bei der Gelegenheit den Kiez zum ersten Mal verlassen, zum ersten Mal die U-Bahn benutzt.
Ristic zeigt das Heft eines Projektteilnehmers: "Durch den Fußball lernt man viele neue Freunde und Kulturen anderer Länder kennen", schreibt ein Junge. Tatsächlich merkt man beim Training sofort, dass die Kinder sehr großes Vertrauen zu ihrem Trainer haben. Er kennt seine Schäfchen genau, weiß, bei wem es zu Hause Probleme gibt. Und die Kinder erzählen ihm Dinge, die sie Lehrern nicht anvertrauen würden.
Doch auch deren Unterricht profitiert von dem Projekt. "Die Zeugnisse der TeilnehmerInnen haben sich seit Programmbeginn verbessert, man merkt, dass sie mehr lesen", sagt Petra Gilger, die für den Extra-Deutschunterricht zuständig ist. Die Mädchen seien von Anfang an sprachlich besser gewesen, aber die Jungs hätten inzwischen aufgeholt. Alle TeilnehmerInnen haben eine Realschulempfehlung erhalten, manche sogar die Gymnasialempfehlung.
Als "absolute Erfolgsgeschichte" bewertet auch die Schulleiterin der Rixdorfer Grundschule, Anke Peters, das Programm. Auf die besseren Noten allein kommt es ihr dabei nicht an: "Neben der sprachlichen Entwicklung lernen die Kinder, Regeln einzuhalten. Und das bleibt nicht ohne Einfluss auf die Mitschüler."
Nächstes Jahr wird das Programm weitergeführt und schon mit der 5. Klasse begonnen. So können die Kinder über eine längere Periode betreut und vielleicht noch erfolgreicher auf die Oberschule vorbereitet werden.
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