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Archiv-Artikel

Sprachliche Verharmlosung

betr.: „Beschnitten, nicht verstümmelt. Migrantinnen wollen selbst entscheiden, wie sie gegen Beschneidung von Mädchen in Deutschland vorgehen“, taz vom 6. 2. 07

Wenn Frau Asefaw meint, sie müsse die „weißen Frauenrechtlerinnen“ über die Begrifflichkeit dieser Praktiken belehren und öffentlich zur sprachlichen Verharmlosung anstiften, ist das eine Sache. Wenn gleichzeitig nicht erwähnt wird, dass die ausschließliche Verwendung des Begriffs „Genitalverstümmelung“ von der weltweit größten Vereinigung afrikanischer Frauen und Männer, dem InterAfricanComitée (IAC) gefordert wird, ist das eine andere.

Die Mitglieder des IAC sahen sich auf ihrer Generalversammlung 2005 veranlasst, in einer Deklaration die Weltöffentlichkeit zum Einhalt der sprachlichen Bagatellisierung durch Begriffe wie „Beschneidung“ aufzufordern. Dass MigrantInnen „selbst entscheiden wollen“, wie sie gegen diese Praktiken in Deutschland vorgehen, hat einen Haken: Die Verhinderung von Genitalverstümmelung an hier lebenden Mädchen ist nicht ihre Aufgabe! Es ist nicht die Verantwortung einzelner Mitglieder der Gesellschaft, diese Verbrechen zu unterbinden, sondern die Pflicht der Bundesregierung. Und zwar deshalb, weil Genitalverstümmelung systematisch eine Reihe von Grundrechten (zum Beispiel Art. 2 GG, Art. 3 GG) der Opfer verletzt, zu deren Gewährung der Staat verpflichtet ist. Genitalverstümmelung erfüllt schwere Straftatbestände (§ 223, § 224 und § 225 StGB). Die Einführung von Präventionsmaßnahmen, die auf die Risikogruppe der gefährdeten Mädchen abgestimmt sind – und somit nur diese Mädchen erfassen, ist nicht diskriminierend, sondern trägt der akuten und genau bestimmbaren Gefährdung Rechnung!

Massiv diskriminiert werden die gefährdeten Mädchen bis jetzt: Indem ihnen das Recht auf Schutz ihrer Würde und körperlichen Integrität verweigert wird; indem man akzeptiert und duldet, dass an ihnen Verbrechen verübt werden, die für „weiße“ Kinder als inakzeptabel gelten. Auffällig ist, dass die KulturrelativistInnen – egal welcher Hautfarbe – keine praktikablen Lösungen anzubieten haben, mit denen Genitalverstümmelungen umfassend verhindert werden können. Anstatt weiterhin Energie für die Zurechtweisung der „weißen Frauenrechtlerinnen“ aufzuwenden, sollten sie sich lieber darüber Gedanken machen. INES LAUFER

„TaskForce“ für effektive Prävention von FGM