: Finger weg, Ingo!
Prominente Liberale kritisieren das Verfassungsschutzgesetz von NRW-Innenminister Ingo Wolf. Ihr Parteifreund soll das Schnüffeln in Privatcomputern verhindernvon K. JANSEN und A. JOERES
Die Statthalterin Ich wehre mich gegen diese Online-Schnüffelei. Das ist ein Graubereich zwischen Lauschangriff und Hausdurchsuchung. Es ist ein erheblicher Eingriff, wenn jemand sieht, welche Seiten ich angucke, welche Briefe ich geschrieben habe. Das ist nicht mit dem Rechtsstaat vereinbar. Ingo Wolf tut hier in NRW etwas, was wir auf Bundesebene kritisieren. GISELA PILTZ, 42, ist Juristin und Vorsitzende der Landesgruppe der nordrhein-westfälischen FDP-Bundestagsabgeordneten in Berlin
Der Jungliberale Wir sind nicht glücklich mit dem Gesetz. Die zusätzlichen Kompetenzen des Verfassungsschutzes, zum Beispiel auch zur Überwachung von Banken, halten wir für schlecht. Dass auch Privat-PCs durchsucht werden sollen, finde ich absolut nicht nachvollziehbar. Das ist keine liberale Politik – und kann den Terrorismus nicht bekämpfen. Ingo Wolf sollte dieses Gesetz so nicht verabschieden. MARCEL HAFKE, 24, ist Vorsitzender der Jungen Liberalen in NRW
Die Bürgerrechtlerin Das Gesetz ist weitgehender als der Lauschangriff. Über den Computer erfährt der Verfassungsschutz alles – über meine E-Mails, welche Internetseiten ich besucht habe, bei welcher Bank ich was buche. NRW schafft damit als erstes Land eine unglaubliche Ermächtigungsgrundlage für den Verfassungsschutz – und beachtet meines Erachtens nicht das Grundgesetz. Ingo Wolf sollte dieses Gesetz noch einmal überarbeiten. Sonst muss hinterher wieder das Bundesverfassungsgericht die Reißleine ziehen. SABINE LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER, 55, trat nach dem Mitgliederentscheid der FDP zum so genannten Lauschangriff als Bundesjustizministerin zurück
Der Linksliberale Es ist ein Fehler, dem Verfassungsschutz den Einblick in die Internetdateien eines Bürgers zu erlauben. Was Menschen am Computer aufschreiben, ist in vielen Fällen mit einem Tagebuch gleichzusetzen, das voller persönlicher Daten ist. Ich kann mir kaum vorstellen, dass ein Gesetz gelingt, das in diesem Punkt vor dem Verfassungsgericht Bestand hat. Ich rate Ingo Wolf sehr, seinen Vorschlag noch einmal zu überdenken. GERHART BAUM, 74, ist Rechtsanwalt und war liberaler Innenminister unter Helmut Schmidt
Der Skeptiker Ich habe große Bedenken. Die Eingriffe sind größer als beim Lauschangriff. Natürlich muss es auch für die Durchsuchung des Cyber-Mediums eine gesetzliche Grundlage geben. Insofern ist das Wolf-Gesetz in der Systematik der Überwachung von Post und Wohnraum. Aber genau diese Systematik muss hinterfragt werden. Es bleibt ein ungutes Gefühl. ‚Was passiert denn da wirklich?‘
KONRAD SCHILY, 69, ist FDP-Bundestagsabgeordneter aus Witten und Bruder des ehemaligen SPD-Innenministers Otto Schily