NPD-Erfolg verharmlost : Blinde Flecken
Vor dem Wahltag waren sie alarmiert. Am Wahlabend zeigten sie sich entsetzt und am Tag nach der Wahl ein bisschen zerstritten, aber gewappnet: Die Demokraten haben auf den Wahlerfolg der Nazis im Nordosten reagiert wie gewohnt. Es ist eine dumme Reaktion, die folgenlos bleiben muss, weil sie nicht am eigentlichen Problem ansetzt.
Der NPD-Erfolg wird als Trotzwahl gegen die etablierten Parteien gewertet, als Folge eines Millionenbudgets der NPD oder als ein Phänomen, das wieder vorübergeht, wenn die frustierten Jungwähler erst einmal erwachsen werden und die Nazis sich im Landtag selbst zerfleischen. Leider ist diese Analyse grundfalsch. Denn die 7,3 Prozent der NPD in Mecklenburg-Vorpommern sind nicht das Ergebnis einer Denkzettelwahl wie 2004 in Sachsen, wo eine breite Entrüstung über die Hartz IV-Gesetze zum Erfolg der NPD beitrug. Die pralle Wahlkampfkasse der Rechtsextremen im Nordosten war zwar wichtig. Aber letztlich weiß jeder Politiker, dass Wahlerfolge nur sehr begrenzt käuflich sind. Das Problem ist auch kein vorübergehendes: dort, wo die NPD am Sonntag gut abschnitt, ist sie seit zwei Jahren erfolgreich, bei Kommunalwahlen wie auch bei der letzten Bundestagswahl.
Das Ereignis ist ein anderes: Eine rechtsextreme Partei hat Wurzeln geschlagen, wo sonst nichts ist. Sie ist in Familien verankert und gesellschaftlich akzeptiert. Neonazis sind mancherorts einfach „unsere Jungs“, und vermutlich haben sie in einigen Dörfern längst stille Mehrheiten bei der Freiwilligen Feuerwehr. NPD zu wählen ist dort kein trotziger Tabubruch, weil die Partei nicht tabuisiert ist. Doch all dies wollen sich Harald Ringstorff und die anderen mit kindischer Beharrlichkeit nicht eingestehen. Sie fürchten, in Gegenden wie Ostvorpommern oder Uecker-Randow ihr eigenes Scheitern zuzugeben: Gegenden, in denen sie gescheitert sind - oder es nie versucht haben.
Solange SPD, CDU und PDS dies leugnen, werden sie aber nie mit der mühseligen Arbeit beginnen, die es bräuchte, in den vergessenen Landstrichen präsent zu sein. Sie werden nicht die nötigen Freizeitangebote in Regionen schaffen, wo Kameradschaftsversammlungen für viele zum spannendsten Angebot geworden sind. Stattdessen richten die Politiker den Blick nur auf die Gewaltbereitschaft der Rechstextremen: sie fordern Strafverfolgung und Opferberatung, und vielleicht werden sie sich sogar daran erinnern, beides zu finanzieren.
Die NPD bekommt nun das Geld, um ihre Verankerung in jenen Dörfern zu festigen, die die anderen Parteien vergessen haben. Ein niederschmetternder Tag, so hat die Landtagspräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern das Wahlergebnis kommentiert. Die NPD denkt in Jahren. GEORG LÖWISCH