: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Trotz Jahrestag-Hype: Den großen Film zum 11. September gibt es noch nicht, das Ereignis war schon fiktional genug. Dafür findet Natascha Kampusch, die acht Jahre lang gefangen gehalten wurde, ein fast genauso großes Medienecho
taz: Was war schlecht in der letzten Woche?
Friedrich Küppersbusch: Unverdienter Siegtreffer der Bayern in der Verlängerung (!!!) gegen St. Pauli.
Was wird besser in dieser?
St. Pauli dank der Abendkasse von 600.000 Euro schlagartig entschuldet.
Der Fernsehauftritt der 18-jährigen Natascha Kampusch, die acht Jahre lang von einem Entführer gefangen gehalten wurde, sorgte für großen Medienwirbel. Wie bewerten Sie das?
Für null mediales Interesse sorgte der Verzicht auf einen Fernsehauftritt des 24-jährigen Murat Kurnaz, der fünf Jahre lang von der US-Regierung in Guantánamo gefangen und nach Einlassung seines Anwalts „gefoltert und entrechtet“ wurde. Wie bewerten wir diese Prioritätenentscheidung der hiesigen Medien?
Hätten Sie mit Ihrer TV-Produktionsfirma das Interview – anders – gemacht?
Ich hoffe, ich hätte es gar nicht gemacht. Deshalb habe ich es auch nicht geguckt und kann Details nicht bewerten. Ein gutes Interview duldet nicht die vielen No-go-Areas, die sich ein frisch traumatisierter Mensch tunlichst ausbedingen sollte. Ich hätte aber auch sämtliche Honorare des „Superstar“-Delinquenten Küblböck auf ein Sperrkonto für langfristige psychotherapeutische Betreuung gelenkt.
Halten Sie die Vorgehensweise von Frau Kampusch und ihren Beratern für richtig?
In dem Teil, dass mit diesem Schicksal erlösbare Geld teilweise dem Opfer zugeführt wird, war die Strategie wahrscheinlich richtig. In dem Teil, dem Opfer die Deutungshoheit über sein Schicksal zu bewahren, scheiterte sie bereits am nächsten Morgen am munteren Weitersabbern der papstnahen Bild-Zeitung. Im dritten Teil, der bestmöglichen therapeutischen Hilfe einer Schwersttraumatisierten, traue ich mir kein Urteil zu.
Ist das öffentliche Interesse rein voyeuristisch? Oder hängt es auch damit zusammen, dass ein solcher Fall Fragen über die Natur des Menschen aufwirft?
Nach dem, was man bisher weiß, scheint es sich um eine bittere Abart der klassischen Kasparhauseriade zu handeln. Darin liegt bereits der Hinweis, dass es sich nicht um ein relevantes zeittypisches Phänomen handelt, wenngleich einige Medien sich über einen solchen Trend – „Immer mehr Psychopathen sperren Mädchen 8 Jahre in den Keller“ freuen würden. Immerhin hätten sie diesen Trend ja beherzt mitverursacht.
Was kann man aus einer solchen Geschichte lernen?
Dass polizeiliche Ermittlungsarbeit in Vermisstenfällen frühestens mit dem Fund einer Leiche enden darf.
Zum 5. Jahrestag des 11. September mehren sich die Kino- und TV-Filme zum Thema. Lässt es sich adäquat darstellen?
Mich beeindruckte der Film der Gebrüder Naudet, die ursprünglich eine Feuerwehrstaffel im Süden Manhattans begleiten wollten und am 11. 9. in die Katastrophe gerieten. Also ein Dokumentarfilm. Guckt man die alten Kassetten der damaligen Live-Berichterstattung, begegnet einem schon allerhand Fiktion: ellenlange Diskussionen über angeblich defekte Navigationssysteme, Spekulationen und das lustige ARD-Sondersendungslogo, bei dem in einer kleinen grafischen Animation alle 20 Sekunden ein Jet ins WTC hämmerte. Den großen Film zum 11. 9. gibt’s noch nicht, aber ich kenne auch nicht den Film zur Deutschen Einheit. Das braucht Zeit.
Wäre es nun nicht auch mal Zeit für einen Spielfilm über CIA-Gefängnisse, Abu Ghraib und Guantánamo?
„Tal der Wölfe“, der türkisch-nationalistische Film etwa über Abu Ghraib, ist ja bereits hinlänglich diskutiert worden. Nicht nur dieser Film zeigt, dass wir schon toll dran wären, wenn wir wenigstens die Fakten erfahren würden, über die dann später meinetwegen auch ganz viele Filme gemacht werden können.
Und was macht Borussia Dortmund?
Vermeidet das traditionelle Pokal-Aus in der ersten Runde durch ein 3:0 gegen Fünftligist Thannhausen. Der Trainer nannte die Spielweise allerdings „zum Davonlaufen“, und der muss es ja wissen.
FRAGEN: DANIEL HAUFLER