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Archiv-Artikel

Antidiskriminierungsgesetz verschlampt

Die Regierung genießt die Sommerfrische und lässt derweil das überfällige Gesetz zur Gleichbehandlung liegen

FREIBURG taz ■ Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist nicht wie vorgesehen gestern in Kraft getreten. Bundespräsident Horst Köhler prüft das Gesetz noch. Wann die Prüfung beendet sein werde, konnte seine Sprecherin gestern noch nicht sagen.

Das Gesetz, das ursprünglich Antidiskriminierungsgesetz heißen sollte, verbietet die willkürliche Benachteiligung im Arbeits- und Geschäftsleben. Verboten sind Diskriminierungen wegen Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Alter, Behinderung, Homosexualität und Religion. Es geht auf mehrere EU-Richtlinien zurück und ist längst überfällig. Der Europäische Gerichtshof hatte schon im Oktober 2004 festgestellt, dass Deutschland in Verzug ist.

Als sich die große Koalition im Mai endlich auf einen Gesetzestext einigte, wurde der 1. August als Ziel für das Inkraftreten ausgegeben. Trotz zahlreicher Querelen – der CDU-Basis war das Gesetz zu sozialdemokratisch – beschloss der Bundestag dann den Gesetzentwurf am 30. Juni. Der Bundesrat billigte das Projekt am 7. Juli. Doch anschließend lag das Gesetz drei Wochen lang bei der Bundesregierung herum. Bundespräsident Horst Köhler bekam es erst letzten Freitag.

Das Bundeskanzleramt spricht von einer „routinemäßigen verfassungsrechtlichen Prüfung“. Aber niemand kann erklären, warum ein eilbedürftiges Gesetz, an dem seit fünf Jahre gearbeitet wird, nach seiner Verabschiedung noch so lange geprüft werden muss. Vermutlich handelt es sich um Schlamperei.

Dazu passt, dass die große Koalition bereits das erste Korrekturgesetz für das AGG vorbereitet. Nach Verabschiedung im Bundestag war nämlich aufgefallen, dass eine politische Einigung der großen Koalition nur unvollständig ins Gesetz übernommen wurde. Auf Drängen der CDU/CSU sollten Antidiskriminierungs-Verbände nicht als Prozessvertreter für Betroffene vor Gericht auftreten dürfen. Gestrichen wurde die entsprechende Klausel aber nur an einer Stelle des Gesetzes, an einer zweiten Stelle zum Verfahren am Arbeitsgericht blieb sie stehen.

Eigentlich ist das Versehen völlig unerheblich. Ob die Verbände nun als Bevollmächtigte oder – wie von der Koalition vereinbart – nur als Beistände vor Gericht auftreten können, macht keinen großen Unterschied. Die Korrektur muss aber wohl dennoch sein, weil Teile der Union immer noch dem Irrglauben anhängen, das AGG schaffe nur unnötige Bürokratie und müsse so restriktiv wie möglich umgesetzt werden.

Tatsächlich ist das AGG an manchen Stellen inzwischen so restriktiv, dass es selbst arbeitgebernahe Arbeitsrechtler wie der Bonner Rechtsprofessor Gregor Thüsing für EU-widrig einstufen. Für unzulässig hält Thüsing zum Beispiel, dass das AGG bei Kündigungen nicht gelten soll. Dies hatte die große Koalition erst in letzter Minute vereinbart.

Zunächst muss das AGG aber einmal in Kraft treten. Vermutlich wird dies noch im August geschehen. Zwangsgelder gegen Deutschland will die EU-Kommission frühestens Ende September beantragen.

CHRISTIAN RATH