: Mehr Chancen durch Deutsch und Mathe
Mit einem Berufseinstiegsjahr sollen Baden-Württembergs Lehrstellenlose für die Ausbildung fit gemacht werden. Statistisches Bundesamt: Männliche Ausländer haben es nach der Schule besonders schwer. Gutes Deutsch soll helfen
BERLIN taz ■ Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt bleibt dramatisch: Mindestens 30.000 Schulabgänger bundesweit werden voraussichtlich auch in diesem Herbst wieder ohne Lehrstelle dastehen. Das bereitet den Politikern aller Parteien Kopfzerbrechen, sagen sie.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger und sein Kultusminister Helmut Rau (beide CDU) versuchen nun, mit einem Berufseinstiegsjahr (BEJ) die Lage zu verbessern. Es soll die Bewerber fit für die Unternehmen machen. Das Landes-Kabinett hat gestern eine einjährige Erprobungsphase an 40 Standorten beschlossen.
Besonders schlechte Chancen auf dem Lehrstellenmarkt haben ausländische Jugendliche. Das Statistische Bundesamt veröffentlichte gestern aktuelle Zahlen, wonach 2005 nur 4,4 Prozent der Azubis eine ausländische Staatsbürgerschaft hatten – 0,2 Prozent weniger als 2004. Zugleich sank die Anzahl der ausländischen Schulabgänger aber weniger stark. Das spricht dafür, dass diese nach der Schule schlechtere Chancen auf eine Lehrstelle haben als ihre einheimischen Mitschüler. Besonders betroffen sind Jungs. Der Anteil weiblicher Azubis ist nicht so stark zurückgegangen.
In Baden-Württemberg soll nun solchen nichtdeutschen Jugendlichen geholfen werden: Während des BEJs soll ein besonderes Augenmerk auf die Schlüssel-Kompetenz Deutschkenntnisse gelegt werden. Daneben sollen Fähigkeiten in der Mathematik sowie im Sozialverhalten und in der beruflichen Praxis gefördert werden. In einer individuellen Analyse werden zukünftig zunächst die Schwächen und Stärken der Jugendlichen bestimmt und danach die geeigneten Berufsfelder ausgewählt.
„Das neue BEJ ermöglicht den gezielten Erwerb beruflicher Vorqualifikationen“, hob Kultusminister Rau hervor. Es würden bereits Inhalte aus dem ersten Ausbildungsjahr vermittelt. Als eine Variante des BEJ soll es zusätzlich die Möglichkeit geben, eine von den Kammern zertifizierte Teilqualifikation zu erwerben. Vorgesehen sei zudem eine verpflichtende zentrale Abschlussprüfung in Deutsch und Mathematik, um ein landesweit einheitliches Anforderungsniveau sicherzustellen.
Im Gegenzug soll die Wirtschaft in die Pflicht genommen werden: „Wir rufen die Arbeitgeber insbesondere auf, auch benachteiligten Jugendlichen eine Chance zu geben und ihnen Lehrstellen anzubieten“, sagten Oettinger und Rau gestern nach der Sitzung ihres Kabinetts.
Bisher war das so genannte Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) für die Lehrstellenlosen im „Ländle“ gedacht. Jedoch gestand selbst Kultusminister Rau ein, es habe den Teilnehmern keine Perspektiven beschert. Der DGB-Landesvorsitzende Rainer Bliesener kritisierte das BVJ als reines Warteschleifen-Programm für momentan etwa 34.000 Jugendliche. Blieser begrüßte daher den Vorstoß der Landesregierung, mit Hilfe eines BEJs die Chancen der Wartenden zu erhöhen. Wie viele freilich darin einen Platz bekämen, blieb gestern erst einmal unklar. KATRIN RÖNICKE