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Archiv-Artikel

„Ab in die Restmülltonne“

Fahnen können auch bis zur Frauen-WM aufgehoben werden, empfiehlt Verbraucherexperte Björn Rickert

taz: Herr Rickert, Deutschland ertrinkt in einem Fahnenmeer. Was machen wir mit den Flaggen, falls Deutschland heute verliert? Entsorgen? Und wie?

Brörn Rickert: Ich glaube nicht, dass es im Argentinien-Spiel schon Handlungsbedarf gibt. Aber man sollte vorbereitet sein. Auch bei Fahnen gilt, was bei Abfall immer gilt: 1. Option: Vermeiden, 2.: Verwerten, 3.: Sicheres Entsorgen.

Für Vermeiden ist es längst zu spät.

Ja, die Fahnen hängen und wehen.

Verbrennen aus Frust, ein Stadionklassiker?

Auf keinen Fall. Verbrennen ist sogar amtlich verboten. Weiterverwerten! Da gibt es viele Möglichkeiten: Nach Belgien schicken und quer aufhängen, auch wenn man sie umschneiden müsste. Zerschneiden und als Taschentücher nutzen für die Tränen. Ganz große Fahnen eignen sich, mit Feinwaschmittel gewaschen, auch als Betttuch.

Oder in den Keller packen in die Weihnachtskiste mit Option zur Wiederbenutzung.

Natürlich. Zusammenfalten, bügeln, aufheben und zur nächsten WM benutzen, vielleicht schon zur Frauen-WM 2007. Oder in die Karnevalskiste.

Aber wenn ich sie aus lauter Frust doch wegtun will: Auf welchen Müll gehört Deutschland? Gelber Sack?

Mag man denken. Ist aber falsch. Fahnen sind keine Verpackung, auch wenn sich manche Fans darin einwickeln. Sie haben ja auch keinen Grünen Punkt. Nach Abfallrecht sind Fahnen ganz klar Restmüll. Auch wenn es sich hart anhört.

Aber es ist doch ein Rohstoff!

Ja, aber es gibt keine Fahnenrücknahmeverordnung noch eine für Textilien, wozu Fahnen im weitesten Sinne zählen könnten.

Könnte ich die Fahne nicht auch in die Gebrauchtkleidertonne werfen? Zumindest zum Wiederverwerten!

Das meiste dürfte aus synthetischen Stoffen sein. Die taugen selbst als Putzlappen nicht viel.

Wenn ich statt Polyester-Billigzeug zumindest eine Fahne in Textilmischung habe?

Dann wird sie zum Umnähen vielleicht nach Afrika exportiert und macht da die Märkte kaputt. Zudem glaube ich nicht, dass man dort Deutschlandfahnen in solcher Menge als Kleidung braucht.

Oder sie landen in China und werden dort womöglich zu argentinischen Fahnen umgebastelt. Aus Fansicht eine Demütigung!

Also im Restmüll versenken. Dann kommen sie in hochtechnische Verbrennungsanlagen.

Sind wir damit ökologisch glücklich?

Schwierig. Wenn wir nichts vermieden oder verwertet haben, bleibt es der beste der schlechten Wege. Bis Mitte letzten Jahres wären Fahnen sogar auf Deponien legal ablagerbar gewesen. Dann wären Farben, Imprägnierungen und Chemikalien ins Grundwasser gegangen. Wir hätten uns an Deutschland vergiften können.

Hat die Politik versagt?

Vielleicht sollte man das Umweltministerium kurzfristig auffordern, eine Eilverordnung zur Fahnensammlung zu erlassen, ähnlich wie bei Christbäumen nach Weihnachten. Alles auf den Straßen deponieren, und die kommunalen und privaten Entsorger sammeln die Fahnen ein. Dann fehlt nur noch eine gute Idee, was man damit macht. INTERVIEW: BERND MÜLLENDER