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Archiv-Artikel

portrait Keine Beauftragte des Bauernführers

Ob Irena Lipowicz je glücklich war über ihren Job als Deutschland-Beauftragte der polnischen Regierung, konnten die meisten ihrer Gesprächspartner nur schwer einschätzen. Verteidigte die gebürtige Schlesierin nationalistische Politiker, weil sie genauso dachte wie jene oder weil sie dies für ihre Pflicht als Diplomatin hielt? Das Rätselraten hat nun ein Ende. Lipowicz warf das Handtuch wie kurz zuvor Außenminister Stefan Meller. Beide wollen keiner Regierung angehören, in der der mehrfach vorbestrafte Bauernführer Andrzej Lepper die Politik mitbestimmt. Ende voriger Woche schloss Polens nationalkonservative Recht und Gerechtigkeit (PiS) eine Koalition mit der linkspopulistischen Bauernpartei Samobrona (Selbstverteidigung) und der rechtsradikalen Liga der polnischen Familien (LPR). Seither sind Bauernführer Lepper und Liga-Chef Roman Giertych Vizepremiers.

Anders als Gesine Schwan, die als Polen-Beauftragte der deutschen Regierung immer wieder die Öffentlichkeit sucht, um den Deutschen besondere Empfindlichkeiten der Polen zu erklären, ergriff Lipowicz in Polen fast nie das Wort, um den Polen deutsche Befindlichkeiten näher zu bringen. Als im Wahlkampf die PiS mit antideutschen Parolen auf Stimmenfang ging, fehlte ihr öffentlicher Einspruch. Auch als Lech Kaczyński, der heutige Präsident, Deutschland und Russland zu den „gefährlichsten Gegnern Polens“ erklärte, schwieg die bekennende Katholikin. Und nicht einmal, als Wprost die deutsch-russische Gaspipeline mit dem Hitler-Stalin-Pakt gleichsetzte, protestierte Lipowicz gegen den unpassenden Vergleich. Inzwischen ist das Propagandavokabular der 50er- und 60er-Jahre in Polen wieder so gegenwärtig, dass unlängst auch der Verteidigungsminister wie selbstverständlich Angela Merkel und Wladimir Putin mit Hitler und Stalin verglich. Statt dem schleichenden Realitätsverlust vieler Politiker und Publizisten Kontra zu geben, zog es die Professorin für Verwaltungsrecht vor, Forschungsarbeiten zum deutsch-polnischen Verhältnis anzuregen, einen kleinen Think Tank zu gründen und Themenvorschläge für bereits bestehende deutsch-polnische Institute auszuarbeiten. Es war eher eine Arbeit im Stillen.

Dagegen wird der Name Lipowicz bis heute mit Wien in Verbindung gebracht. Hier war sie von 2000–04 Botschafterin. In guter Erinnerung ist die 52-jährige Politikerin vielen Polen auch als aktives Mitglied der Solidarność und ab 1991 als Parlamentarierin der liberalen Freiheitsunion im Sejm. Eine Bilanz hat Lipowicz bisher nicht gezogen. Sie hat einfach ihren Rücktritt eingereicht – so still, dass es über eine Woche lang niemand merkte. GABRIELE LESSER