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Archiv-Artikel

Hinrichtungssimulation in der Lagerhalle

Zwei österreichische Polizeibeamte sind vom Dienst suspendiert, weil sie einen Gambier gequält und mit dem Tode bedroht haben sollen. Grünen-Politiker: Die herabwürdigende Behandlung von Schwarzafrikanern in Polizeigewahrsam hat System

AUS WIEN RALF LEONHARD

„Quälen und Vernachlässigen eines Gefangenen“ heißt der Straftatbestand, der zwei Wiener Polizeibeamten zur Last gelegt wird. Sie werden beschuldigt, letzte Woche einen Afrikaner nach missglückter Abschiebung geprügelt und mit dem Tode bedroht zu haben. Ein mit dem Handy aufgenommener Schnappschuss seiner Frau, der ein völlig verschwollenes Gesicht zeigt, untermauert den Vorwurf. Die Polizisten wurden sofort vom Dienst suspendiert.

Der 33-jährige Bakary J. aus Gambia wurde zweimal wegen Drogenhandels verurteilt. Nach Absitzen seiner jüngsten Haftstrafe sollte er abgeschoben werden, obwohl er seit über fünf Jahren mit einer Österreicherin verheiratet ist und ein gemeinsames Kind hat. Er wurde am Morgen des 8. April abgeholt und zum Flughafen transportiert. Der Pilot weigerte sich, loszufliegen. „Die Abschiebung musste abgebrochen werden“, heißt es im Protokoll. Über die folgenden Ereignisse schweigen die Aufzeichnungen. Bakary J. fand sich in einer Lagerhalle, die Polizeiübungen dient. Dort sei er auf die Knie gezwungen worden und die Beamten seien mit dem Auto auf ihn zugerast. Laut Polizisten war es auf dem Rückweg vom Flughafen zu „Handgreiflichkeiten“ gekommen. Deswegen habe man dem Mann eine Anzeige wegen „Widerstandes gegen die Staatsgewalt“ verpasst. Dieser Vorwurf wird routinemäßig gegen Afrikaner erhoben, wenn sie im Polizeigewahrsam schwere Blessuren abbekommen. Doch diesmal erschienen die Behauptungen der Beamten so unglaubwürdig, dass schnell interne Ermittlungen eingeleitet wurden.

Es werde immer von Einzelfällen gesprochen, kritisierte der Grünen-Abgeordnete Peter Pilz. Innenministerin Liese Prokop, ÖVP, „weigert sich aber offenbar, das System zu erkennen“. Schwarzafrikaner seien regelmäßig herabwürdigender Behandlung durch die Polizei ausgesetzt. Für Pilz ist der jüngste Fall ein Produkt der Toleranz der Politik gegenüber solchem Verhalten und der Verschärfung des Fremdenrechts. Seit Jahresbeginn werden Asylsuchende in Schubhaft gesteckt, Familien getrennt und traumatisierte Menschen aus Kriegsgebieten abgeschoben. Menschenrechtsgruppen und Kirchen laufen vergebens Sturm gegen die Praktiken, die zum Teil internationalen Konventionen widersprechen und in Europa ihresgleichen suchen.

Dem Koalitionspartner BZÖ ist das Fremdenrecht nicht scharf genug. Bei einem „Integrationsdialog“ im Mai will die Partei die Abschiebung ausländischer Arbeitsloser und einen Zuwanderungsstopp fordern.