: NPD setzt auf den bösen Onkel
In Neukölln wollte die NPD „Kiezstreifen gegen Kinderschänder“ bilden. Sie sollten Männer kontrollieren, die allein mit einem Kind unterwegs sind. Der Innensenator hat dies jetzt verboten
Von Plutonia Plarre
Die Polizei hat der rechtsextremen NPD und deren Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) untersagt, Bürgerwehren gegen „Kinderschänder“ zu bilden. Auch entsprechende Flugblätter und Postwurfsendungen, in denen ein solches Vorhaben angekündigt wird, dürfen nicht weiter in Umlauf gebracht werden. Der Hintergrund: Vor wenigen Tagen waren Pamphlete mit NPD- und JN-Logo des Kreisverbands Neukölln rund um die Neuköllner High-Deck-Siedlung aufgetaucht. Darin kündigten die Rechtsextremen an, „Kiezstreifen gegen Kinderschändung“ ins Leben zu rufen.
Der Vorfall wurde erst gestern bekannt: Innensenator Ehrhart Körting (SPD) brachte ihn im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses zur Sprache. Bei Zuwiderhandlung ist der NPD ein Zwangsgeld von 500 Euro angedroht worden. „Damit ist deutlich geworden, dass es sich um eine verbotene Aktion handelt“, sagte Körting.
In dem Flugblatt spricht die rechtsextreme Partei davon, dass rund um die High-Deck-Siedlung „ein Kinderschänder sein Unwesen“ treibe. Ihn wolle man „stoppen oder bestenfalls erwischen“. Jeweils zwei Personen, die durch eine weiße Armbinde gekennzeichnet sind, würden deshalb zusammen Streife laufen. An der Aktion beteiligt seien nur Nationaldemokraten und „deren engste Freunde“. Somit sei gewährleistet, dass sich keine Pädophilen als Freiwillige unter den Streifendienst mischten.
Ferner werden die mit „Liebe Eltern, sehr geehrte Mitbürger“ angesprochenen Empfänger des Flugblatts aufgefordert, ihre Kinder „möglichst nicht allein“ zur Schule beziehungsweise nach Hause gehen zu lassen. An Männer gerichtet, heißt es darin: „Seien Sie, als Väter, darauf gefasst, von uns angesprochen zu werden, wenn Sie Ihr Kind zu Fuß zur Schule bringen.“
Es ist nicht neu, dass sich Rechtsextreme den Kampf gegen Pädophile auf ihre Fahnen geschrieben haben. Neu ist auch nicht, dass – wie auf dem Flugblatt geschehen – die Todesstrafe für Kindermörder gefordert wird. In Hamburg waren Neonazis vor mehreren Jahren gegen den Betreiber eines Internetportals und Vorsitzenden eines Pädophilenverbandes vorgegangen.
Dass in Berlin in der Vergangenheit vergleichbare Postwurfsendungen aufgetaucht sind, ist bisher nicht bekannt. Mitarbeiter des Antifaschistischen Pressearchivs (Apabiz) haben beobachtet, dass die JN seit dem Verbot der rechtsextremen Kameradschaften Tor und Baso verstärkt Zulauf bekommen haben. Die JN in Neukölln habe davon aber nicht profitiert, Zuwachs sei eher in anderen Teilen der Stadt zu beobachten. Der Neuköllner Kreisverband der JN, auf dessen Mist die Idee mit den „Kiezstreifen gegen Kinderschänder“ gewachsen zu sein scheint, „gilt intellektuell nicht gerade als Speerspitze“, so ein Mitarbeiter des Apabiz.
Ein Fall in Berlin zeigt jedoch, auf welch fruchtbaren Boden die von den Rechtsextremen verbratenen Ideologien fallen können. Am 1. Mai misshandelten zwölf Jugendliche in Köpenick einen Mann, den sie für einen Kinderschänder hielten. Sie wollten ihrem Opfer eine Lektion erteilen. Gegen die Neonazis wurde Anklage erhoben. Der Prozess läuft noch.