: Erst erschießen, dann ermitteln
Australiens konservativer Premier John Howard plant die Einführung neuer Antiterrorgesetze. Polizei erhält neue Vollmachten, Bürgerrechte werden beschnitten
CANBERRA taz ■ Der Entwurf für ein neues Gesetz gegen Terrorismus hat am Wochenende in Australien für Aufregung gesorgt. Vertreter von Bürgerrechtsorganisationen, Juristen und Menschenrechtler fürchten, im Papier vorgeschlagene weit reichende Vollmachten für die australische Bundespolizei AFP und den Geheimdienst Asio könnten zu einer drastischen Beschränkung individueller Freiheiten führen.
Rechtsexperten halten die geplanten Antiterrorgesetze für die „härtesten der Welt“. Unter anderem soll Personen lebenslange Haft drohen, die als terroristisch klassifizierte Organisationen finanziell unterstützen – bewusst oder unbewusst. Die Polizei würde Personen, die terroristischer Handlungen oder Planung verdächtigt werden, bis zu 48 Stunden ohne richterliche Verfügung festhalten können. Gerichte dürften Verdächtige, die eine Gefahr darstellen könnten, sich aber nicht strafbar gemacht haben, zu Hausarrest verurteilen und die Nutzung von Telefon und Internet verbieten. Außerdem soll es der Polizei in Zukunft erlaubt sein, Personen, die verdächtigt werden, eine terroristische Tat zu begehen, auf der Stelle zu erschießen.
Die australische Regierung unter dem konservativen Premierminister John Howard hatte kurz nach den Bombenanschlägen in London im Juli mit der Ausarbeitung des Entwurfs begonnen. Eine Veröffentlichung oder gar eine öffentliche Diskussion war aber nicht geplant. Stattdessen wurde das 107 Seiten lange und mit „vertraulich“ markierte Papier am Wochenende ohne Einverständnis Howards auf der Webseite des Ministerpräsidenten des Australian Capital Territory (ACT) publiziert.
Das ACT ist ein von der oppositionellen Laborpartei regiertes Bundesland. ACT-Ministerpräsident Jon Stanhope hatte vergangene Woche gemeinsam mit den Regierungschefs der anderen Bundesländer dem Gesetzentwurf zugestimmt. Seither seien ihm jedoch Zweifel über die Konsequenzen gekommen, die das Gesetz für die Rechte der Bürger haben wird, so Stanhope gestern.
Premierminister Howard verurteilte die Veröffentlichung des Dokuments durch Stanhope am Wochenende, verteidigte die Gesetze aber als notwendig in „sehr gefährlichen und schwierigen“ Zeiten. Seit Mitte dieses Jahres kontrolliert die konservative Regierungskoalition beide Kammern des Parlaments. Es ist anzunehmen, dass das umstrittene Gesetz schon Ende Oktober verabschiedet wird. URS WÄLTERLIN