: Aids fördert Afrikas Hungersnöte
Die wachsende Hungersnot im südlichen Afrika hängt eng damit zusammen, dass in dieser Region die Aids-Infektionsraten am höchsten sind und weiter steigen, analysiert das UN-Aidsbekämpfungsprogramm in seinem neuen Jahresbericht
von DOMINIC JOHNSON
Ein besonderes Augenmerk legt der jüngste Welt-Aids-Bericht der UNO in diesem Jahr auf die Verbindungen zwischen Aids-Epidemien und humanitären Krisen anderer Art. „Langanhaltende, schwere Epidemien stürzen Millionen von Menschen tiefer in Elend und Verweiflung, weil ihre Arbeitskraft sinkt, ihre Einkommen fallen, ihr Wohlstand schwindet und die Haushalte zerfallen“, schreibt das UN-Aidsbekämpfungsprogramm Unaids. „Von Aids geschwächt, reichen traditionelle Umgangsmethoden nicht mehr aus, um mit zusätzlichen Bedrohungen wie bewaffneten Konflikten, Ernteausfällen oder Naturkatastrophen umzugehen.“ Besonders deutlich werde dies im südlichen Afrika, wo die Aids-Infektionsraten am höchsten sind – und zugleich eine der schwersten Hungersnöte seit vielen Jahren droht.
14,4 Millionen Menschen sind nach UN-Angaben in Lesotho, Malawi, Mosambik, Sambia, Simbabwe und Swasiland akut von Hunger bedroht. Über 15 Millionen Menschen im gesamten südlichen Afrika leben mit HIV-Aids. Aids- und Hungeropfer, so Unaids, sind in vielen Fällen identisch. Die Infektionsraten in manchen der Hungerländer sind astronomisch: 33,7 Prozent in Simbabwe, 33,5 in Swasiland, 31 Prozent in Lesotho. „Die Lebensmittelkrisen dieser drei Länder haben mit der Auswirkung dieser langandauernden HIV-Aids-Epidemie zu tun, vor allem unter jungen, produktiven Erwachsenen“, so der Bericht.
Die Ausbreitung von Aids fördert die Ausbreitung von Hunger. Wenn Krankheit die Bauernfamilie schwächt, werden arbeitsintensive kommerzielle Agrarprodukte, die vielleicht bei der Ernte mehr Geld bringen, zugunsten einfacher, schnell konsumierbarer Nahrungsmittel aufgegeben, um Arbeitskraft zu sparen – so sinken aber die Haushaltseinkommen, und wenn zugleich Lebensmittel wegen Dürre teurer werden, gibt es bald gar nichts mehr zu essen.
Im südlichen Afrika insgesamt tötete Aids dieses Jahr 1,1 Millionen Menschen. Nach Angaben der UN-Agrarorganisation FAO sind in den 25 am meisten von Aids betroffenen Ländern der Welt seit 1985 sieben Millionen Bauern und Landarbeiter an Aids gestorben. „16 Millionen mehr könnten in den nächsten zwanzig Jahren sterben“, warnt Unaids. In Simbabwe haben Untersuchungen ergeben, dass ein Aids-Todesfall die Maisernte einer Kleinbauernfamilie durchschnittlich um 61 Prozent senkt, die Gemüseernte um 49 Prozent.
Es geht dabei nicht so sehr um sexuell aktive junge Männer, wie in Afrikas Großstädten. Die meisten Aidsinfizierten Afrikas sind Frauen; auch unter der Landbevölkerung ist die Mehrzahl weiblich. Wenn sie sterben, löst sich die Familie insgesamt auf. „In der letzten Instanz sind Frauen und Kinder gezwungen, Sex für Arbeit und Essen anzubieten“, so der Bericht. „Kinder verlassen in großer Zahl die Schule, um nach Essen zu suchen. In diesem Zerfallszustand blüht Aids erst recht.“
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