: „Ich könnte niemanden töten“
Interview MARCEL ANDERS
Eminem, hast du den Amoklauf in Erfurt mitbekommen?
Natürlich. Der hat bei uns für einen riesigen Medienrummel gesorgt. Fast noch schlimmer als bei Littleton. Ich glaube, bei der Berichterstattung ging es in erster Linie darum, zu zeigen, dass es nicht nur die Ami-Kids sind, die ausflippen, sondern auch die europäischen. Und das hat sie irgendwie beruhigt. Eben, weil es kein rein amerikanisches Phänomen ist, sondern es auch anderswo verwirrte Menschen gibt.
Ist die Kontrolle von Rap- und Rockmusik oder von Computerspielen ein wirksames Mittel, um Gewalt zu verhindern?
Blödsinn! Alles, was man verbietet, ist für die Kids umso reizvoller. Und egal, ob es nun Alkohol, Drogen oder Computerspiele sind, sie kriegen das Zeug immer irgendwo her. Außerdem lässt sich der geistige Aussetzer von ein paar Spinnern nicht verallgemeinern. Millionen von Kids spielen harte Sachen am Computer. Oder sie gucken sich Gewaltvideos an. Aber nur zwei nehmen es zum Anlass, selbst kräftig durchzudrehen. Also ein Schwindel erregend geringer Prozentsatz. Daraus auf die Allgemeinheit zu schließen, ist doch ein Witz – das ist so, als wenn man einen korrupten Politiker zum Anlass nähme, um den ganzen Berufsstand der Korruption zu bezichtigen. Was in dem Falle sogar berechtigt wäre. Mal ehrlich: Ich konnte als Kind gar nicht genug Horror-Videos kriegen. Hat mich das zum Mörder gemacht? Nein. Ich habe deswegen auch kein Gewaltpotenzial entwickelt. Im Gegenteil: Solche Filme zu sehen, hat mir eher die Aggressivität genommen.
Wobei du in deinen Texten richtig zulangst: Auf der „Slim Shady“-LP hast du Pamela Anderson die Brüste aufgeschlitzt, auf der „Marshall Mathers“-Platte deine Ex ertränkt, und jetzt bezeichnest du deine Mutter als „selfish bitch“.
Ja, aber das heißt doch nicht, dass ich sie tatsächlich umbringen würde. Dafür habe ich viel zu viel Respekt vor dem Leben. Ich könnte niemanden töten, auch wenn ich mir das manchmal wünschen würde. Und was meine Mutter betrifft, so ist das eher eine Warnung – eben ein: Lass mich in Ruhe, sonst könnte tatsächlich etwas passieren. Ich fordere aber niemanden auf, das für mich zu tun. Niemals.
Wie steht es mit Musikern wie Marilyn Manson, Slipknot oder Korn? Müssen die Verantwortung für ihre Musik übernehmen?
Das ist eine schwierige Frage. Es ist natürlich einfach, sie zu Sündenböcken abzustempeln und ihnen die Schuld an diesen Attentaten zu geben. Dann braucht man keine weitere Ursachenforschung betreiben, muss sich nicht mit peinlichen Fragen, tiefgründigen Analysen oder mit eigenen Fehlern befassen. Das ist also sehr bequem. Andererseits muss sich jeder Künstler, ganz egal aus welchem Genre er kommt, selbst für seine Musik verantworten. Er muss wissen, wie weit er gehen darf, wo die Grenzen des guten Geschmacks sind und wann das Ganze nichts mehr mit Entertainment zu tun hat. Bei Bands, denen es nur ums Schockieren und Provozieren geht, ist das natürlich eine knifflige Sache. Wenn sie Zweifel haben, ob sie zu brutal und wild sind, dann sollten sie es einschränken. Wenn sie aber zu dem stehen, was sie da machen, ist das O.K. Und mal ehrlich: Marilyn Manson, Korn und Slipknot sind doch noch moderat. Sehr intensiv zwar, aber doch längst nicht so schlimm wie einige Death Metal- oder Gothic-Bands.
Sollten die zensiert werden?
Nein, denn wer sollte entscheiden, was O.K. ist und was nicht? Wer darf sich das anmaßen? Irgendwelche Moralapostel oder Politiker? Um Gottes willen! Dann hast du letztlich nur noch mehr von diesen Amokläufern. Denn das ist doch der wahre Grund, warum die Kids durchdrehen: weil ihnen Schuldgefühle eingetrichtert werden, mit denen sie nicht klarkommen. Sei es von TV-Predigern, Eltern oder reaktionären Wichtigtuern. Sie alle richten darüber, was richtig und falsch ist und welche Konsequenzen das haben wird. Und wenn ich nichts mehr tun darf, was mir Spaß macht, wenn mich alles in die Hölle bringt, dann ist es sowieso egal, was ich mache – die Konsequenz ist eh dieselbe.
Das klingt, als wäre dir der Rachegedanke gar nicht so fern.
Ist er auch nicht. Ich kann diese Kids verstehen. Was nicht heißt, dass ich ihre Tat richtig finde. Als Kind bin ich von meinen Mitschülern derart geärgert und gehänselt worden, dass ich nur zu gerne mit einer Maschinenpistole durch die Klassen gezogen wäre, um sie abzuknallen. Schließlich war ich dieser verwahrloste Junge aus den Trailerparks von Detroit. Ich hatte kein Geld für coole Klamotten und teure Hobbys, lief immer ziemlich dreckig und abgefuckt rum, musste neben der Schule noch jobben und war in meinen Leistungen so mies, dass ich in der Highschool gleich dreimal sitzen geblieben bin. Da ist es klar, dass dich die anderen auf dem Kieker haben. Sie haben mich bei jeder Gelegenheit fertig gemacht – und schau, wo sie heute sind: in denselben Vororten von Detroit, in denen sie aufgewachsen sind. Das sind alles Loser, und ich bin ihr König. Ich habe es da rausgeschafft.
Das kann man so sagen: Dein Haus in Manchester Heights, dem Villenviertel von Detroit, ist schon ziemlich gediegen.
Findest du? Ich glaube nicht, dass es wirklich protzig ist. Jedenfalls nicht so wie die Paläste der Westcoast-Rapper (siehe Glossar). Ich meine, Dres Haus ist schlimmer, da bin ich noch ziemlich moderat. Ich brauche kein Gold, keine Diamanten oder so einen Mist. Ich stehe mehr auf Hightech: Fernseher, Stereoanlagen, Computerspiele, aber auch Designermöbel und so. Eben all die Dinge, von denen ich zeitlebens geträumt habe und die ich mir jetzt ganz locker leisten kann. Und ich habe mein eigenes Studio, auf das ich besonders stolz bin. Es hat alles, was man braucht. Es ist sehr funktional und modern. Ich habe mir mein eigenes kleines Reich geschaffen, in dem es wirklich alles gibt.
Dann wirst du Detroit, die hässlichste Stadt der USA, also nie verlassen?
Nein, denn eigentlich fühle ich mich hier ganz wohl. Ich bin auch bereit, alles dafür zu tun, um diese Stadt wieder nach vorne zu bringen, so lange man mich hier in Frieden lässt. Ich möchte nicht, dass die Leute vor meinem Haus kampieren oder mich auf Schritt und Tritt verfolgen. Wenn sie mich respektieren, lassen sie mich in Ruhe, was sie bislang auch tun.
Dein neue Album heißt „The Eminem Show“ und es erinnert an eine Seifenoper mit ein bisschen Sex, Crime und Liebe, mit exzentrischen Charakteren und jeder Menge schmutziger Wäsche. Ein Abbild deines Lebens?
Ja, mein Leben ist eine richtige Show geworden. Jeder Mensch bekommt mit, was bei mir abläuft, auch wenn es noch so private Dinge sind. Nichts, was ich tue, findet hinter verschlossenen Türen statt, sondern alles in breiter Öffentlichkeit. Ich bin wie der Typ in der „Truman Show“ oder der bei „Ed TV“. Und manchmal habe ich sogar das Gefühl, als wäre ich meine eigene „Jerry Springer Show“. Genau deswegen verkaufe ich wohl auch so viele Platten – doppelt so viel wie jeder schwarze Rapper: Weil ich das weiße Amerika, den mittleren Westen erreiche. Eben all die Nerds, die genauso denken, reden und aussehen wie ich. Die identifizieren sich mit mir.
So sehr, wie du das in „Stan“ beschrieben hast?
Der ist zum Glück noch nicht eingetreten – jedenfalls nicht in der Form. Klar habe ich eine Menge verrückter Fans, die wirklich durchgeknallte Briefe schreiben, und einige davon machen mir auch wirklich Angst, aber es hat noch niemand seine Freundin für mich getötet. Und ich hoffe auch, dass sie meine gelegentlichen Aussetzer nicht als Vorbild nehmen, um irgendwie überzureagieren. Das wäre tragisch. Aber wer weiß: Vielleicht werde ich ja irgendwann auf der Bühne von einem Fan erschossen – das kann durchaus passieren.
Machst du dir Gedanken über den Tod?
Ja, und das schon seit Jahren. Ich muss sagen, er hat nichts Erschreckendes oder Furchteinflößendes an sich. Im Gegenteil: Er erscheint mir sogar seltsam vertraut, wie ein alter Bekannter. Vielleicht liegt es daran, dass so viele gute Freunde über die Jahre gestorben sind und der Tod insofern fast zu etwas Normalem geworden ist.
Deinem verstorbenen Onkel Ronnie hast du ein großflächiges Tattoo auf deinem rechten Oberarm gewidmet …
Ja. Alles, was mir wichtig war oder ist, trage ich direkt auf der Haut. Etwa die „Betenden Hände“ von Dürer, die für Ronnie stehen, dann Bonnie & Clyde für meine Beziehung zu Kim und ein Porträt von Hailie. Meine Haut erzählt meine Geschichte: Sie ist wie ein Fotoalbum. (lacht)
Bei „The Eminem Show“ verzichtest du auf deinen Stammproduzenten und Mentor Dr. Dre. Habt ihr euch verkracht?
Nein, wir sind immer noch gute Freunde und enge Geschäftspartner. Es ist nur so, dass ich diesmal ohne fremde Hilfe auskommen wollte. Ich wollte mir beweisen, dass ich das auch alleine kann, dass ich keine sündhaft teuren Produzenten und keine exklusiven Studios brauche. Und das hat prima geklappt. Denn ich habe mir alles von Dre abgeschaut. Als ich anfing, mit ihm zu arbeiten, habe ich mir wirklich alles erklären lassen, habe alles wie ein Schwamm in mich aufgesaugt. Ich weiß genau, wofür welcher Knopf steht und wie ich ihn einstellen muss. Das habe ich im Gespür – genau wie die Beats, über die ich rappe. Ich weiß, wie sie klingen sollen und wie ich sie hinkriege.
Und der rockige Sound mit den vielen Gitarren war fester Bestandteil dieses Plans?
Und ob! Ich wollte einen richtigen Seventies-Rock-Vibe, eigentlich sogar ein richtiges Rockalbum. Und genauso habe ich es produziert. Es ist dreckig, hart und laut. Und es hat jede Menge Gitarren. Was nicht heißt, dass es ohne HipHop auskommt. Im Gegenteil: Da gibt es eine klare Aufteilung zwischen Old-School-HipHop und richtig fettem Rap-Rock. Eben so, wie ich es noch nie gehabt habe. Ich versuche, das Beste aus beiden Welten zu verbinden. Und die Rockseite stammt eben daher, dass ich als Kind jede Menge Aerosmith gehört habe.
Deren „Dream On“ du auch zitierst.
Stimmt. Aber auch Led Zeppelin und natürlich Jimi Hendrix. Das sind Klassiker, und die vermitteln mir ein unglaubliches Gefühl, ehrlich. Auch wenn ich selbst ganz andere Musik mache: Das Zeug hat eine unglaubliche Ausstrahlung und Wärme. Und dazu rappe ich jetzt.
Wieso machst du dich im Video zu „Without Me“ über Bin Laden und Moby lustig?
Weil sie mir beide auf die Nerven gehen. Ich kann dieses ganze Bin-Laden-Theater einfach nicht mehr ertragen. Sobald du den Fernseher oder das Radio einschaltest, hörst du nichts anderes mehr. Bin Laden ist hier, hat da eine Nachricht hinterlassen, wird da vermutet. Scheiße, wir haben jetzt Mitte 2002, und sie haben den Kerl immer noch nicht gefasst. Trotz aller Überwachungstechnik suchen sie sich den absoluten Wolf. Und weißt du was? Ich glaube, sie werden ihn nie finden! Der Typ ist doch längst raus aus Afghanistan. Wahrscheinlich liegt er irgendwo in Miami am Pool und lässt sich die Eier schaukeln. Ich wünsche es ihm, denn auf eine gewisse Weise haben wir beide ja viel gemeinsam: Wir werden von der amerikanischen, wenn nicht sogar der Weltöffentlichkeit gehasst, weil wir Anarchie, Gewalt und Chaos predigen – ich mit Worten, er mit Waffen. Aber irgendwie scheint das bei manchen Leuten keinen Unterschied zu machen. Komisch nicht?
Was ist mit Moby?
Der Typ ist einfach Mr. Superschlau – dieser kleine, hässliche Wurm mit seinem Veganer- oder sonstwie Gesundheitstick. Erzählt den größten Mist, macht beschissene Musik und lässt sich von den Kritikern feiern. Dabei macht er nichts anderes als alte Platten auszuschlachten und blöde Videos zu drehen. Wie originell!
Elton John, mit dem du bei den Grammys „Stan“ gespielt hast, ist nicht nur klein und hässlich, sondern auch schwul.
Das war eine der mutigsten Sachen, die ich je gemacht habe. Deswegen heißt es in dem Stück „Business“ auch „the most feared duet / since me and Elton played Career Russian Roulette“. Und das war es für beide von uns. Seine wie meine Fangemeinde hätten uns das wirklich sehr übel nehmen können, was sie aber zum Glück nicht taten. Dabei hätte ich fest damit gerechnet, dass zumindest er hinterher eine Menge Ärger kriegt: Eben, dass mein schlechter Ruf auf ihn abfärbt. Aber das war nicht der Fall. Sie fanden ihn mutig – und an mir haben sie eine völlig neue Seite erkannt. Sie bekamen endlich ihre Zweifel, ob ich wirklich schwulenfeindlich bin. Als ob ein Auftritt da weitere Schlussfolgerungen zulässt. Aber um es noch einmal explizit zu sagen: Ich bin nicht homophob – und bin es auch nie gewesen. Alles, was ich tue, ist eine Rolle zu spielen – eben die des kleinkarierten, reaktionären Durchschnittsamerikaners, der sich für ein Geschenk Gottes hält und alles ablehnt, was irgendwie anders ist. Ganz egal, ob politisch, gesellschaftlich oder sexuell. Ich schlüpfe in diese Rolle, um ihnen ihre eigene Lächerlichkeit vor Augen zu führen und sie bloßzustellen. Und was machen sie? Sie verstehen das gar nicht, sondern nehmen meine Ironie für bare Münze. Und die, die am lautesten schreien, sind auch diejenigen, die am schlimmsten sind.
Amerika scheint der Stoff zu sein, der dich zu deinen Texten inspiriert, oder?
Amerika ist die beste Inspirationsquelle, die es gibt (lacht). Genau wie meine Familie liefert mir die amerikanische Gesellschaft immer neue Themen und Ideen. Ich wüsste gar nicht, was ich ohne sie machen sollte.
Was du in „White America“ auf den Punkt bringst: „Fuck you Tipper Gore! Fuck you the freeness of speech / This Divided States Of Embarrassment will allow you to have! Fuck you“!
Das sagt doch alles, oder? Und es ist wirklich war: Amerika rühmt sich gerne als Musterdemokratie, als das freieste Land der Welt. Das ist doch alles Blödsinn. Hier regiert die Gier, der Hass und das große Geld. Wer Geld hat, kann sich Macht und Einfluss kaufen, seine Interessen durchsetzen und die Restbevölkerung versklaven. Denn die hat keinerlei Mitspracherecht, keinen Schutz vor Willkür und keine Möglichkeit, ihre Meinung publik zu machen. Es wird alles kontrolliert, gesteuert und überwacht.
Das klingt nach George Orwell.
Das ist es auch – nur schlimmer.
Wobei du immer wieder hervorragende Angriffsfläche bietest. Etwa im Juni 2000, als du Leute mit Waffen bedroht hast.
Das war nicht besonders klug. Aber es war nun einmal eine sehr verrückte Zeit in meinem Leben. Ich bin mit diesem ganzen öffentlichen Druck einfach nicht klargekommen. Und wenn ich dann nach Hause kam, wartete da eine Frau, die mir das Leben zur Hölle machte. Und das ist unerträglich, wenn du so unter Druck stehst. Ich habe versucht, Karriere zu machen, mich um meine Familie zu kümmern und mich gegen meine Kritiker zu behaupten. Ich fühlte mich permanent verfolgt und bedroht, und ich hatte keine Ruhe. Deswegen habe ich eine Waffe getragen – um mich zu verteidigen.
Der wichtigste Bezugspunkt in deinem Leben scheint deine Tochter Hailie zu sein. Die Ruhe inmitten des Sturms?
Absolut! Sie ist eine richtige Prinzessin, die einfach immer schöner wird. Sie ist sechs Jahre alt, und das Einzige in meinem Leben, das mich richtig glücklich macht. Deswegen habe ich mir auch ein Porträt von ihr auf den Oberarm tätowieren lassen – damit sie immer bei mir ist. Sie ist der Grund, warum ich mir diesen ganzen Mist antue: Ich möchte, dass sie es irgendwann besser hat als ich, dass sie alles aus sich und ihrem Leben machen kann, was sie will. Und das versuche ich auch meinem kleinen Bruder Nathan zu geben, der leider immer noch bei meiner Mutter wohnen muss. Dabei macht sie ihm das Leben zur Hölle. Sie kümmert sich einen feuchten Dreck um ihn – genau wie sie es zuvor bei mir getan hat. Und sie erzählt ihm allen möglichen Mist über mich und versucht, ihn von mir zu isolieren, was zum Glück nicht klappt.
Geht es dir nicht auf den Geist, überall anzuecken, ständig Ärger und Streit zu haben? Sehnst du dich nicht mal nach Ruhe und Geborgenheit?
Klar tue ich das. Nur muss ich vorher den ganzen Mist loswerden, der mein Leben so mies macht. Und das kann ich eben nur, in dem ich Songs darüber schreibe – eben wie eine Art Selbsttherapie. Das letzte Jahr war wirklich ziemlich hart: die Scheidung von Kim, die ganzen Prozesse und die Zeit, die ich für meine Tochter aufbringen musste. Jeder versucht, mir irgendwelche Steine in den Weg zu werfen und mich zu Fall zu bringen. Aber das gelingt ihnen nicht. Weißt du was: Es macht mich sogar noch stärker.
Die ganzen Gerichtsverfahren müssen dich doch ein Vermögen kosten: unerlaubter Waffenbesitz, Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, die Scheidung von Kim und die Klage deiner Mutter, die sich auf deinen Platten unvorteilhaft dargestellt fühlt.
Ja, die Richter und die Anwälte lieben mich: Ich finanziere ihren Kindern das College. Aber egal, ich habe Geld. Und solange das der Fall ist, gebe ich es auch aus, um mich und meine Rechte geltend zu machen. Das ist mir wichtig und dafür bezahle ich auch. Bislang waren es an reinen Geldstrafen nur ein paar tausend Dollar, und eine Bewährungsstrafe. Das ist alles. Mal sehen, was sie sich als nächstes einfallen lassen. Und was die Schmerzensgeld- und die Unterhaltsklagen betrifft, darüber möchte ich nicht reden. Nur so viel: Es ist deutlich weniger, als sie sich erhofft haben. Und nach Abzug der Prozess- und Anwaltskosten bleibt ohnehin kaum etwas über. Meine Mutter hat sich für ein Taschengeld zum Gespött gemacht. Sie hat 12 Millionen gefordert, aber sich dann mit 25.000 Dollar abspeisen lassen. Noch Fragen?
Immerhin hat sie eine eigene CD namens „Dear Eminem“ aufgenommen, auf der sie mit denselben harschen Worten zurückschlägt.
Das ist doch Kinderkram. Weißt du, was sie da rappt? Sie singt „Hey kids, do you like violence /I’m gonna take and break Eminem’s mother’s silence.“ Ist das nicht grausam?
Jetzt versetzt du ihr mit „Cleaning My Closet“ den ultimativen Knock-out?
Stimmt. Ich liste noch einmal alles auf, was sie mir angetan hat. Und ich habe wirklich alles versucht, um von ihr loszukommen und mein eigenes Leben zu führen und nichts mehr mit ihr zu tun zu haben. Aber das lässt sie nicht zu. Sie ist wie die Pest, man wird sie einfach nicht los. Sie versucht alles, um an mein Geld zu kommen, um ein Stück von meinem Kuchen abzukriegen und sich in meinem Ruhm zu sonnen. Genau wie mein Vater nutzt sie jede Gelegenheit, um sich ins rechte Licht zu rücken. Sie gibt Interviews fürs Radio, fürs Fernsehen und für die Presse und erzählt einen Haufen Lügen, wobei sie gut und ich schlecht aussehe. Das mache ich nicht mehr mit. Damit ist jetzt Schluss. Ich habe ein für allemal genug von ihr. Ich will sie endlich raus aus meinem Leben haben, und davon handelt der Song.
Wobei der Rest der Mathers-Familie ja auch nicht besser ist.
Leider. Die sind einfach unglaublich. Stell dir vor: Meine Großmutter und mein Vater, den ich ja nie kennen gelernt habe, verkaufen ihre Geschichten an die Boulevardpresse. Und dabei tragen sie Slim-Shady-Shirts. Wie sehr kann sich ein Mensch nur erniedrigen? Der Hammer ist aber mein Onkel Todd, bei dem ich als Jugendlicher ca. zwei oder drei Jahre verbracht habe. Der hat ein Video rausgebracht („Eminem: Behind The Mask“, Anm. der Red.), in dem er behauptet, ich wäre als Kind ein richtiges Weichei gewesen und er hätte mir das Rappen beibringen müssen. Ist das nicht irre? Ich könnte jetzt mit ein paar Worten sagen, was ich von ihm halte, aber ich möchte nicht schon wieder verklagt werden. Nur so viel: Der Kerl kennt mich gar nicht. Die meiste Zeit war er entweder im Knast oder völlig besoffen. Und ob er mir das Rappen beigebracht hat, darüber muss ich kein Wort verlieren, oder? Schließlich war ich es, der ihm meine ersten Songs vorgespielt hat, und alles, was er tat, war sich darüber lustig zu machen. Er ist eben ein richtiger Proll aus Missouri. Da kann man wohl nichts anderes erwarten.
Was ist mit Kim?
Was soll ich sagen: Sie war meine große Liebe, und sie hat mich bitterlich enttäuscht. Seit wir getrennt sind, habe ich mich auch nie wieder verliebt. Ich bin emotional immun.
Angeblich hattest du erst vor kurzem Affären mit Pink und Beyoncé.
Das sind nichts als Gerüchte – obwohl ich gerne mal eine Nacht mit Beyoncé verbringen würde. Sie ist wahnsinnig sexy. Genau wie der Rest von Destiny’s Child. Aber die würden sich doch nie mit einem Weißen wie mir einlassen, niemals. Und was Pink betrifft, so ist sie mir einfach zu laut und vulgär. Davon habe ich in meiner Familie schon genug. Ich brauche nicht noch mehr Ärger. Wirklich nicht.
Was ist mit Kim Basinger, der weiblichen Hauptrolle in deinem ersten Film „8 Mile“?
Machst du Witze? Die ist viel zu alt für mich! Das könnte meine echte Mutter sein. Außerdem ist sie mit diesem Psychopathen Alec Baldwin verheiratet – und mich mit dem anzulegen, hat mir gerade noch gefehlt. Der soll bloß in Hollywood bleiben. Deswegen haben wir uns in dem Film auch nur einmal geküsst, und das war ziemlich unromantisch. Sie hat mir einen mütterlichen Schmatzer aufgedrückt. Mehr nicht. Trotzdem war es am nächsten Tag in allen Zeitungen. Wir wurden als Paar dargestellt, das bei den Dreharbeiten heimlich Händchen hält.
Angeblich will dich deine Mutter jetzt verklagen, weil sie nicht selbst in dem Film auftreten darf …
Das ist doch lächerlich. Alles, was ich weiß, ist, dass sie sich bei den Filmleuten ausgelassen hat. Die kamen hinterher zu mir und meinten: „Deine Mutter will nicht, dass sie von Kim Basinger gespielt wird. Meinst du, sie verklagt uns?“ Das soll sie ruhig machen. Schließlich habe ich rein fiktionale Charaktere benutzt, um mein Leben darzustellen – es geht hier um einen Jungen namens Jimmy Smith Jr., der in Warren, einem Vorort von Detroit aufwächst, aber eben nicht um Eminem. Die Parallelen sind zwar unverkennbar, aber die Figuren tragen andere Namen. Und das schützt mich vor eventuellen Klagen.
Dabei gibst du darin zu, ein kleines Problem mit Narkotika zu haben. Hast du keine Angst vor weiteren rechtlichen Konsequenzen?
Nein, denn eigentlich nehme ich nur Vitamine zu mir – sogar mehrmals täglich. Über meine Heroinprobleme rede ich nicht mehr, weil ich auf Bewährung bin. Aber früher habe ich mir oft Spritzen gesetzt. Ich habe auch keine funktionstüchtigen Venen mehr. Am Schluss ging es nur noch durch den Penis (lacht).
Was hat dich überhaupt dazu veranlasst, dein Leben zu verfilmen? Schließlich bist du erst 29 …
Na und? Britney Spears ist 20 und hat schon einen Film gedreht: Einen richtigen Haufen Scheiße. Genau wie Mariah Carey, die dumme Schlampe, die mal mit dem Opa von ihrer Plattenfirma zusammen war. Wie kann man sich als Frau nur so erniedrigen? Also, ich musste einfach zeigen, dass nicht alle Musiker so dumm sind, wie diese beiden, dass sie auch gute Filme machen können und durchaus einen Anspruch haben – jedenfalls mehr, als „Crossroads“ (lacht). Und ich glaube, dass meiner wirklich unterhaltsam ist. Eben genau wie mein Leben. Und die Realität liefert immer noch die besten Geschichten. Schau dir den Streifen an. Wenn er dir nicht gefällt, ist das O.K. Aber verurteile ihn nicht von vornherein.
Wofür steht der Titel?
Ganz einfach: 8 Mile ist die Straße, die das schwarze vom weißen Detroit trennt, die ethnische Grenzlinie. Und die existiert bis heute, dabei sind wir im 21. Jahrhundert. Ist das nicht grotesk? Obwohl: Mittlerweile ziehen schon ein paar Schwarze auf die 9th Mile – aber eben noch keine Weißen auf die Detroit-Seite, die 7th Mile. So lange das nicht passiert, wird die City immer etwas von einem Ghetto haben.
Wird es weitere Filme geben? Bist du auf den Geschmack gekommen?
Und wie! Ich würde wahnsinnig gerne noch ein paar drehen. Ich finde das viel aufregender, als Platten zu machen, auch wenn es viel mehr Arbeit ist und sich damit weitaus weniger Geld verdienen lässt. Mein Idol ist James Dean, der unglaublich geil war: Er hatte einen messerscharfen Instinkt. Und er hat ganze drei Filme gebraucht, um zur Legende zu werden. Das will ich auch erreichen.
James Dean ist aber vor allem deshalb zum Mythos geworden, weil er so früh starb.
Okay, das ist natürlich ein Gegenargument. (lacht)
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