föderalismus und „wettbewerb“ in der hochschulfinanzierung: Ohne eine abgestimmte Hochschulentwicklung keine Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse
Mit einer gesamtdeutschen Politik nicht vereinbar
Neuere OECD-Studien belegen, dass Deutschland bei den Ausgaben für Wissenschaft und Forschung im Rückstand ist. Den Anteil dieser Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt betrachtet, kann sich unser Land kann sich nicht messen mit Schweden, Japan oder den USA. Ähnlich ist es mit dem Anteil der Studierenden am Altersjahrgang.
Das Problematische ist, dass auch innerhalb Deutschlands erhebliche Unterschiede bestehen – und sich verstärken. Wichtige Bildungs-Eckdaten ostdeutscher Regionen etwa zeigen eine Spirale nach unten: weniger Studierende, weniger gut Ausgebildete, mehr Abwanderung junger Qualifizierter, stärkerer Bevölkerungsrückgang – und eine geringere Standortattraktivität als im Westen.
1969 hat man versucht, ein Mindestmaß an Einheitlichkeit in den Lebensverhältnissen zu sichern. Über die so genannten Gemeinschaftsaufgaben sollte der Bund die Differenzen in der Landesentwicklung abbauen helfen. Die Instrumente dazu sind die Kofinanzierung und gemeinsame Planung im Hochschulwesen.
Eine ganze Reihe von Bundesländern fordert nun seit einiger Zeit, die Gemeinschaftsaufgaben abzuschaffen – auch die des Hochschulbaus. Durch die Einschränkung von Mischfinanzierungen soll mehr Klarheit in der politischen Willensbildung entstehen. Und mehr Wettbewerb zwischen den Ländern.
Manche westdeutschen Länder vergessen, dass ihre finanziell günstige Position aus der deutschen Teilung stammt – durch Wegfall der ostdeutschen Wirtschaftskonkurrenz. Zudem profitierten strukturschwache Länder wie etwa Bayern lange von der Unterstützung durch Bund und Länder. Daran erinnern sich viele nur ungern.
Insbesondere die Nettozahler im Finanzausgleich meinen, sie würden profitieren, wenn sie das Geld für die Wissenschaft eigenständig verteilen könnten. Und wenn nicht Bund-Länder-Gremien oder ein kompliziertes System von aufeinander abgestimmten Bund-Länder-Entscheidungen dies übernehmen. Die finanzschwachen (ostdeutschen) Länder versprechen sich demgegenüber mehr von Sonderfinanzierungen. Das heißt: Der Ausgleich struktureller Nachteile bei Wissenschaftsinvestitionen sollte aus einem zentralen Topf erfolgen.
Die Besoldungsnovelle hat gezeigt, dass sich die Kluft zwischen den Bundesländern vertieft. Die Novelle sollte die finanzschwachen Länder vor einem ruinösen Besoldungswettkampf schützen. Finanzstarke Länder haben dagegen opponiert. Sie wollen größere als die festgelegten Spielräume, um Professoren Leistungszulagen zu bezahlen. Das hätte fatale Konsequenzen für die finanzschwachen Länder. Die Ostländer haben bei der Besoldung sowieso noch einen Rückstand aufzuholen. Sie müssten also überdurchschnittlich viel leisten um die Gehaltsdifferenzen auszugleichen – was sie nicht können. Ein Dilemma, das ohne Bundesunterstützung praktisch nicht aufzulösen ist.
Wie viel geben die Länder für die Hochschulen aus? Innerhalb Ostdeutschlands – ohne Berlin – halten bei den Hochschulausgaben pro Kopf der Bevölkerung die Länder Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern die ersten Plätze. Am Ende der ostdeutschen Skala steht Brandenburg. Zu den gleichen Ergebnissen führt auch eine Gegenüberstellung der Haushaltsanteile für die Hochschulausgaben. Bei den westdeutschen Flächenländern stehen Bayern und Baden-Württemberg an der Spitze, auch das Saarland oder Bremen zeigen beachtliche Ergebnisse. Schleswig-Holstein oder Niedersachsen haben weniger gute Platzierungen – ebenso Hessen.
Spricht diese hochschul- und finanzpolitische Ausgangslage für einen Verzicht auf nationale finanzielle Ausgleichsinstrumente, etwa beim Hochschulbau? Die Frage kann nur positiv beantworten, wer „Wettbewerb“ mit der Herausbildung von größerer Ungleichheit im Hochschulwesen der Länder gleichsetzt. Zum Wettbewerb gehören freilich ungefähr vergleichbare Ausgangsbedingungen. Und ein Schiedsrichter. Im traditionellen Markt von Waren und Dienstleistungen sind das die Kunden. Wer soll den Erfolg oder Misserfolg des Hochschulwesens in den einzelnen Ländern bewerten? Etwa die Studienbewerber? Wen träfen in einem derartigen Wettbewerb die Sanktionen? Das Land, die Hochschulen oder etwa die Studierenden, die sich für das „falsche“ Land entschieden haben?
Wir benötigen nach wie vor besondere Instrumente zur Förderung des Hochschulwesens – an denen sich der Bund beteiligt. Diesen Ausgleich ersatzlos abzuschaffen, würde Abstand vergrößern – zwischen Ost und West, zwischen finanzstarken und -schwachen Ländern. Mit einer Strukturpolitik, die sich als gesamtdeutsch versteht, wäre ein derartiger Schritt nicht zu vereinbaren. KLAUS FABER
Der Autor ist Sozialdemokrat und war Kultusstaatssekretär in Brandenburg und Sachsen-Anhalt
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