: Fische sind wertvoller als Flüchtlinge
Immer neue Dramen mit afrikanischen Bootsflüchtlingen vor Malta: Fischerboote lassen ertrinkende Flüchtlinge in ihren Netzen treiben, statt sie aufzunehmen, Regierungen streiten um Zuständigkeit. Schließlich sammelt ein Kriegsschiff Leichen ein
AUS MADRID REINER WANDLER
Die Geschichte der fehlenden Solidarität der EU gegenüber afrikanischen Flüchtlingen ist um ein düsteres Kapitel reicher geworden. Der Inselstaat Malta, südlichstes EU-Mitglied, hat sich in den letzten Wochen mehrmals geweigert, schiffbrüchige Flüchtlinge aufzunehmen. Jetzt kam es gar zu einem Flüchtlingsdrama mit Toten. Das französische Kriegsschiff „Motte-Picquet“ zog am Wochenende die Leichen von 21 Flüchtlingen aus dem Mittelmeer. Selbst tot durften sie in Malta nicht an Land. Die Regierung in Valletta verbot den Franzosen die Einfahrt in den Hafen.
Das junge EU-Mitglied war in den letzten zwei Wochen im Mittelmeerraum immer wieder negativ in die Schlagzeilen geraten. Vor etwas mehr als einer Woche weigerte sich ein maltesisches Fischerschiff, 27 afrikanische Flüchtlinge aufzunehmen, deren Boot untergegangen war. Die Betroffenen überlebten nur, indem sie sich auf das Schleppnetz der Malteser retteten und sich daran festklammerten. Drei Tage trieben sie auf dem Wasser, während Malta und Libyen darüber stritten, wer denn nun zuständig sei. Letztendlich zeigte ein italienisches Schiff Erbarmen und nahm die 27 an Bord.
Der Besatzung eines anderen Flüchtlingsboot erging es etwas besser. Als die 26 vor Malta kenterten, war der spanischen Thunfischfänger „Montfalcó“ in unmittelbarer Nähe. Er nahm die Schiffbrüchigen auf. Auch in diesem Falle weigerten sich sowohl die maltesische als auch die libysche Regierung, die Flüchtlinge an Land zu lassen. Das völlig überfüllte Fischereiboot, auf dem normalerweise Platz für acht Mann ist, musste auf die spanische Küstenwache warten. Deren Boot „Clara Campoamor“ brachte die 26 nach Spanien.
Am vergangenen Samstag, einen Tag nach dem die Franzosen die ersten Leichen geborgen hatten, geriet ein weiteres Flüchtlingsboot 135 Kilometer vor Malta in Seenot. Dieses Mal zeigte die maltesische Wasserschutzpolizei Einsicht. Sie retteten die 29 Flüchtlinge – 26 Männer, eine Frau und zwei Babys.
Für die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl zeigen diese Fälle „die zunehmende Entmenschlichung der EU-Politik“. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex hatte nur wenige Tage vor den Vorfällen angekündigt, dass die Mittelmeeranrainer enger zusammenarbeiten würden, um die Südgrenze der EU abzuschirmen. Diese Koordination habe „im konkreten Fall nicht sehr gut funktioniert“, musste EU-Justizkommissar Franco Frattini jetzt eingestehen.
Frattini mahnt, jedes Schiff müsse Leben retten. „Dazu besteht nicht nur eine moralische Verpflichtung sondern auch eine juristische.“ Direkten Kritik am Verhalten der maltesischen Regierung übte der EU-Kommissar allerdings nicht.