Wegen Pestiziden und Agrosprit: Deutsche schlecht zu Vögeln
Kommt es in Deutschland zum „stummen Frühling“? Kiebitz, Grauammer, Neuntöter und Wachteln sind bedroht, ihr Lebensraum schwindet.
BERLIN taz | Zahlreiche heimische Vogelarten sind bedroht, warnt der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) in einer neuen Studie zum bundesweiten Bestand von Feldvögeln und den Ursachen ihres Rückgangs.
Die Bestände von Kiebitzen, Grauammern, Neuntötern oder Wachteln sind demnach dramatisch gesunken. Die Zahl der brütenden Kiebitze etwa ist binnen 20 Jahren um drei Viertel gesunken. Seit 2008 sind laut Nabu die Bestände von 26 der insgesamt 30 Feldvogelarten, die in Deutschland brüten, dramatisch geschrumpft.
Die Daten sind über Jahre vom Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) gesammelt worden. „Wir laufen Gefahr, den 1962 von Rachel Carson vorhergesagten stummen Frühling tatsächlich zu erleben“, sagte Olaf Tschimpke, Präsident des Nabu. Selbst verbreitete Arten wie Rebhühner oder die Feldlerchen stünden bereits auf der Roten Liste.
Für den Rückgang macht der Nabu die intensive Landwirtschaft verantwortlich, allen voran den anhaltend hohen Einsatz von Pestiziden. „Schädlings- und Unkrautbekämpfungsmittel sorgen dafür, dass auf den Äckern irgendwann das Vogelfutter fehlt“, sagt Florian Schöne, Agrarexperte des Nabu. Besonders Jungvögel überlebten aufgrund von Nahrungsmangel den ersten Sommer nicht. „Weil die älteren Tiere zum Brüten immer wieder an dieselben Stellen zurückkommen, denkt man, die Vögel wären noch da“, so Schöne. „Plötzlich bricht die Population dann aber zusammen.“
Agrarpolitik neu ausrichten
Naturnahe Grünflächen, auf denen Vögel Brutplätze und genug Nahrung finden können, seien knapp geworden. Mit der Agrarreform 1992 hatte die Europäische Union eine Pflicht zur Flächenstilllegung eingeführt, um die landwirtschaftliche Produktion zu begrenzen. Zum Jahr 2009, mit der steigenden Nachfrage nach Agrarprodukten, wurde diese abgeschafft.
Der Nabu sieht einen direkten Zusammenhang mit dem Rückgang von Vogelbeständen. „Seit 2008 sind Arten wie die Grauammer, die sich zuvor stabil entwickelt haben, wieder gefährdet“, berichtet Schöne. Die Förderung von Biogas und Biokraftstoffen habe begünstigt, dass viele der brachliegenden Flächen Raps- oder Maisfeldern weichen mussten.
Der Nabu fordert, dass jeder landwirtschaftliche Betrieb mindestens ein Zehntel ökologische Vorrangflächen wie Grünland, Gewässer- und Erosionsschutzstreifen ausweisen müssen. Außerdem müsse auf den großflächigen Einsatz von Pestiziden verzichtet werden. Erforderlich sei eine Neuausrichtung der deutschen und europäischen Agrarpolitik.
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