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Wahlkampf in USAObama-Wähler sind „Opfer“

Der republikanische Präsidentschaftskandidat verunglimpft die Hälfte aller US-Amerikaner. Romney hat seine Aussagen nun relativiert – aber nur teilweise.

Ein freundlicher Mann: Mitt Romney, Republikaner. Bild: dapd

WASHINGTON afp/dpa/dapd | Der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney hat sich in einem Video abfällig über die Wähler von Barack Obama geäußert. Romney schmäht darin jene „47 Prozent der Menschen“, die im November ohnehin für Barack Obama stimmen würden.

Das heimlich aufgenommene Video eines privaten Empfangs für reiche Wahlspender wurde dem linksgerichteten Magazin Mother Jones zugespielt. Darin sagt Romney, das jene selbsterklärten „Opfer“, Ansprüche auf staatliche Leistungen erheben und keine Einkommenssteuern zahlen würden.

In den Aufnahmen sitzen die Teilnehmer des Spendendinners um einen Tisch und sind unkenntlich gemacht. Der erlesene Kreis lauscht Romney, schwarze Krawatte, schwarzer Anzug, ein Vortrag im Stehen. „Mein Job ist nicht, mich um diese Leute zu kümmern“, sagt er. „Ich werde sie niemals überzeugen, persönlich Verantwortung zu übernehmen und für ihre Leben zu sorgen.“ Wann und wo das Video entstanden ist, war unklar.

Romney entschuldigte sich nicht, bemühte sich aber um eine Klarstellung. „Natürlich will ich allen Amerikanern helfen“, erklärte er. Zerknirscht räumte Romney noch am Montagabend ein, dass er sich „nicht elegant“ ausgedrückt habe. Er habe „aus dem Steigreif“ auf eine Frage geantwortet. An den Aussagen hielt der frühere Finanzinvestor und Gouverneur von Massachusetts aber fest. Romney fordert nun, das vollständige Video müsse im Internet gezeigt werden und nicht nur Ausschnitte.

Abgehobener Multimillionär

Die Aufnahmen spielen Obamas Wahlkampfteam in die Hände, das Romney als abgehobenen Multimillionär zu brandmarken versucht, der sich nicht um die Sorgen der Mittelschicht und Arbeitnehmerschaft schere. Wahlkampfmanager Jim Messina nannte die Äußerungen „schockierend“. Es sei schwer, den USA als Präsident zu dienen, „wenn man die Hälfte der Nation geringschätzend abgeschrieben hat“, erklärte Messina.

Im Sommer war das Rennen um das Weiße Haus noch eine enge Angelegenheit, leichte Vorsprünge für Obama in landesweiten Erhebungen lagen innerhalb der statistischen Fehlerquote. Seit dem Parteitag seiner Demokraten vor knapp zwei Wochen ist der Präsident aber im Aufwind, Demoskopen sehen ihn vier, fünf, sogar sechs Prozentpunkte vor Romney. Auch die besonders umkämpften Bundesstaaten Ohio und Florida neigen in Umfragen derzeit Obama zu.

Die Abgesänge einiger US-Kommentatoren auf Romney scheinen zwar verfrüht, immerhin stehen im Oktober noch drei TV-Debatten an. Doch der Wahlkampf des Republikaners verläuft alles andere als geschmeidig: Ende Juli stolperte er bei einer Reise nach Großbritannien, Israel und Polen über das internationale Parkett, auch beim Republikaner-Parteitag Ende August konnte Romney nicht überzeugen.

Konservative unzufrieden mit Romney

Das Online-Magazin Politico berichtete am Sonntag, dass Romneys Wahlkampfteam zerstritten und die wichtige Parteitagsrede kurz vor Schluss noch einmal komplett umgeworfen worden sei. Konservative Meinungsführer wie das Wall Street Journal beklagten, der Kandidat bleibe Einzelheiten zu seinen politischen Plänen schuldig.

Romney, der seinen Wahlkampf auf die schwache Wirtschaft zugeschnitten hat, konnte von der hohen Arbeitslosigkeit ebenso wenig profitieren wie zuletzt von den antiamerikanischen Protesten in der muslimischen Welt gegen ein in den USA produziertes Mohammed-Schmähvideo. In einer vorschnellen Erklärung hatte der Republikaner Obama Führungsschwäche vorgeworfen - doch selbst Parteifreunde tadelten Romney, er hätte angesichts der Attacken auf die US-Vertretungen in Kairo und Bengasi doch besser mitfühlende Worte wählen sollen.

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12 Kommentare

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  • J
    Jengre

    @FaktenstattFiktion

     

    Wenn Deine menschenverachtenden Vorstellungen von gnadenlosem Wettbewerb und Mobilmachung der Leistungsreserven des "Prekariats", der "Unterschicht" (es ist nicht recht schlüssig, daß Du die bei den so von Dir Verachteten überhaupt vermutest), wirst auch Du Dich dem gesteigerten Wettbewerb und der gewachsenen Zahl der Wettbewerber stellen müssen.

     

    Da wünsche ich Dir schon jetzt viel Spaß beim Rauchen, Saufen, Fastfood fressen und Jammern. Ach nein - ALG2 hast Du ja vorher reduzieren lassen. Mist. Dann bleibt Dir wohl nur das Jammern.

  • G
    Gerda

    Kein Übersetzungsfehler, weil "victum" tatsächlich "Opfer" bedeutet. Er bekräftigt das noch einmal, indem er sagt, daß sich die Wähler von Barack Obama als "Opfer" verstehen. Er drängt fast die Hälfte der Amis, Frauen und Männer und Jugendliche, in die "Opferrolle" und dann auch noch in die "Schmarotzerrolle", weil sie sich mit Hilfe der Regierung in die "soziale Hängematte" gelegt hätten und angeblich keine "Eigenverantwortung" übernehmen wollen.

     

    Um diese Menschen sorgt sich ein Mitt Romney nicht und will sich ein Mitt Romney auch nicht kümmern. "Care" = kümmern, sorgen, fürsorgen.

     

    Das ist von der internationalen Presse sehr wohl verstanden und wahrheitsgemäß berichtet worden. Alles andere ist Haarspalterei.

     

    Siehe auch die vielen Kommentare von Anhängern der Reüpublikaner in anderen Internet-Foren, die sich der Meinung von Mitt Romney uneingschränkt anschließen und seine politische Haltung bestätigen.

  • TR
    Trionau Rofl

    Scheint wohl eher ein Übersetzungsfehler zu sein, siehe hier:

     

    http://www.bildblog.de/42305/das-phantom-der-opfer/

  • V
    viccy

    @ Jengre

    Sehr schön auf den Punkt gebracht, Respekt!

  • G
    Gerda

    Hier wird die Abscheulichkeit des Charakters eines Republikaners in Gestalt des Mitt Romney sichtbar! Wenn er also Präsident ist, will er sich um die Hälfte der Bevölkerung nicht kümmern, sondern mit Verachtung behandeln und mit Verweigerung bestrafen.

     

    Das ist ein politischer Wille, der sich bis zum 6. November einprägen wird und sicherlich viele unentschlossene und enttäuschte Wählerinnen und Wähler doch wieder in die Wahlkabinen treiben wird, um zu zeigen, daß sie solch einen US-Präsidenten nicht wollen!

     

    Ich hoffe, daß die Demokraten auf diesen politischen Willen des Republikaners Mitt Romney und seiner Anhänger so geschickt reagieren, daß einer Wiederwahl des Demokraten Barack Obama gesichert ist.

     

    Die beabsichtigte Ausgrenzung der Hälfte der Bevölkerung sollte in den TV-Duellen immer wieder Thema sein. Ebenso auch die Lüge, daß ein Mitt Romney 12 Millionen neue Jobs in seiner Amtszeit schaffen will, wobei zu fragen ist: Wie? und Wo? und Mit wem? sowie Für wen? Nur noch für republikanische Wählerinnen und Wähler?

  • N
    neubau

    Wähler linker Parteien sehen eher die Konservativen als Täter, die Sozialabbau und Unfreiheit zum Wohle einer kleinen Oberschicht etablieren. Diese Täterschaft zu bestreiten, macht einen zum Opfer der aktuellen medialen Meinungsmache - es sei denn, man gehört zu dieser kleinen Gruppe, die von dem ganzen Schwachsinn profitiert.

     

    "Eigenverantwortung" darf eben nicht bedeuten, dass man Menschen in Armut abkanzelt als "faul", weil sie sich ja nur anstrengen müssten... Es ist das alte Missverständnis: Kapitalismus bedeutet zwar, dass jeder reich werden kann. Jeder - aber eben nicht alle!

     

    Ich würde "Eigenverantwortung" gerne gegen soziale Verantwortung tauschen; ich würde "selbstständiges Denken" gerne dazu nutzen, eine gerechtere Gesellschaft aufzubauen. Davon hätte der Einzelne mehr, aber auch das Kollektiv.

  • F
    FaktenStattFiktion

    @Martin

    Eine stringente Analyse. Tatsächlich ist das Anspruchsdenken gerade bei dem Prekariat gestiegen, obwohl hier nicht einmal mehr der Versuch unternommen wird, der Misere durch Arbeit und / oder Bildung zu entkommen.

     

    Da wird sich dann in die Nische zurückgezogen und wahlweise dem Alkohol, illegalen Drogen oder einer Ideologie gefrönt (Rechts/Links/Islamist).

     

    Dieses Prekariat mit noch mehr Geld zu beschenken (welches andere Bürger erwirtschaftet haben) ist ein Fehler. Bei diesem Milieu hilft es nur, die Mittel noch weiter zu senken. Wohlgemerkt bei den Erzeugern.

     

    Die hierfür gesparten Mittel müssen dann dort eingesetzt werden, wo die nächste Generation noch zu erreichen ist.

    Das Modell der Bildungsgutscheine sollte konsequent und bis zum Ziel durchdacht werden.

     

    1 Bildungsgutschein für die Schule, welche sowohl staatliche als auch private Schulen erhalten können.

     

    1 Bildungsgutschein für Bildungsangebote (gerne auch einzulösen bei den Schulen, solange hier auch Leistung erbracht wird.

     

    1 Bildungsgutschein für den Sportverein / Fitnessklub.

     

    Wir brauchen keine Erhöhung des ALG2, welche die Erzeugergemeinschaft in Tabak oder Fastfood umsetzt. Wir brauchen eine Ganztagsschule, welche (im harten Wettbewerb) Leistung für und mit den Schülern erbringt.

     

    So manche vermoderte Schule würde richtig aufdrehen müssen, wenn es eine Konkurrenz am Ort gäbe. Leider blenden wir –ausgerechnet !- bei der Bildung jeden Leistungsdruck Anbieter aus.

  • S
    Sören

    Laut der "NYT" gehören zu diesen "Opfern" auch Rentner und Geringverdiener, die mit ihrem Einkommen unterhalb der Freibeträge liegen. Also Menschen, die ihre Leistung schon erbracht haben, oder Leute die Arbeiten und wenig dafür erhalten.

     

    Mit diesem "gaffe" zeigt Mitt Romney nur, wie "out of touch" er ist, und dass die Klischées, die die Demokraten von ihm zeichnen, einen wahren Kern haben. Er selber will schließlich seine Steuererklärungen nicht umfassend veröffentlichen.

     

    Es geht bei den Wahlen für Romney darum, seine republikanischen Stammwähler zu mobilisieren, und unabhängige Wechselwähler auf seine Seite zu ziehen. Letzteres wird jetzt wohl deutlich schwieriger.

  • J
    Jengre

    @ martin

     

    Lieber Martin,

     

    was Du meinst, verstehe ich wohl. Aber Du irrst Dich. Eine gerechtere Gesellschaftsordnung errichten zu wollen bedeutet Übernahme einer sehr umfassenden Verantwortung - und nicht nur Verantwortung für sich selbst, wie Du sie zu übernehmen bereit bist. Es gibt eklatante Ausbeutung auf der Welt - die Begabten und Bevorteilten, so wie Du, können davon bescheiden mit profitieren. Allerdings um den Preis, daß Dir beigebracht wurde, Dein Mitgefühl gegenüber den Verlierern mit einem knappen "selber Schuld" zu unterdrücken.

  • Z
    Zustimmer

    @Martin:

    in der Tat!

    Es ist ein ganz wesentlicher Bestandteil und eine Rechtfertigung fuer das Vorhandensein der Linken (gemeint sei die politische Richtung, nicht zwingend die Partei), vermeintliche Opfer zu finden und zu highlighten. Gibt es sie nach vernuenftigem Dafuerhalten eigentlich nicht, werden sie kurzerhand auserkoren. Und die Verantwortlichkeiten werden beliebig verschoben.

     

    Siehe Griechenland: Das Land hat die vergangenen 10-15 Jahre, befeuert durch den ergaunerten Euro-Beitritt, in Saus und Braus gelebt. Absurde Einkommen, fruehe Rente, wenig Steuermoral, grosse Korruption.

     

    Jetzt, wo dies Gebilde kollabiert, sind nach dem Urteil der Linken die boesen Banken und "Merkels Spardiktat" schuld.

     

    Wers glaubt...

  • AR
    Antoninus R.

    Prost martin:

    als Betrunkenmacher und "atemberaubter" Neben-Links-Steher und Theorie-Nichtversteher.

  • M
    martin

    Was immer man Romney halten mag, in einem Punkt hat er recht, Wähler linker Parteien fühlen sich selbst immer als Opfer. Eigenverantwortung und selbstständiges denken Fehlanzeige.

     

    Wer sich schon mal den Spass gemacht und sich an einem Stand der Linkspartei mit den dortigen "Jammer" Gestalten unterhalten hat der versteht was ich meine, alle anderen sind Schuld, entweder die bösen Kapitalisten oder die neoliberalen Unmenschen oder beide, gepaart mit einem Anspruchsdenken das schon atemberaubend ist.