Wahlkampf in Rumänien: Ein Schlapphut will Präsident werden
Der ehemalige Chef des Auslandsgeheimdienstes SIE, Teodor Melescanu, tritt am 2. November an. Seine Chancen stehen gar nicht so schlecht.
BERLIN taz | „Ich bin ein Mensch, der seine Versprechen einhält, der etwas aufbauen und nicht zerstören will.“ Mit dieser vagen Kampfansage eröffnete Klaus Johannis am Samstag seinen Wahlkampf in Bukarest. Als Kandidat der Christlich-Liberalen Allianz, ein Zusammenschluss eines Flügels der früheren Partei des noch amtierenden Staatspräsidenten Traian Basescu und der Nationalliberalen Partei, tritt Johannis am 2. November gegen weitere 13 Anwärter an, die sich um das höchste Amt im Staat bewerben. Umfragen zufolge wird es wahrscheinlich zu einer Stichwahl zwischen Johannis und dem sozialdemokratischen Kandidaten, dem amtierenden Premier Victor Ponta, kommen.
Überraschungen sind dabei nicht ausgeschlossen. Die Kandidatur von Johannis behagt weder dem notorischen Strippenzieher Traian Basescu noch dem des Plagiats überführten Salonsozialisten Victor Ponta. Ganz zu schweigen von den anderen Kandidaten, deren Wahlprogramme sich eher durch nationalistische Heilsversprechen und soziale Lippenbekenntnisse auszeichnen als durch pragmatische Lösungsvorschläge für die akuten Probleme Rumäniens.
Dies spiegelt sich auch in der Auseinandersetzung mit den anderen Bewerbern, von denen die meisten als chancenlos gelten. Um deren Kandidaturen ranken sich Verleumdungen, Unterstellungen und wilde Spekulationen, die von Basescu selber angeheizt werden. Denn er will seine Wunschkandidatin, die frühere Tourismusministerin Elena Udrea, in das höchste Staatsamt hieven.
Um seiner Unterstützung für die eher durch ihre modische Designerkleidung auffallende Ex-Ministerin Nachdruck zu verleihen, schwadronierte Basescu im Fernsehen von verdeckten Geheimdienstoffizieren, die sich unter den Kandidaten befänden. Einen Namen nannte er nicht, lieferte jedoch der Bukarester Gerüchteküche ein Thema, das sämtliche Zeitungen dankbar aufgriffen und verschwörungstheoretisch ausschlachteten.
BND-Agent und Russenfreund
Von dem Rumäniendeutschen Johannis hieß es, er sei ein BND-Agent und das trojanische Pferd lutherischen Glaubens von Angela Merkel, er habe keine Kinder, besitze jedoch sechs illegal erworbene Häuser und sei im Grunde nichts anderes als ein in Kinderhandel verwickelter Straftäter. Ponta wurde unterstellt, er sei russenfreundlich und wolle die rumänische Wirtschaft an Moskau und Peking verkaufen.
Der mit seinem christlich-orthodoxen Credo auf Stimmenfang angetretene Ponta behauptete, Basescus sei ein ehemaliger Offizier der berüchtigten Securitate gewesen.
Während sich einige der Wahlkämpfer und selbsternannten Wahlkampfhelfer gegenseitig mit der Geheimdienstkeule bedrohten, kündigte Teodor Melescanu, ein real existierender Schlapphut, seine Kandidatur an. Bis zu seinem Rücktritt vor einer Woche leitete der 73-Jährige noch den Auslandsgeheimdienst (SIE). Die nötigen 200.000 Unterschriften potenzieller Unterstützer, die jeder Kandidat vorweisen muss, hatte für Melescanu ein aus mehr als 50 sogenannten Nichtregierungsorganisationen bestehender Verband in einer Nacht- und Nebel-Aktion gesammelt. Der von einem früheren Armeeoffizier geleitete Verband fordert ein Verbot der Antikorruptionsbehörde, der rumänischen Gauck-Behörde und des Verfassungsgerichts.
Melescanu selbst war Mitglied der heute regierenden Sozialdemokratischen Partei, die er wegen politischer Querelen 1997 verließ und seine eigene Gruppierung, Allianz für Rumänien, gründete. Diese schloss sich 2001 der Liberalen Partei (PNL) an, deren Vorsitzender heute Klaus Johannis ist. Sein 2007 angetretenes Amt als Verteidigungsminister gab Melescanu 2012 auf, nachdem er zum Chef des Auslandsgeheimdienstes ernannt wurde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands