WDR-„Tatort“ aus Köln: Immer zu wenig
U-Bahnschläger und ein emotional involvierter Kommissar Ballauf: Mit seinem moralischen Unterton macht es sich der neue „Tatort“ ziemlich leicht.
Die Kölner Kommissare an der Wurstbude – der Klassiker. An diesem Abend aber ist die Currywurst schon alle. Doof, findet Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und lässt sich noch ein Bier für den Heimweg geben. Sein Kollege Freddy Schenk (Dietmar Bär) verabschiedet sich, Ballauf nimmt die U-Bahn.
Auf dem Bahnsteig wird er dann Zeuge einer Schlägerei, bei der drei Jugendliche den Musikstudenten Manuel Sievers ins Koma prügeln. Während die umstehenden Fahrgäste geschlossen nichts tun, geht Ballauf dazwischen, eh klar. Und wird beinahe vom einfahrenden Zug überrollt.
Willkürliche Gewalt, mangelnde Zivilcourage: Klingt nach einem moralinsauren Fall der Ermittler aus der Domstadt. Genau so kommt's auch. In „Ohnmacht“ (Regie: Thomas Jauch; Buch: Andreas Knaup) stehen die Täter von Anfang an fest, offen ist nur, wer als Erster zugeschlagen hat. Und ob die Schuldigen angemessen bestraft werden. Daran nämlich verzweifeln die Kommissare, vor allem Ballauf: Dass wahllos kloppende U-Bahnschläger immer zu wenig bekommen.
Die Hauptverdächtigen entsprechen nicht dem Bild des prügelnden Prolls, könnten aber dennoch klischeehafter nicht sein. Kai Göhden (Robert Alexander Baer) – Scheidungskind, aktenkundig, dummfrech bis an die Schmerzgrenze; Janine Bertram (Nadine Kösters) – biestige Göre, hat keinen Bock auf die scheinheilige Bürgerlichkeit ihrer Eltern, lässt sich aber von Mama beschützen; Adrian Hamstetten (Sven Gielnik) – Muttersöhnchen, angehender Jurastudent, arroganter Schnösel. Man soll die drei unbedingt eklig finden. Fällt auch nicht schwer.
„Tatort: Ohnmacht“; Regie: Thomas Jauch; Drehbuch: Andreas Knaup; mit Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär, Lucie Heinze, Christian Tasche; Sonntag, 20.15 Uhr; ARD.
Ballauf - fassungslos
Ganz besonders eklig findet sie Max Ballauf. Immer wieder verliert er die Fassung, brüllt die Verdächtigen an, bleibt stur gegenüber dem zuständigen Staatsanwalt (Christian Tasche). Genau genommen soll er sich ja raushalten aus den Ermittlungen - wegen Befangenheit. Freddy Schenk muss ihn deshalb ständig bremsen und vor sich selbst schützen.
Wirklich cool bleibt dabei nur Miriam Häslich (Lucie Heinze), die neue IT-Assistentin der Kommissare, die dieses Internet so viel besser versteht als Schenk und Ballauf und ihnen zeigt, wie sich damit doch glatt Verbrecher fangen lassen.
Eigentlich ist „Ohnmacht“ knitterfrei inszeniert, die schauspielerische Qualität von Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär unbestritten. Abgesehen von thematischen Abstechern in die Ecken Familiendrama und Online-Mobbing wird der Fall auch geradlinig und klar erzählt. Aber wegen der ständig schwingenden Moralkeule einzuordnen unter: „Tatort“ für den Deutsch-LK.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste