Völkermord in Namibia: Deutschland gibt Schädel zurück
Eine namibische Delegation soll in Berlin 20 von mehreren hundert Herero-Schädeln abholen. Sie zeugen von den Verbrechen Deutschlands als Kolonialmacht.
WINDHOEK taz | Eine 60-köpfige Delegation aus traditionellen Führern, Regierungsbeamten und Journalisten ist am Sonntag aus Namibias Hauptstadt Windhoek nach Berlin aufgebrochen, um menschliche Schädel entgegenzunehmen, die während der deutschen Kolonialherrschaft Anfang des 20. Jahrhunderts nach Deutschland gebracht worden waren.
Es gibt in deutschen Museen mehrere hundert Schädel von Angehörigen der Herero- und Namavölker. Die Delegation unter Jugend-, Sport- und Kulturminister Kazenambo Kazenambo soll am 4. Oktober mit den ersten 20 zurückkehren. Die offizielle Übergabe findet am Freitag in der Berliner Charité statt.
Während der deutschen Herrschaft in Deutsch-Südwestafrika 1884-1918 versuchten koloniale Wissenschaftler anhand von Schädeltests nachzuweisen, dass Weiße den Schwarzen überlegen sind.
Im Januar 1904 startete die Volksgruppe der Herero aus Protest gegen den Diebstahl ihres Landes, ihres Viehs und ihrer Frauen durch deutsche Siedler einen Aufstand. Nachdem sie rund 200 Deutsche massakriert hatten, trafen sie auf die unbarmherzige Reaktion der deutschen Streitkräfte. General Lothar von Trotha erließ einen Vernichtungsbefehl. Von den schätzungsweise 50.000 bis 80.000 Herero überlebten nur 15.000, als der Krieg im Jahr 1907 endete.
Erster Völkermord des 20. Jahrhunderts
Zehntausende wurden abgeschlachtet, andere starben in Lagern. Viele Historiker nennen die Tötungen den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts. Rund 300 Schädel von Herero und Nama, die während des Konflikts in deutschen Gefangenenlagern zu Tode gekommen waren, wurden nach Deutschland gebracht. Viele befinden sich bis heute in der Charité. Im Jahr 2008 sagte der einstige namibische Botschafter in Deutschland, Peter Katjavivi, die Rückgabe der Schädel sei "eine Frage der Würde".
"Für uns bedeutet das die Rückgabe unserer Angehörigen, unserer Großmütter und Urgroßväter", sagt Ida Hoffmann, Angehörige des Vorbereitungskomitees der Reise. Kaihepovazandu Maharero, oberster Chief der Herero, sagt: "Dies ist der glücklichste und zugleich der traurigste Moment unseres Lebens. Traurig, weil sie massakriert wurden. Glücklich, weil ihre Überreste endlich nach Hause kommen."
Die Delegation wollte seinen Angaben zufolge am Montag und am Freitag traditionelle Riten zelebrieren. Chief Alfons Maharero, direkter Nachkomme des Herero-Aufstandsführers Samuel Maharero, ist Mitglied der Delegation.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau