Verena Beckers Aussage vor Gericht: „Ich war nicht in Karlsruhe“
Die ehemalige RAF-Terroristin Verena Becker hat eine Beteiligung am Buback-Mord bestritten. Sie habe nur eine Vorbesprechung erlebt. Wer damals schoss, ließ sie offen.
STUTTGART taz | Verena Becker zeigt sich selbstbewusst. Vor dem Verhandlungsbeginn am Oberlandesgericht Stuttgart lässt sich das Ex-RAF-Mitglied geduldig fotografieren, mit Sonnenbrille, grauem Wollpulli, Jeans. Nur gelegentlich lächelt sie leicht spöttisch.
Angeklagt ist Becker wegen Mordes. Sie soll 1977 am tödlichen Anschlag der RAF auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback und zwei Begleiter beteiligt gewesen sein. Die Anklage geht davon aus, dass Becker im Vorfeld die Gruppe zu dem Anschlag gedrängt habe, dass sie mit anderen den Tatort ausgekundschaftet hat und hinterher die Bekennerschreiben verschickte.
Es ist der 89. Verhandlungstag. Seit Oktober 2010 hat sie geschwiegen. Aber jetzt will Verena Becker doch noch reden. Mit der Stimme einer älteren Frau, aber fest und souverän liest sie eine vorbereitete Erklärung vor. Sie nimmt dazu die Sonnenbrille ab, die sie aus medizinischen Gründen tragen darf.
Im Vorfeld war erwartet worden, dass sie sich bedauernd an den Nebenkläger Michael Buback, den Sohn des Opfers, wenden würde. Ausssagen zur Sache galten als eher unwahrscheinlich. Doch es kommt genau umgekehrt. Becker bittet Buback zu Beginn um Verständnis dafür, dass sie hier vor Gericht stehe und sich gegen konkrete Vorwürfe verteidigen müsse.
Im Kern stellt sie ihre Beteiligung am Buback-Attentat als äußerst gering dar. „An der Anschlagsvorbereitung war ich nie beteiligt.“ Letztlich habe sie nur bei der Verschickung der Bekennerschreiben geholfen. Das kann sie auch schwer bestreiten, denn an den Umschlägen wurde 2010 ihre DNA gefunden. Ansonsten aber gelte: „Bis zu meiner Festnahme war ich nie in Karlsruhe (dem Tatort)“ und „Mit der HK 43 (der Tatwaffe) habe ich nie geschossen“. Letzteres wirft ihr nicht die Bundesanwaltschaft vor, sondern der Nebenkläger Michael Buback.
Anschlag auf Buback besprochen
Detailliert geht sie in ihrer rund 25-minütigen Erklärung auf die Phasen der Anschlagsplanung ein. Im Sommer 1976 sei sie mit den RAF-Kämpfern im Jemen gewesen. „Dort wurde ergebnisoffen über Möglichkeiten für militante Aktionen in der BRD diskutiert.“ Konkrete Aufgaben habe aber dort niemand übernommen. Auch bei einem RAF-Treffen Ende 1976 im Harz sei sie dabei gewesen.
Es sei auch konkret über einen Anschlag auf Buback gesprochen worden. „Aber dort gab es immer noch keine abschließende Entscheidung“, so Becker. Diese Entscheidung fiel dann bei einem Treffen in Holland Anfang 1977. Doch sei sie nur anfangs dabei gewesen. „Dann musste ich wegen unaufschiebbaren Verabredungen gehen“, sagte sie nebulös.
Am Vortag des Anschlags, dem 6. April 1977, will eine Zeugin Becker in Karlsruhe gesehen haben. „Diese Aussage ist falsch. Sie kann mich nicht gesehen haben, da ich an diesem Tag nicht in Europa war.“ Tatsächlich sei sie zu diesem Zeitpunkt „im Nahen Osten“ gewesen, zunächst mit zwei RAF-Begleitern, dann allein. Ihr Anwalt Hans Wolfgang Euler ergänzt später, dass sie mit Peter-Jürgen Boock und Brigitte Mohnhaupt in Bagdad gewesen sei.
Erst nach dem Attentat zurückgekehrt
Erst am 8. April, am Tag nach dem Anschlag, will Becker nach Europa zurückgekehrt sein. Mit einem gefälschten zypriotischen Reisepass, ausgestellt auf den Namen „Stella Ratson“. In Rom habe sie erfahren, dass es einen Anschlag auf den Generalbundesanwalt gegeben hatte. „Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich später gereist, damit ich nicht in eine Großfahndung komme“, argumentiert Becker.
In den folgenden Tagen sei sie aber doch nach Deutschland gekommen. An der Verschickung der Kommonadoerklärung, „die nun anlag“, habe sie zwar teilgenommen. „Aber meine Mitwirkung an der Verschickung war vorher nicht vorgesehen gewesen.“ An solchen Stellen ihres Vortrags wird deutlich, dass sie die Erklärung mit Hilfe ihrer Verteidiger formuliert hat.
Die Ermordnung Bubacks habe sie damals zwar „gebilligt“. Sie habe sich dabei aber „in keiner Weise hervorgetan und brauchte das auch nicht“, betont die heute 59-Jährige. Damit tritt sie dem Vorwurf der Anklage entgegen, sie sei eine Scharfmacherin gewesen. „Alle, die damals in der RAF organisiert waren, waren von einem starken Bedürfnis geleitet, die Gefangenen in Stammheim zu befreien.“
Auch ihr Exgenosse Boock hatte vor einigen Monaten so ausgesagt und Becker damit eher entlastet. Dennoch geht Becker ihn hart an und bemüht sich, seine Glaubwürdigkeit zu erschüttern. Boock habe zum Beispiel behauptet, sie könne Motorrad fahren. Tatsächlich sei sie „nie selbst ein Motorrad gefahren“. Immer wieder sagt sie: „Sie können davon ausgehen, dass Peter-Jürgen Boock gelogen hat, was immer ihn dazu bewogen hat.“
„Ich war nicht dabei“
Zur großen Frage, die über dem Verfahren steht, will Becker nichts beitragen. Wer Buback erschossen hat, könne sie nicht beurteilen, betont sie, „denn ich war nicht dabei“.
Auch auf eine Distanzierung von der RAF oder eine Entschuldigung für ihre Beteiligung verzichtet Becker. Sie verweist nur bürokratisch auf ihre Aussagen im Rahmen des Begnadigungsverfahrens Ende der 80er Jahre und beim Ermittlungsrichter 2009. Sie sagt nur: „Ich bin seit Mitte der 80er Jahre meinen eigenen Weg gegangen, daran hat sich bis heute nichts geändert.“ Sie deutet damit an, dass sie inzwischen eher „spirituell“ als linksradikal engagiert ist.
Anwalt Euler erklärt, man habe lange überlegt, ob Becker sich ausdrücklich entschuldigen solle. Aber „Lippenbekenntnisse“, die man nicht überprüfen könne, nützten auch niemandem.
Auch auf die Vorwürfe, Becker werde vom Verfassungsschutz gedeckt, sei die Angeklagte absichtlich nicht eingegangen. „Das hat mit dem Tatvorwurf nichts zu tun“, sagt Euler, „sie ist wegen Mordes angeklagt, nicht wegen Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz.“ Euler lässt offen, ob sich Becker später noch einmal äußern wird. „Wenn es eine neue Beweislage gibt“, sei dies nicht ausgeschlossen.
Ihren Vortrag beendet Verena Becker mit den Worten: „Damit ist das, was ich selbst hier sagen will, gesagt.“ Dann setzte sie die Sonnenbrille wieder auf.
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