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Verbot in IsraelIslamische Bewegung in Schockstarre

Die israelische Regierung macht einen Teil der Islamischen Bewegung für die Hetze verantwortlich. Gegen das Verbot soll gestreikt werden.

Scheich Raed Salah, Chef der nördlichen Islamischen Bewegung. Foto: Reuters

Jerusalem taz | Der nördliche Flügel von Israels Islamischer Bewegung ist ab sofort verboten. Polizisten stürmten in der Nacht zum Montag mehrere Büros in der Stadt Umm al-Fahm, konfiszierten Computer und Dokumente. Die Islamische Bewegung teilte sich schon vor 20 Jahren in den südlichen Flügel, von dem mehrere Vertreter heute als Abgeordnete der arabisch-antizionistischen Partei Vereinte Liste in der Knesset sitzen, und den radikaleren nördlichen Flügel.

Israels Justizministerin Ajelet Schaked rechtfertigte das Verbot mit der „Hetze, die die Islamische Bewegung verbreitet“. Damit sei die Organisation mit verantwortlich für die aktuelle Gewaltwelle. Bei den nächtlichen Razzien sollen Unterlagen über Millionenspenden muslimischer Organisationen auch in der Türkei und Kuwait gefunden worden seien.

85 Palästinenser und 14 Israelis sind bei der Gewalt in den vergangenen Wochen zu Tode gekommen. Scheich Raed Salah, Chef der nun verbotenen Islamisten, ist federführend bei der muslimischen Kampagne zum Schutz des Tempelberges.

Wegen Hetze gegen den Staat Israel und dem Aufruf zur Gewalt droht ihm derzeit eine Haftzeit von elf Monaten. Der charismatische Religionsführer rief seine Anhänger wiederholt dazu auf, den Haram Al Sharif zu retten.

Generalstreik und Demonstrationen geplant

„Die Al-Aksa-Moschee ist in Gefahr,“ warnt er stets. Salah finanziert aus der Kasse seiner Bewegung die „Murabitan“ und „Murabitun“, muslimische Frauen und Männer, die vor dem Tempelberg vor allem Juden mit aggressiven „Allahu akbar“-Rufen zu vertreiben suchen. Diese „Wachen heiliger muslimischer Stätten“ werden von Israels Sicherheitsbehörden seit Anfang September aus Jerusalems Altstadt ferngehalten, was die Spannungen verschärfte.

„Das Verbot der Islamischen Bewegung kommt gefährlicher politischer Verfolgung gleich“, so kommentierte der Abgeordnete Jusef Dschabarin von der Vereinten Liste. Hier ginge es um „einen schweren Angriff gegen die freie Meinungsäußerung der palästinensischen Minderheit“. Dschabarin ist Mitglied des südlichen Abschnitts der Islamischen Bewegung.

Die israelischen Islamisten repräsentieren 40 Prozent der arabischen Bürger im Staat

Insgesamt repräsentieren die israelischen Islamisten über 40 Prozent der arabischen Bürger im Staat, die wiederum ein Fünftel der israelischen Gesamtbevölkerung ausmachen. Der gesamte Sektor wird am Donnerstag mit einem Generalstreik und Demonstrationen gegen das Verbot protestieren.

Verbot der ultrarechten Organisation Lehava gefordert

Die große Beliebtheit der Islamisten ist auf ihr soziales Engagement zurückzuführen und darauf, dass sie die arabische Peripherie fördern. Die Bewegung unterhält Kindergärten, Kliniken, Fachschulen und sogar Sportvereine. „Die Islamische Bewegung zu verbieten“, so warnt der Abgeordnete Dschabarin, „wird die Arbeit von religiösen, von Wohlfahrts- und Erziehungseinrichtungen, die die Bewegung allen arabischen Bürgern zur Verfügung stellt, sehr beeinträchtigen.“

Israels Oppositionsführer Yizhak Herzog (Das Zionistische Lager) begrüßte die Entscheidung des Sicherheitskabinetts, appellierte jedoch dazu, nun auch die ultrarechte Organisation Lehava zu verbieten und den offen rassistischen Fussballfanklub Beitar Jerusalems La Familia. Lehava setzt sich den Kampf gegen jüdisch-arabische Mischehen zum Ziel.

Benzi Gopstein, Chef der Lehava, hatte vor einigen Wochen öffentlich zum „Kampf gegen Götzendienste“ und zum Inbrandsetzen von Kirchen aufgerufen. Selbst Staatspräsident Reuven Rivlin warnte vor den Taten Lehavas, die „wie Nagetiere am demokratischen Fundament“ Israels knabberten.

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1 Kommentar

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  • Leider: "für die Hetze", wie es im Vorspann der Meldung lautet, ist eine Wortwahl, die einen Tatbestand behauptet, der nicht in Zweifel stünde, ist nicht wertneutral. Das mögen sich republikanische Kongressabgeordnete leisten können.

     

    Aufklärung über die rechtliche Lage, etwa den Tempelberg als Liegenschaft im Besitz und der Verfügungsgewalt eines Waqf seit alters her, wie sie von den Briten bei ihrer Herrschaftsübernahme im Jahre 1919 festgestellt wurde, erfolgt nicht.

    Dabei war dies der Status Quo, der schon von League of Nations festgehalten und seiner Nachfolgeorganisation, nämlich der UN, übermittelt und übergeben wurde und die somit in den internationalen Status von Jerusalem übergehen sollte. Von all dem ist in 16 Jahren Berichterstattung aus Palästina nichts in Erfahrung zu bringen?

    Man muss zumindest davon gehört haben, dass Jerusalem laut Teilungsvorschlag von 1948 einen internationalen Status bekommen sollte, auch wenn die zur Umsetzung bestimmte Mandatsmacht (GB) im Wesentlichen auch hierzu, obwohl beauftragt, keinen Finger rührte, um dies möglich zu machen.

     

    Die Kernfrage, um die es derzeit und bei dem „Verbot“ geht, ist jedoch, ob der Vorwurf, Israel versuche (laufend) den Status Quo am und über den Tempelberg zu verändern, der von der israelischen Regierung als „Hetze“ dargestellt ist, zutreffend ist oder nicht.

    Tatsache ist, dass nunmehr der Staat Israel beansprucht, nicht der Hausherr des Tempelberges, sondern er (der Staat Israel) habe zu entscheiden, wer als besuchsberechtigter Tourist anzusehen ist und wer nicht, dass der Staat Israel sich inzwischen erlaubt zu bestimmen, wen er auf dem Tempelberg zum Gebet zulassen will und wen nicht.

    Dies bekanntlich als Besatzungsmacht ! Die Verhältnisse an der Klagemauer, die Teil des Tempelberges ist, hat sie in Ostjerusalem sowieso unübersehbar geändert.

    Deutlich auf allen Bildern der große Vorplatz, auf dem bis 1967 jahrhundertelang das marokkanische Viertel stand.