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Täuschungsfall beim DeutschlandfunkBetrug beim Dlf aufgeflogen

Der Sender trennt sich von einem jahrelangen Mitarbeiter. Er hatte seine O-Töne nicht selbst aufgenommen und das nicht transparent gemacht.

Nach Print trifft es jetzt auch das Radio: Betrug beim Deutschlandradio Foto: Markus Bollen/Deutschlandradio

Dieser Vorfall lässt auf den ersten Blick an den Betrug von Claas Relotius denken: Beim Deutschlandfunk hat ein langjähriger Mitarbeiter seinen Arbeitgeber getäuscht. Es handelt es sich um einen freien Reporter, der gut zwei Jahrzehnte für das Deutschlandradio (Dlf) gearbeitet hat und bis zuletzt aus dem europäischen Ausland berichtete.

Die Beiträge des Journalisten waren zwar nicht erfunden, doch er verwendete O-Töne aus anderen Medien und kennzeichnete diese nicht. Hinzu kommt: Der Reporter nutzte atmosphärische Elemente in seinen Reportagen, die den Eindruck erweckten, er sei tatsächlich vor Ort gewesen – was jedoch im vergangenen halben Jahr nicht der Fall war. Der Journalist soll aus einer „persönlichen Notlage“ heraus gehandelt haben, wie er gegenüber der Medienseite Übermedien sagte. Mittlerweile hat sich der Dlf von seinem Mitarbeiter getrennt.

Ein neuer Relotius? Claas Relotius hatte mehrere Jahre gefälschte Reportagen an den Spiegel und andere Medien verkauft, hatte Protagonisten und Szenen erfunden. Damit blieb er auch lange Zeit unentdeckt – bis sein Kollege Juan Moreno seinen Betrug aufdeckte.

Kein zweiter Relotius

Dlf-Chefredakteurin Birgit Wentzien sagt klar: „Der Fall ist kein zweiter Relotius.“ Denn im Falle des Dlf-Reporters stimmen die Fakten. Trotzdem hat er den Sender betrogen.

Wie will sich der Sender künftig vor Betrug schützen? Seit 2014 existiert ein journalistisches Selbstverständnis des Deutschlandradios. Dieses deckt, so Wentzien, Interessenkonflikte von Journalistinnen und Journalisten ab, wenn es um Verbindungen zu Parteien und anderen Organisationen geht. Nur reicht das nicht mehr aus. An einer Neufassung dieser Leitlinien wird deshalb aktuell gearbeitet. Künftig wolle man ein Rechercheprotokoll von Journalistinnen und Journalisten verlangen, das Kontaktdaten, Fotos und Quellen dokumentiert. „Wir erwarten, dass unsere Autorinnen und Autoren ihre Arbeit jederzeit dokumentieren können.“

Zusätzlich soll eine Ombudsperson für das Deutschlandradio ernannt werden, „die auch selbst Stichproben machen kann, wenn ein Verdacht besteht“, sagt Wentzien. Dasselbe plante auch der Spiegel nach Relotius.

Ein zweiter Relotius ist beim Dlf wohl nicht aufgeflogen. Aber vielleicht hat sich eine neue Chance aufgetan, über das Problem der unsauberen Recherchen und des zunehmenden Drucks in der Branche zu sprechen.

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5 Kommentare

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  • Ein Rechercheregister mit peinlich genau zu führenden Arbeits- und Quellennachweisen wäre wohl kontraproduktiv, in manchen Bereichen oder Ländern sogar gefährlich.

    Journalismus muss eben mit gelegentlichen Fehlern und dem Fehlverhalten leben. Der Kommentator, der das „Wir sind die Besseren“-Selbstverständnis rügt, hat recht.

    Medien sind heute zunächst Wirtschaftsunternehmen mit Bilanzzielen. Der Druck wird auf die Journalisten/Redakteure und Freien durchgereicht. Dann passiert auch so etwas. Lebt damit und macht es öffentlich.

  • "Betrug beim Dlf aufgeflogen"



    "Kein zweiter Relotius"

    Mein G'tt, kommt doch mal mit diesem Relotius Trauma klar!

    Medien, wozu auch der Spiegel, der DlF oder die taz gehören sind was das angeht, genauso Unternehmen wie jedes Andere auch. Es kommt immer mal vor, dass die Mitarbeiter den eigenen Arbeitgeber betrügen, bestehlen oder was auch immer.

    Als Interner hat man es viel einfacher, man kennt den Laden, seine Schwachstellen, hat einen Vertrauensvorschuss und kennt in der Regel zumindest Teile der Abwehrmechanismen und kann aktiv bei Problemen "eingreifen."

    Mir fallen gerade spontan zwei Fälle aus diesem Jahr ein, Schadenregulierer hat die Allianz um 1,4 Mio EUR geprellt und ein leitender Personalmitarbeiter die Unfallklinik in Frankfurt um 825 TSD EUR.

    Und zumindest die Allianz sollte, was Compliance angeht, mehr auf dem Kasten haben als der DfL oder der Spiegel.

    "Wie will sich der Sender künftig vor Betrug schützen?"

    Man kann sowas nie komplett verhindern, auch nicht mit Totalüberwachung.

    Natürlich ist es ärgerlich und der Spiegel war zu sehr in Selbstbeweihräucherung versunken.

    Aber so langsam glaube ich, das Problem liegt beim Fall Relotius ganz woanders, es passt nicht zu eurer Selbstwahrnehmung des Journalistenberufes, weil ihr euch einfach als etwas "Besseres" seht, erhaben über solche Dinge wie Betrug.

    "das Problem der unsauberen Recherchen"

    Wir können ja mal neh Anfrage ans BAFA stellen, wie viele Firmen, wegen unsauberer Recherche zu ihren Kunden keine Ausfuhrgenehmigung bekommen haben...

    Keine Angst, Ihr seit da in sehr guter Gesellschaft!

  • "....doch er verwendete O-Töne aus anderen Medien und kennzeichnete diese nicht. Hinzu kommt: Der Reporter nutzte atmosphärische Elemente in seinen Reportagen, ..."



    .



    O-Töne von anderen Sendern, Atmo über einen trockenen Beitrag gelegt....



    Vielleicht nicht ganz "die feine Art" aber mMn. macht "Die Welle" hier eine Welle, die ein wenig arg groß ist.



    Vor allen wenn man sich die Honorare & Reisekostenerstattung für Freie bei der Welle mal vor Augen führt. :-(



    Mit solch einer "Politik" wird die Welle wohl nur noch 2.Verwertungen & Reste die man nebenbei mitnehmen kann bekommen, weil....



    die Reportagekosten kann man mit o.a. nicht mehr decken:-(



    .



    Gr Sikasuu

  • also der Vergleich mit Relotius hinkt so dermaßen, warum wurde der hier überhaupt versucht zu ziehen?

    • @Jona:

      Man kann auch Äpfel und Birnen vergleichen. Solange man dabei nicht behauptet,dass sie gleich seien. Und das ist ja hier nicht der Fall.