Tadel für den Bürgermeister: Olaf Scholz soll nachbessern
Weil er Fragen der GAL-Fraktion zu den Energienetzen nicht ordentlich beantwortet hat, wird der SPD-Bürgermeister formal gerügt - von der SPD-Bürgerschaftspräsidentin.
HAMBURG taz | Jens Kerstan ist richtig sauer. „Dreist und selbstherrlich“ nennt der Grünen-Fraktionsvorsitzende das Gebaren von Olaf Scholz. Der SPD-Bürgermeister verlange in der Parlamentssitzung am heutigen Mittwoch die Zustimmung zur Beteiligung Hamburgs an den Energienetzen – verweigere aber die dafür notwendigen Informationen. So habe er auf eine mehrteilige schriftliche Anfrage nur unvollständige oder ausweichende Antworten erhalten, moniert Kerstan.
So sieht das auch Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD), die von Kerstan eingeschaltet wurde. In einem Schreiben an Scholz bescheinigt sie dem Senat einen „offensichtlich groben Verstoß“ gegen seine Antwortpflichten. Und fordert ihren Parteifreund deshalb auf, zu vier Fragen „überarbeitete Antworten“ nachzuliefern.
Kerstan hatte wissen wollen, wie der Wert des Gasnetzes von Eon Hanse und damit der Kaufpreis für die Stadt ermittelt wurde. Insgesamt will Hamburg für jeweils 25,1-prozentige Beteiligungen an den Versorgungsnetzen für Strom, Fernwärme und Gas 543,5 Millionen Euro an die Konzerne Vattenfall und Eon zahlen. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die mit der Wertermittlung beauftragt wurde, gilt jedoch nach Kerstans Angaben „in Branchenkreisen als Haus- und Hofgutachter von RWE und Eon, dessen Bewertungen um bis zu 100 Prozent über denen anderer Gutachter liegen“.
Über die Rechte des Parlaments heißt es auf der Homepage der Hamburger Bürgerschaft:
Kontrolle: Die Kontrolle des Senats ist eine der wichtigsten Aufgaben des Parlaments.
Opposition: Ihre Aufgabe ist es, die Kritik am Regierungsprogramm im Grundsatz und im Einzelfall öffentlich zu vertreten.
Kleine Anfragen: Jedes Mitglied der Bürgerschaft kann Fragen in Form einer schriftlichen Kleinen Anfrage an den Senat stellen, die der Senat binnen acht Tagen schriftlich zu beantworten hat.
Große Anfragen: Mindestens fünf Abgeordnete können gemeinsam umfangreichere Große Anfragen stellen, zu deren schriftlicher Beantwortung der Senat vier Wochen Zeit hat.
Laut einem vertraulichen Papier der Umweltbehörde, auf das Kerstan sich beruft, seien deshalb intern „massive Bedenken gegen den Gutachter“ geäußert worden. Deshalb würde der Grüne gern wissen, warum dieser trotzdem den Auftrag erhielt, welche Referenzen er habe und warum die aus der Behörde geäußerten Bedenken vom Senat offenbar nicht geteilt werden.
Nach Einschätzung von Veit sei der Senat jedoch Kerstans Anspruch „auf vollständige Beantwortung nicht hinreichend nachgekommen“. Dabei stützt die Präsidentin sich auf eine Rechtsprechung, welche die Sozialdemokraten selbst erstritten haben.
Im Dezember 2010 hatte das Hamburger Verfassungsgericht die Rechte des Parlaments ausdrücklich gestärkt. Auf Klage des SPD-Abgeordneten Mathias Petersen gegen allzu wortkarge Antworten des seinerzeitigen schwarz-grünen Senats urteilte das Gericht damals, „formelhafte“ Antworten seien nicht ausreichend. Der Senat müsse inhaltlich begründen, warum er keine oder nur eine Teilantwort geben könne. Es gelte das Prinzip „so viel Antwort wie möglich“.
Petersen wertete das damals „als Stärkung der Rechte aller Abgeordneten“. Und so sehen das auch der grüne Fraktionschef und die rote Parlamentspräsidentin. Senatssprecher Christoph Holstein gelobt auf Anfrage der taz umgehende Besserung: „Wir werden dem Wunsch der Präsidentin selbstverständlich entsprechen und die Antworten überarbeiten.“
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