piwik no script img

Südafrikas UmweltpolitikErst Bulldozer, dann Erneuerbare

Südafrikas Energiepolitik wird bislang von der Kohle und vom Staatskonzern Eskom dominiert. Ein ehrgeiziges Projekt soll nun für "grünes Wachstum" sorgen.

In Kohle liegt die Zukunft nicht: Aktivisten ketten sich an ein Eskom-Kraftwerk in Kusile. Bild: reuters/Shayne Robinson/Greenpeace

KENDAL/JOHANNESBURG taz | Nach zehn Minuten kommt der Sicherheitsdienst. Zwei bullige Wächter, einer in Werkskleidung, der andere in Zivil, bauen sich am Werkstor vor dem Reporter und seinem Begleiter auf. "Sie dürfen sich hier nicht aufhalten, das ist ein Regierungsprojekt!", sagen sie barsch. Der Reporter muss den Notizblock abgeben, sein Begleiter die Fotos im Handy löschen. Bis zum nächsten Highway werden die beiden von den Aufpassern im Auto verfolgt.

Das "Regierungsprojekt" ist keine geheime Anlage zum Bau von Atomwaffen, sondern ein Kohlekraftwerk. Die Kendal Power Station, eines der größten fossilen Kraftwerke weltweit, ragt etwa 100 Kilometer östlich von Johannesburg aus der Ebene: sechs mächtige beigefarbene Turbinenhäuser, die voll unter Dampf stehen, zwei hohe Schornsteine und sechs Kathedralen von Kühltürmen, die in dieser trockenen Gegend die dicken, weißen Wolken am Himmel mit frischem Wasserdampf versorgen.

Ein Doppelzaun mit Stacheldrahtrollen sichert die Riesenanlage. Die Hitze flimmert über den Bergen, die sich als weiße Abraumhalden der nahen Kohlegruben entpuppen.

Klimakonferenz

Südafrika ist in diesen Tagen Gastgeber der UN-Klimakonferenz. 90 Prozent des Stroms gewinnt das Land aus Kohle, seine Treibhausgasemission ist die höchste in Afrika. Moderne erneuerbare Energien spielten bislang keine Rolle, der staatliche Stromversorger Eskom setzt weiterhin auf das "schwarze Gold".

Bei der UN-Klimakonferenz verkündete die südafrikanische Regierung die South African Renewables Initiative (SARI), die mithilfe von ausländischen Geldgebern die erneuerbaren Energien ausbauen will. Die Südafrikaner hoffen auf Geld, grüne Technologie und einen neuen Wirtschaftszweig. Die Geberländer - darunter Deutschland mit einem dreistelligen Millionenbetrag - wollen Südafrika als Vorbild aufbauen und den anderen Schwellenländern beweisen: Grünes Wachstum kann sich lohnen.

Hier im südafrikanischen Kohlerevier rund um die Minenstadt Emalahleni zeigt sich die dreckige Seite der "Regenbogennation", die bislang voll auf das "schwarze Gold" gesetzt hat. Nur 15 Kilometer Luftlinie vom Kendal-Kraftwerk entfernt zieht der staatliche Stromversorger Eskom in Kusile mit Krediten der Weltbank sogar ein noch gigantischeres Kohlekraftwerk in die Höhe: Sechs riesige Schornsteine ragen bereits in den Himmel, flankiert von drei Dutzend hohen Betonsäulen.

Auf der Schotterstraße zur Baustelle zieht eine endlose Schlange von Lkws eine gewaltige graue Staubfahne hinter sich her. Auf dem Besucherparkplatz stellt sich eine Eskom-Angestellte den ungebetenen Besuchern in den Weg: Sie erklärt, dass man hier nichts verloren habe. Und wieder braust ein bulliger weißer Pick-up mit Kraftwerksangestellten hinter den Reportern her.

Der staatliche Energieversorger Eskom ist nervös. Im November besetzten Greenpeace-Aktivisten kurzfristig die Baustelle in Kusile, um gegen den "Klimakiller Eskom" zu protestieren. Das Kraftwerk soll ab 2014 jährlich 37 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen - so viel wie ganz Marokko. Greenpeace hat eine Studie vorgelegt, nach der "der Schaden durch Eskoms CO2-Emissionen das Land doppelt so viel kosten wird, wie der erzeugte Strom wert ist" - vor allem wegen des hohen Wasserverbrauchs.

"Die Menschen haben das Vertrauen verloren"

Es sind gar nicht die Ökoargumente, die dem Image von Eskom so geschadet haben, erklärt Kevin Davie, Leiter der Wirtschaftsredaktion der angesehenen Wochenzeitung Mail and Guardian. "Die Menschen haben das Vertrauen verloren, dass Eskom die richtigen Entscheidungen trifft", sagt er. In der Apartheid-Ära verfügte das Land über 30 Prozent mehr Kraftwerkskapazität als nötig.

Strom war und ist für Unternehmen extrem billig, deshalb verlagerten Energiefresser wie Aluminiumschmelzen ihre Standorte ins Land. Es wurde nicht neu investiert, die Kraftwerke alterten, der Strombedarf stieg. 2008 dann der Schock für die stärkste afrikanische Volkswirtschaft: Das Land litt unter Stromausfällen, die Produktion in den Kohle- und Goldgruben wurde zeitweise eingestellt. Die Strompreise für Privatverbraucher haben sich verdoppelt.

"Das ganze Geld, das Eskom investiert, geht in die Kohlekraftwerke und ein Atomprogramm", beklagt Davie. "Sie haben dem Land praktisch die Hände gefesselt."

Die Konzernspitze ist sichtlich nervös - auch wegen der Konferenz in Durban. Mehrere Anfragen für einen Besuch in Kendal oder Kusile lehnt Eskom unter Verweis auf "die Sicherheitslage" ab. Mails mit Fragen zur Unternehmens- und Energiepolitik bleiben unbeantwortet. Nur eine Rückfrage kommt aus der Konzernzentrale in Johannesburg: "Was ist SARI?" Die Konzernsprecherin ist über das Regierungsprogramm South African Renewables Initiative (SARI) offenbar nicht im Bilde.

Methangas aus der Müllkippe

"Für die Erneuerbaren liegt eine große Zukunft in der Luft", sagt dagegen Greg Midlane. Er meint allerdings nicht das Gemisch aus Fisch, Fäulnis und Dieselöl, das er gerade einatmet. Midlane steht auf der größten Müllkippe von Johannesburg, dem Robinson Deep Landfill, und hat einen atemberaubenden Blick auf die Wirtschaftsmetropole: die Innenstadt mit ihren Hochhäusern, das neue Fußballstadion in Soweto, die rissigen Höhenzüge von Abraumhalden aus der Zeit der Goldförderung und gleich nebenan die Turffontein-Pferderennbahn.

Der Boden unter seinen Füßen dröhnt und bebt mit jedem Mülllaster, der sich die 50 Meter hohe Rampe hochquält. Hier werden jeden Tag bis zu 15.000 Tonnen Müll abgekippt; Plastiktüten, Autoreifen, Bauschutt, Konservendosen, Schuhe, Essensreste, alles durcheinander. Das Recycling übernehmen zwei Dutzend Gestalten in Overalls oder dreckstarrenden Hosen, die jede Ladung schnell durchwühlen und Verwertbares für sich aussortieren. Dann kommt der Bulldozer und planiert alles fest. Und dann kommen die erneuerbaren Energien. Oder das, was man in Johannesburg so nennt.

Denn am Fuß der Müllkippe hat Midlanes Firma Ener-G Systems Rohre verlegt. Sie reichen bis tief unter den Müll und pumpen das Methangas ab, das entsteht, wenn Müll verrottet. Das brennbare Methan will Midlanes Firma ab 2012 in Generatoren verbrennen und damit Strom erzeugen. Bislang steht nur ein etwa 10 Meter hoher Schornstein neben einem Gewirr aus Rohren, geschützt durch einen hohen Zaun.

In ihm wird das Methan bei 1.000 Grad Celsius abgefackelt, und dafür gibt es viel Geld: Weil Methan 21-mal so klimaschädlich ist wie Kohlendioxid, fällt seine Verbrennung unter die Clean Development Mechanisms (CDM) des Kioto-Protokolls. Pro Tonne verbranntes Methan gibt es etwa 200 Euro, dazu kommt noch der Strom, den "Ener-G Systems" verkaufen kann - ein sauberes Geschäft.

Aber auch eines, das zeigt: Südafrika ist ein Schwellenland, teils Industrie-, teils Entwicklungsland: wo das Abfackeln von Methan als Klimaschutz gilt und Milliarden in Kohle investiert werden; wo jeder Fünfte der 50 Millionen Einwohner keinen Stromanschluss hat, aber rein rechnerisch jeder Einzelne fast so viel CO2 ausstößt wie ein Deutscher; wo bis zu 40 Prozent der Menschen keinen regulären Job haben und man trotzdem stolz darauf ist, die führende Wirtschaftsnation Afrikas zu sein.

"Strom wird knapp"

Genau da setzt Nimrod Zalk an. Der junge Beamte sitzt in legerem Hemd an diesem heißen Tag vor einem Restaurant in Sandton, dem Geschäftsviertel von Johannesburg. Zalk koordiniert beim Ministerium für Handel und Industrie das SARI-Projekt. Den geplanten Ausbau der erneuerbaren Energien von derzeit praktisch null auf knapp 10 Prozent bis 2030 (Greenpeace sieht sogar ein Potenzial von 50 Prozent) begründet er nicht mit Ökovorträgen.

Er hat seine Zahlen und Argumente auf einem Zettel parat: Die Strompreise kann man nicht noch weiter anheben, bereits jetzt protestieren die Menschen und gehen Unternehmen pleite. "Wir sind in einer sehr ernsten Situation", sagt Zalk. "Der Strom wird knapp, und wir haben Angst, dass irgendwann andere Länder unsere Exportgüter mit Steuern bestrafen, wenn wir sie mit so hohen Emissionen produzieren."

Für Südafrika komme der Aufbau einer Industrie für erneuerbare Energien wie gerufen. Das Land hat die "IT-Welle" verpasst, mit der die asiatischen Länder im letzten Jahrzehnt Geld verdient haben. "Die kommende Welle der grünen Technologie werden wir mitnehmen", sagt der SARI-Manager.

Großes Lob von Klimaschützern

Das wird viel Geld kosten. Insgesamt wohl etwa 14 Milliarden Dollar bis 2030. Ein Drittel davon soll aus dem Ausland kommen. Dass Südafrika den Rest selbst zusammenkratzen will, bringt ihm großes Lob von Klimaschützern ein. Denn eigentlich könnte das Land auch darauf bestehen, dass die Industriestaaten alles zahlen - so steht es in den Klimaverträgen. Aber das Geld fehlt auch im Norden, die Industrieländer haben ihre Versprechen ohnehin nicht gehalten, und Südafrika will internationale Anerkennung und nicht die Bettlerposition.

Nimrod Zalk wiederum will grüne Jobs in Südafrika, um hier das afrikanische Zentrum von Windkraft und Solarenergie zu gründen, ehe das ein anderes Land tut. Für die europäischen Partner von SARI ist das Projekt genauso wichtig: Es muss zeigen, dass die reichen Nationen den Schwellenländern nicht immer nur von "grünem Wachstum" vorschwärmen, sondern dass das auch funktionieren kann.

Die Erwartungen sind riesig. Auf der einen Seite bremsen Eskom und Teile der Regierung. Auf der anderen Seite unterstützt Staatspräsident Jacob Zuma öffentlich das Projekt und steht bei den Geberländern in der Pflicht. Spricht man Zalk auf Eskom an, verdreht er nur die Augen. Draußen vor dem Restaurant hängt ein Plakat, auf dem Siemens für Windparks wirbt. Aber davon gibt es bisher nur einen in Südafrika. Und der produziert weniger Strom als eine einzige Offshoreturbine in der Nordsee. Nimrod Zalk muss weiter. Er hat viel zu tun.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • S
    Stev

    Thema hin oder her, etwas Sachkenntnis würde dem Reporter gut zu Gesicht stehen, wenn technische Details in den Bericht eingebaut werden. Laut Info von vor Ort sind in Kusile keine Schornsteine zu sehen, sondern ...die in Bau befindlichen Treppenhaustürme bzw. Aufzugskerne, die bei JEDER Baustelle (auch bei simplen Wohnhochhäusern) vor Beginn der ersten Baumaßnahmen zuerst hochgezogen werden...Schornsteine werden in Kusile nur 2 errichtet statt der 6, die der Reporter gesehen haben will.

    Wenn man sich nicht total ungeschickt anstellt, kann man von der Straße aus ein in der Nähe befindliches fertiges Kraftwerk dieser Bauart fotografieren.