piwik no script img

Schutz vor Geheimdienst-ÜberwachungGrüne setzen sich für Linke ein

Die Grünen wollen Abgeordnete besser vor willkürlicher Beobachtung durch den Verfassungsschutz schützen. Das Parlament soll dies vorab genehmigen.

Bisher gilt auch die Beobachtung von nichtextremistischen führenden Funktionären der Linken als zulässig Bild: dapd

FREIBURG/BERLIN taz | Derzeit werden rund 25 Bundestagsabgeordnete der Linkspartei vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Die Grünen halten das für verfehlt. In einem Antrag fordern sie, dass der Verfassungsschutz nur dann Material über Abgeordnete sammeln dürfen soll, wenn dies vorab von einem parlamentarischen Gremium genehmigt wurde. Über diesen Vorschlag diskutierte am Donnerstagabend der Immunitäts- und Geschäftsordnungsausschuss des Bundestags mit Sachverständigen.

Der Grünen-Abgeordnete Volker Beck erinnerte daran, dass Abgeordnete zum Schutz des Parlaments auch Immunität gegen strafrechtliche Ermittlungen genießen. Strafverfahren sind nur möglich, wenn der Bundestag zustimmt. „Für die Beobachtung durch den Verfassungsschutz muss das Gleiche gelten“, forderte Beck. Der konservative Rechtsprofessor Bernd Grzeszick sah dies anders.

Ein Strafverfahren sei ein deutlich schwererer Eingriff, weil am Ende eine Haftstrafe drohe, während der Verfassungsschutz niemanden verhaften könne. Dagegen unterstützte der renommierte Polizeirechtler Christoph Gusy die Argumentation der Grünen: „Nur 2 Prozent der Strafverfahren enden mit einer Freiheitsstrafe, dennoch muss die Immunität bei jedem Ermittlungsverfahren aufgehoben werden.“

Umstritten war auch, ob die Beobachtung und Überwachung von Abgeordneten einer besonderen gesetzlichen Grundlage bedarf. Kyrill-Alexander Schwarz von der Uni Würzburg verneinte dies. Die Arbeit des Verfassungsschutzes sei gesetzlich ausreichend geregelt. Die Eingriffsnormen gälten auch für Abgeordnete, wobei „nachrichtendienstliche Mittel“ (wie das Abhören von Telefonen) ohnehin fast nie gegen Parlamentarier eingesetzt würden. Und das Sammeln von Zeitungsartikeln sei „an der Grenze zur Bagatelle“. Dem widersprach der Düsseldorfer Parteienrechtler Martin Morlok: „Die Beobachtung eines Abgeordneten wiegt immer schwerer als die Beobachtung von jedermann. Sie benötigt eine eigene gesetzliche Regelung, die bisher fehlt.“

Eingriff in Chancengleichheit der Parteien

Wenn bekannt werde, dass sich der Verfassungsschutz mit einem Abgeordneten beschäftige, sei dies „rufschädigend“ und ein Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien. Ähnlich argumentierte der SPD-Abgeordnete Dieter Wiefelspütz: „Der Bundestag ist das Herz der Demokratie“, er brauche daher besonderen Schutz.

Die Mehrheit der Sachverständigen plädierte dafür, dass der Verfassungsschutz nur Abgeordnete beobachten darf, die selbst im Verdacht extremistischer Bestrebungen stehen. Bisher gilt auch die Beobachtung von nichtextremistischen führenden Funktionären der Linken als zulässig – was in diesem Jahr aber auf Klage des Thüringer Linksfraktionschefs Bodo Ramelow hin vom Bundesverfassungsgericht überprüft wird.

Ein völliges Verbot geheimdienstlicher Überwachung von Abgeordneten forderte in der Anhörung niemand – wohl auch mit Blick auf die rechtsextreme NPD, die in mehreren Landtagen sitzt. Außerdem, so bemerkte der Berliner Staatsrechtler Ulrich Battis, hätten sich in den letzten Jahrzehnten auch schon mehrere Abgeordnete als Spione entpuppt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • N
    Neo

    Wenn man es provokativ äussern möchte, könnte man sagen

    der Papst spricht zweideutig!!. Nun warum zweideutig, die Katholische Kirche betreibt jedenfalls in Deutschland folgenden Unternehmen, da wären Krankenhäuser, Kindergärten, Altenheime, Klosterbrauerreien und Obst-Gemueseanbau.

    Viel Spass bei der Recherche über die wirtschaftskraft der Katholischen Kirche in Deutschland und Ihren Finazierungsmodellen.

     

    Neo, die Unbestechlichen(*2)

  • W
    woleu

    Nach den vielen offenkundigen rechtswidrigen Übergriffen und strafbaren Handlungen von Verfassungs-

    schutzleuten ist es endlich an der Zeit nicht nur

    marginale Änderungen wie z.B. parlamentarische Erlaubnis von Bespitzelungen von Abgeordneten durch-

    zusetzen, sondern die Verfassungsorgane Verfassungs-

    schutzämter schleunigst aufzuheben bevor sie noch mehr Unheil im Staatswesen anrichten. Es ist ja ein offenes Geheimnis und die Skandale zeigen es, dass alle Geheimdienste aufgrund nachgewiesener Tätigkeiten, nicht nur im graurechtlichen Bereich arbeiten, sondern auch Strafgesetze verletzen.Vom Geist und Inhalt auch und gerade des Grundgesetzes

    ist dies nicht hinnehmbar.Sämtliche nachrichten-

    dienstlichen Ermittlungen kommen in ihrer Effiziens rein natürlich schon durch allgemeine soziale

    Kontrolle zustande.Alles darüber hinaus leistet nur

    der psychopathologischen Paranoia Vorschub unter die

    die Spitzel als auch das Volk zu stehen kommen.

    Wir alle wollen doch aber einen sauberen Rechtstaat

    und ein gesundes Volk!

     

    Woleu

  • G
    GWalter

    Die Linke als verdächtig der Verfassungsfeindlichkeit zu bezeihen ist doch eine ganz klare VERUNGLIMPFUNGS-STRATEGIE der ETABLIERTEN.

    -

    Sie haben Angst, dass an einem schönen Tag ihre NEOLIBERALE POLITIK am Ende ist und die Bürger aufstehen werden.

    -

    Das kann dann der Sieg für die LINKE werden, die zu recht endlich GERECHTIGKEIT und UMVERTEILUNG von OBEN nach UNTEN fordern!!

    -

    Gerade die ETABLLIERTEN sind0 seit Jahren mit neuen Gesetzen herausgekommen, die vom Verfassungsgericht wieder kassiert wurden.

    -

    WER IST ALSO DER WIRKLICHE VERFASSUNGSFEIND und der FEIND DER GERECHTIGKEIT !!??

  • MH
    Marco Hoffmann

    Auf kath.net verkündete volker beck, er habe Strafanzeige gegen mich erstattet, denn ich hatte ihm bei der beschneidungsdebatte tätigkeit im auftrag einer fremden macht vorgeworfen. Ich freue mich auf den prozess.

     

    Kenner der Szene wissen, dass das jobcenter für schwerbehinderte menschen in hamburg die miete auf wunsch direkt überweist und dann im bewilligungsbescheid "Festbetrag/ vorrangig" steht.

     

    Im laufenden bewilligungszeitraum letzten jahres erhielt ich plötzlich die fristlose kündigung der bgfg, weil die arge die mietzahlungen widerrechtlich eingestellt hatte. Zeitgleich ließ die hamburger staatsanwalt mich zu einem koordinierten termin antreten, eine an den france telekom skandal erinnernde stress-methodik, die david kelly kennen wird.

     

    Nachdem alles nachgezahlt war (ohne bescheid) kam

    Monate später eine mahnung der neuen eigentümerin saga/gwg, es sei zuwenig miete überwiesen worden. Ich erinnerte das jobcenter für schwerbehinderte menschen an den bewilligungsbescheid mit "festbetrag vorrangig" und man erinnerte sich erneut.

     

    Lieber wäre mir eine beobachtung durch den verfassungsschutz, aber die arge ist ja vogelfrei.

  • SE
    SED enteignen!

    Was würde man in der taz sagen wenn "nichtextremistische Funktionäre" einer rechten Partei mit Himmler-Plattform von der Überwachung ausgenommen würden? Die SED hat sich umbenannt, nochmal umbenannt und nochmal umbenannt. Es kamen westdeutsche Linksextreme hinzu, die wegen ihrer Totalitarität selbst in der SED isoliert sind. Jetzt fordern die Grünen, deren Mitglieder zum nicht unerheblichen teil mit Stalin-Mao Bildern durch die Straßen liefen während im Osten Gleichaltrige umgebracht oder eingekerkert wurden, einen Stopp der Überwachung. Volker Beck, ein langjähriger Forderer von straffreiem Mißbrauch kleiner Jungs ist der Anführer. Man stelle sich das Ganze in rechts vor. Während in deutschen Medien die französische Front National als rechtsextrem gilt, ist es kein Problem wenn Linksparteipolitiker Stalinopfer verhöhnen. Propagandadelikte gibt es nur rechts und Verurteilungen von Linksextremisten wegen Gewalt werden als Unrecht dargestellt. Kein Wunder wenn immer mehr Leute den alten Medien nicht mehr glauben. Die Heuchelei und Doppelmoral stinkt zum Himmel. Wenn dann noch im Alltag Gruppen-Vergewaltigungen durch Orientalen nicht bestraft werden während man in den Medien breit über Vergewaltigungen in Inien debattiert, Ehrenmorde in Neukölln für die taz nicht mal einen Dreizeiler wert sind und man durch Sprachneuschöpfungen mehr Nebelschwaden als Klarheit produziert, dann ist es völlig berechtigt umzudenken und sich neue Informationsquellen zu suchen. Zum Beispiel über die in "Linkspartei" umbenannte Diktatur-Partei SED und die dort im Hintergrund tätigen Leute. Die Grünenwähler tangiert das Alles nicht, die sind in ihrer Rechthaberei meist verbeamtet. Mit einem Funken kann es aber egal sein was sie denken und was nicht. Dann werden alle Extremisten gleich bekämpft und nicht nur die rechten. Den Linksextremisten der 70/80er steht noch das bevor was die Altnazis auch erst in den späten 60ern erfuhren. Zurecht.

  • N
    Nils

    Die Beobachtung einiger Abgeordneter der Partei Die Linke ist politisch motiviert - es geht schlicht und ergreifend darum, die Partei zu stigmatisieren und sie in die Ecke der Verfassungsfeinde zu stellen, obwohl Die Linke die einzige Partei ist, die es mit der Verfassung noch ernst meint.

     

    Hier zeigt sich, dass der Verfassungsschutz politisch instrumentalisiert wird. Natürlich bedeutet dies nicht, dass dies eine Last für die Verfassungsschützer ist, sind sie doch in ihrem Selbstverständnis "Kommunistenjäger" und geheimdienstliches Schutzorgan rechtskonservativer bis rechtsextremer Gruppierungen.

     

    Wen überrascht es heute noch, dass demokratische Sozialisten verfolgt werden, während Nazitäter beschützt und die relevanten Akten demokratischen Untersuchungsorganen durch Schreddern vorenthalten werden?

  • U
    Ute

    Grüne setzen sich für Linke ein - aha

     

    Das aber ist sehr selten. In NRW z.B. hatte es ihnen überhaupt nicht gepasst, einen Kontrolleur für soziale Anliegen im Parlament zu haben.

     

    Und dies lässt sich auch nicht aus der Welt schaffen, indem sie sich vielleicht daran erinnern, wie man ihnen selbst vor Jahrzehnten begegnete.