Schulreform in NRW: CDU gefährdet den Schulfrieden
Im Streit über eine neue Schulreform für NRW kann sich Rot-Grün mit der Union nicht einigen. Die CDU-Spitze bockt, weil die Linke mit am Verhandlungstisch sitzen soll.
KÖLN taz | Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann hatten sich viel vorgenommen. An diesem Freitag wollten Nordrhein-Westfalens SPD-Ministerpräsidentin und ihre grüne Schulministerin mit den Spitzen aller im Landtag vertretenen Parteien an der großen Einigung schmieden. Nicht weniger als "ein bildungspolitischer, zukunftsfester und möglichst breit getragener Konsens, der über mehr als eine Legislaturperiode Bestand hat", gaben die beiden in ihrer Einladung als Ziel an. Doch daraus wird erst mal nichts.
Denn bei dem Treffen wird ausgerechnet die größte Oppositionspartei fehlen. Die CDU hat der rot-grünen Landesregierung brüsk einen Korb erteilt. Der einzige Grund: Die Schwarzen wollen nicht mit den Roten an einem Tisch sitzen. Wer die Linkspartei zu Gesprächen einlade, würde wissen, "dass er die CDU damit auslädt", wettert CDU-Landeschef Norbert Röttgen in einem Brandbrief an die Funktionsträger der nordrhein-westfälischen Union. "Wem eine gemeinsame Schulpolitik mit den Kommunisten wichtiger ist, als ein gemeinsamer Kurs der demokratischen Parteien, der verwirkt die Chance auf einen schulpolitischen Konsens in Nordrhein-Westfalen."
Bei den beiden Regierungsparteien stößt die Absage auf Unverständnis - und Spott. Die Verweigerungshaltung der CDU zeuge "von einem mangelnden Selbstbewusstsein der Christdemokraten", sagte SPD-Landtagsfraktionschef Norbert Römer. Der "schwarze Elefant" habe wohl "Angst vor der roten Maus", lästerte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Sigrid Beer. Die Begründung der CDU bezeichnete Beer als "vorgeschoben". Auf diese Weise versuche die Union nur "Zeit zu gewinnen, weil sie offenbar noch keine Grundsatzentscheidung darüber getroffen hat, ob sie überhaupt einen Schulkonsens für Nordrhein-Westfalen will".
Diese Zeit will die rot-grüne Minderheitsregierung der CDU allerdings nicht lassen. Denn nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgericht Münster vom 9. Juni bedarf es für die Etablierung der von SPD und Grünen favorisierten Gemeinschaftsschule zwingend einer Änderung des Schulgesetzes.
Einen entsprechenden Gesetzentwurf will Schulministerin Löhrmann noch vor Sommerpause ins Parlament einbringen. Gelingt ihr das nicht, würde das zentrale bildungspolitische Projekt von Rot-Grün ins Stocken geraten. Auch wenn mit dem neuen Schuljahr die ersten zwölf Gemeinschaftsschulen noch als "Schulversuch" starten können, ist dieser Weg weiteren Schulen nach dem Münsteraner Urteilsspruch verbaut.
Rot-Grün dürfte das neue Schulgesetz auch ohne die Zustimmung der CDU durch den Landtag bringen. Das Problem ist jedoch, dass die Einführung der Gemeinschaftsschule perspektivisch die Schließung vieler Hauptschulen zur Folge haben würde. Für deren Erhalt setzt sich zwar inzwischen nicht mal mehr die Union ein - aber seit 1968 die Landesverfassung. Um die Verankerung der Hauptschule in der Verfassung zu streichen, bedarf es einer Zweidrittelmehrheit. Die gibt es jedoch nicht ohne die CDU.
Sie solle sich die "historische Chance" auf einen Schulkonsens nicht entgehen lassen, appellierte Löhrmann eindringlich. Schließlich hätten die Christdemokraten "bei Gesprächen über die Steinkohle, die WestLB oder über Bundeswehrstandorte auch mit den Linken am Tisch gesessen".
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