Schäuble trifft griechischen Minister: In Uneinigkeit vereint
Die Finanzminister Varoufakis und Schäuble geben sich diplomatisch. Den Forderungen aus Athen nachzugeben kommt für Schäuble aber nicht infrage.
BERLIN taz | Vor den Toren des Bundesfinanzministeriums demonstrierten ein paar Dutzend Anhänger der Linkspartei für Solidarität mit den Griechen. Drinnen setzte sich der neue Finanzminister Gianis Varoufakis mit seinem Amtskollegen Wolfgang Schäuble auseinander.
Wie gewohnt trat der Ökonom lässig auf. Schickes blaues Hemd, nicht in die Hose gestopft, ohne Krawatte. Das Treffen dauerte länger als geplant. Fast eine Stunde warteten über 100 Journalisten auf das Ergebnis des Gesprächs. „Wir stimmen darüber ein, dass wir nicht übereinstimmen“, fasste Schäuble das Resultat anschließend zusammen.
Die Positionen beider Seiten liegen weit auseinander. Die Bundesregierung beharrt auf einer Kontrolle des Hilfsprogramms durch die Troika aus Internationalem Währungsfonds, EU-Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB): „Die Vereinbarungen, die wir treffen, müssen auch eingehalten werden.“
Varoufakis, der die Zusammenarbeit mit der Troika gerade erst aufgekündigt hat, bewegte sich inhaltlich ebenso wenig. Zusammen mit Regierungschef Alexis Tsipras tourte er in dieser Woche ziemlich erfolglos von Hauptstadt zu Hauptstadt. „Wir wollen eine Überbrückungslösung“, wiederholte der Finanzminister, „Sie können von uns höchste Vernunft erwarten.“
Die Europäische Zentralbank (EZB) genehmigt griechischen Banken Notfallkredite in Höhe von bis zu 60 Milliarden Euro – und sichert damit zunächst deren Zahlungsfähigkeit. Diese Information kam am Donnerstag aus Notenbankkreisen. Das Notfall-Programm namens ELA richtet sich an Banken, die sich zeitweise in einer außergewöhnlichen Situation befinden.
An der Zahlungsfähigkeit der griechischen Banken waren Zweifel aufkommen, nachdem der EZB-Rat am Mittwochabend eine Sonderregelung für griechische Staatsanleihen ausgesetzt und den Banken des Landes damit eine wichtige Geldquelle genommen hatte.
Ab kommendem Mittwoch können die Kreditinstitute keine griechischen Staatsbonds mehr als Sicherheit für Kredite bei der Zentralbank hinterlegen und sich somit kaum mehr regulär über die Zentralbank mit frischem Geld versorgen.
Schäuble lehnt Änderungen ab
Bis Ende Mai will die Linksregierung ein eigenes Programm ausarbeiten, mit dem der siechenden Volkswirtschaft wieder auf die Beine geholfen werden kann. Die im Land so verhasste Troika soll dabei außen vor bleiben. Über die eigenen Pläne will Varoufakis dann mit den anderen europäischen Ländern verhandeln. Zu den Vorhaben gehört die verstärkte Korruptionsbekämpfung, aber auch eine konsequentere Besteuerung von hohen Einkommen und Vermögen. Konkreter wollte oder konnte der Minister nicht werden.
Im Finanzministerium biss er damit auf Granit. Schäuble stellte in einem langen Statement klar, dass Verstöße gegen die Vereinbarungen zwischen Griechenland und den anderen Euroländern nicht einseitig verändert werden dürfen. Auch in anderen Ländern seien die Regierungen gewählt worden, betonte er, jede Veränderung könne nur im Einklang mit den europäischen Ländern geschehen.
Die tiefere Bedeutung dieser Feststellung sprach Schäuble nicht aus. Wenn die Euroländer jetzt nachgeben, erstarken allerorten die eurofeindlichen Kräfte, Le Pen in Frankreich, die wahren Finnen im Norden oder die AfD in Deutschland.
So bleibt die Werbetour der neuen Führung in Athen bisher erfolglos. Ohne Troika gibt es keine neuen Darlehen. Ab Ende Februar droht Griechenland wieder einmal der Staatsbankrott. Die Frage, ob dieses Szenario realistisch ist, ließ Varoufakis unbeantwortet. Doch es wird allmählich eng für die Linksregierung. Die Entscheidung der EZB, ab 11. Februar keine griechischen Staatsanleihen mehr als Sicherheiten zu akzeptieren, verstärkt den Druck weiter.
Es mag schwer nachweisbar sein, dass sich die EZB damit in die Politik einmischt, was sie nicht darf. Aber der Verdacht liegt zumindest bei der Wahl des Termins für den Finanzierungsstopp nahe. Einen Tag später treffen sich die europäischen Regierungschefs zum Gipfel. Alexis Tsipras muss seinen Kollegen dann wohl in einigen Punkten entgegenkommen, wenn er die Insolvenz seines Landes noch verhindern will.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen