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SPD in Berlin-NeuköllnThe Big Buschkowsky

In den Westbezirken verlor die SPD. Der Bürgermeister in Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowsky, legte um 8 Prozent zu. Er profiliert sich als Anti-Wowereit.

Heinz Buschkowsky bei der Eröffnung 4. Neubritzer Bürgermeile. Mit dabei war: "Star-Gast" Gunter Gabriel. Bild: Stefan Aust

BERLIN taz | Auch wenn den Berliner Sozialdemokraten die Mehrheit auf Landesebene erhalten blieb, bei den Bezirkswahlen hat die SPD vor allem im Westen Stimmen verloren. Nur in Spandau konnte sie sich um einen Prozentpunkt verbessern – und in Neukölln. Von 34,6 Prozent bei der Wahl 2006 haben sich die Sozialdemokraten dort auf 42,7 gesteigert, um 8,1 Prozentpunkte. Die CDU hingegen hat dort über 9 Prozentpunkte verloren – und die NPD wurde wieder unter die Dreiprozenthürde gedrückt.

Dass der gerade unter Migranten respektierte, ja populäre und mit seinen einprägsamen Sprüchen ("Multikulti ist gescheitert!") bundesweit bekannte Sozialdemokrat Heinz Buschkowsky wieder und damit zum dritten Mal Bürgermeister werden würden, stand nie ernsthaft infrage. Selbst im bürgerlichen Süden des Bezirks Neukölln, wo für das Abgeordnetenhaus gern die CDU gewählt wird, hat der 64-Jährige viele Fans.

Kein Wunder, der Mann, der dort in einer Kellerwohnung geboren wurde, schafft es, seine Glaubwürdigkeit als pragmatischer Kümmerer mit echter, gleichwohl energischer Liebe zu seinem Bezirk selbst für jene zu bewahren, die seine Politik nicht mittragen. Ein Popstar, mit dessen Bild die SPD in Neukölln Wände plakatieren ließ, und einer, der eine eigene Fangemeinde unter Jungerwachsenen hat.

Buschkowsky ist auch öffentlich präsent: Im Anzug und mit seinen Nilpferdkrawatten in überregionalen Talkshows, wo er Neukölln gleichzeitig als Problembezirk und als vitales Modell für Europa präsentiert. Er mischt sich hemdsärmlig an Wochenenden bei Zirkusvorstellungen Neuköllner GrundschülerInnen unters Publikum oder sitzt werktags zum privaten Abendbrot im Schloss Britz, einem Vorzeigeprojekt zur Ausbildung von Jugendlichen im Gastrogewerbe.

Glamouröser Buschkowsky

So ist der kleine runde Mann zum einzigen Berliner Sozialdemokraten geworden, der neben Klaus Wowereit als eigenständige, fast glamouröse Person wahrgenommen wird - auch wenn die zwei dabei so etwas wie die Antipoden der aktuellen Sozialdemokratie darstellen: Wowereit als der smarte, coole Weglächler, Buschkowsky als herzhafter Anpacker und motziger Problemansprecher - der Salon- und der Stammtischsozialdemokrat.

Wobei Wowereit Buschkowsky voriges Jahr noch abtat: Ein "Dorfschulze par excellence" sei der, also ein täppisch-provinzieller Politiker, dem das Air der großen weiten Welt fehle. Den Wählenden hat es gefallen: Buschkowsky ist am Tag nach der Wahl der einzige Sozialdemokrat Berlins, der mit fettem Behagen auf die Ergebnisse schauen kann.

Heinz Buschkowsky ist es in zehn Bürgermeisterjahren gelungen, das Image Neuköllns von arm-gefährlich-schmuddelig in lebenswert, cool und attraktiv zu verändern - ohne die Probleme dabei auszublenden. Wowereits Slogan "arm, aber sexy" ist in Buschkowskys Neukölln Realität und Programm. Auch bei vielen nicht deutschstämmigen WählerInnen kommt der Pragmatiker - einer der schärfsten Kritiker des dünkelhaften Thilo Sarrazin - gut an.

Und die jungen Künstler und Designer, die den Bezirk neuerdings entdeckt und dort preiswerten Wohn- und Arbeitsraum gefunden haben, huldigen ihm auf dem wöchentlichen Designermarkt am Maybachufer, mit dem der Bezirk ihnen ein Forum bietet, mit einem Fan-Shirt: "The Big Buschkowsky" steht darauf, neben einem stilisierten Porträt des Bürgermeisters. Buschkowsky - Kult in Neukölln.

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18 Kommentare

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  • A
    audio2000

    Buschkowsky als "schärfsten Kritiker von Sarrazin" zu bezeichnen nenne ich einfach nur Realsatire. Denn das genaue Gegenteil ist richtig.

    Die Ansichten von Buschkowsky und Sarrazin sind in der Integrationspolitik nahezu identisch.

     

    Buschkowsky hat deshalb einen fulminanten Wahlerfolg erzielt, weil er wie Sarrazin die Integrationprobleme offen anspricht (Kopftuchzwang bei Schülerinnen, lasche Justiz, fehlende Integrationbereitschaft von Migranten etc.)und keine politisch korrekte Verharmlosung betreibt.

     

    Nur das passt halt Feddersen und Wierthalt nicht ins Konzept....

  • HS
    Herwig Schafberg

    Der inflationäre Gebrauch von Rassismus-Vorwürfen gegen wen auch immer führt allmählich zu einer Abnutzung, Verharmlosung, wenn nicht gar Verschönerung des Begriffs Rassismus und wird dann keine abschreckende Wirkung mehr haben. Wenn das so weitergeht, wird es vermutlich bald eine Menge Leute geben, die sich selbst stolz als Rassisten bezeichnen.

  • L
    liona

    Zu Buschkowskys Rassismus siehe hier:

    http://akab.noblogs.org/post/2011/07/25/sarrazin-und-buschkowsky-zwei-seiten-einer-neurechten-medaille/

     

    Nicht zu vergessen die offenen Drohungen an migrationspolitische Vereine in Neukölln, ihnen den Geldhahn zuzudrehen, wenn sie sich öffentlich kritisch zu Buschkowskys Rassismus äußern.

  • H
    HAL

    Buschkowsky ist kein Sarrazin-Kritiker. Das ist einfach eine Lüge.

     

    Und an die versammelten Alt-Linken hier: die inflationäre Rassismus-Keule wird langsam langweilig. Und verhöhnt die Opfer des wirklichen Rassismus.

  • D
    Denis

    Eine sehr peinliche Lobhudelei auf Buschkowski. Und von wegen einer der schärfsten Kritiker von Sarrazin. Es gibt mehrere rassistische Aussagen von ihm, die Sarrazins sehr ähneln. Und wenn er Kreuzbergern, die diesen ekelhaften, verkappten rechten Rassisten und auch sonst sehr Antisozialen Menschen, nicht unwidersprochen bei sich noch herumstolzieren lassen, vorwirft das wären Zeichen einer mangelnden Zivilgesellschaft oder Zivilcourage...

  • D
    Denis

    Eine sehr peinliche Lobhudelei auf Buschhkowski. Und von wegen einer der schärfsten Kritiker von Sarrazin. Es gibt mehrere rassistische Aussagen von ihm, die Sarrazins sehr ähneln. Und wenn er Kreuzbergern, die diesen ekelhaften, verkappten rechten Rassisten und auch sonst sehr Antisozialen Menschen, nicht unwidersprochen bei sich noch herumstolzieren lassen, vorwirft das wären Zeichen einer mangelnden Zivilgesellschaft oder Zivilcourage...

  • B
    Bernhard

    Das versteh ich nicht. Buschkowsky ist kein böser Rechtspopulist? Und das bei den Maßstäben, die die taz sonst anlegt?

  • R
    RMS

    Durch das ist ständige Wiederholen von Behauptungen (“rassist“ usw) wird diese nicht wahrer. Und offenbar fruchtet dass auch bei den leuten nicht. Er ist zu Recht beliebt.

  • GG
    Günter Gruse

    Der populistische Selbstdarsteller Buschkowski verkörpert für mich nur die bürgerlich verbrämte Ausländerfeindlichkeit weiter Teile der Berliner (und nicht nur der Berlin) Bevölkerung. Ich frage mich, ob die Zerrbilder und Halbwahrheiten des Buschkowski - wie auch die angebräunte Gehirnscheisse seines Bruders im Geiste: Thilo Sarrazin - nicht gefährlicher für unsere Demokratie sind, als die gehirnlosen Boneheads von der NPD.

  • L
    Lars

    @Timbor

     

    Der Punkt ist aber, dass seit dem Mauerfall in Deutschland Afrikaner aus rassischten Gründen umgebracht wurden.

     

    Nenne Sie mir bitte einen Fall, wo "Nueköllner" (nennen Sie es von mir aus anders) einen Juden umgebracht haben.

     

    Ich warte.

  • P
    Peter

    Welche Kommune in Deutschland hat einen solchen Medienstar als Bürgermeister aufzuweisen? 42.8% der Neuköllner wollen darauf auch zukünftig nicht verzichten.

     

    Die Probleme in der realen Neuköllner Bezirkspolitik haben dabei kaum eine Rolle gespielt. Hier sind ein sachlicher und kooperativer Arbeitsstil und konsequenter Einsatz der begrenzten finanziellen Mittel für die Ziele Bildung und Integration gefordert.

     

    Wird Buschkowsky nun zum uneingeschränkt herrschenden Patriarchen von Neukölln?

     

    Auf respektvollen Umgang mit den eigenen Mitarbeitern und mit den gesellschaftlich und politisch engangierten Menschen im Bezirk sollte man nicht verzichten, auch wenn man sich riesengroß und immer im Recht fühlt. Auch wenn man meint, Bezirksgelder nach Laune und auf Grund persönlicher Beziehungen oder Parteizugehörigkeit verteilen zu können und sich vor niemand rechtfertigen zu müssen, so ist es doch besser, das Wohl des Bezirks immer an die erste Stelle zu setzen.

    Bürgerbeteiligung, Transparenz (willkommen in der Neuköllner Realität, Piraten!) und eine zielorientierte und nachhaltige Haushaltsführung sind die wichtigsten Dinge, die vom Neuköllner Bürgermeister (auch von seinen Genossen) eingefordert werden müssen.

     

    Dass die NPD nicht mehr ins Rathaus gekommen ist, ist sehr erfreulich. Ein Dankeschön an das Berliner Wahlgesetz!

  • K
    Kaboom

    Ihre Analyse in allen Ehren, aber Buschkowsky ist der bei weitem bekannteste Bürgermeister dieses Landes. Der Mann tingelt von Talkshow zu Talkshow und ist vermutlich öfter unterwegs als zuhause in Berlin. Buschkowsky ist im letzten Jahr so oft in Talkshows gewesen, da könnte man glatt auf die Idee kommen, dass Zustände, wie in den problematischen Teilen Berlin-Neuköllns normal für dieses Land seien.

    Aber genau darum ging es ja auch, nicht?

  • K
    kto

    @ Neuköllner:"...Beliebtheitsgrad des durch rassistische Sprüche auffallenden Bezirkspatriarchen".

     

    Hab doch ein bißchen Mitleid mit Buschi - vielleicht hat er zu lange bei einem seiner Amtskollegen auf der Coach gesessen und sich dessen "rassistische Sprüche" angehört?

     

    Kostprobe:

     

    "Wer die Werte einer offenen Gesellschaft wie der unseren nicht teilt, täte gut daran, daraus die Konsequenzen zu ziehen und fortzugehen."

     

    Kollege Ahmed Aboutaleb, den Buschkowsky vor einiger Zeit besuchte, um die Migrationsprobleme in dessen Stadt besser kennenzulernen, ist Muslim, Sozialdemokrat, in Marokko geboren und Bürgermeister von Rotterdam.

     

    Die "Rassisten" sind offenbar schon ganz nach oben und bis in die Reihen der Allochthonen vorgedrungen. Gibt noch viel zu tun für dich, Neuköllner!

     

    http://www.welt.de/die-welt/debatte/article6656639/Das-Unbehagen-der-Niederlaender.html

  • T
    Timbor

    @Franzl:

    "Dass die USA ihre farbigen Bürger vor den ostberliner Bezirken + ganz Ostdeutschland warnt, weil dort rassistische Beschimpfungen und Angriffe keine Seltenheit sind, wird bei der Migrantendebatte völlig außen vor gelassen."

    Genau so wie die Tatsache, dass du äußerlich erkennbar als Anhänger des jüdischen Glaubens dich nicht mehr durch bestimmte Bezirke Neuköllns trauen kannst. Da wirste dann von eben jenen Migranten (nicht von irgendwelchen Glatzkopf-Nazis) angefeindet und angegriffen!!! Aber dafür muss man dann immer Verständnis haben und darf am besten gar nix sagen, schließlich unterdrücken ja die Israelis die Palästinenser im Nahen Osten. Und somit ist es eine Provokation und selbst schuld. Ganz klar...

  • CK
    Christian Kölling

    Trüge der Artikel nicht schon die Überschrift "The Big Buschkowsky" würde ich: "Ode an Heinz Buschkowsky" titeln.

    Unverständlich für mich nur, dass es in Neukölln immer noch Leute geben soll, die gelegentlich "Taz-Leser" und "Steinewerfer" in einen Zusammenhang bringen.

  • F
    Franzl

    Der Heinz Buschkowsky spielt gezielt die Rolle des moderaten Migranten- und Islamkritikers. In dem er die Verhältnisse in Neukölln übertrieben darstellt, steigert er sein Ansehen als "Harter Hund". Dass die USA ihre farbigen Bürger vor den ostberliner Bezirken + ganz Ostdeutschland warnt, weil dort rassistische Beschimpfungen und Angriffe keine Seltenheit sind, wird bei der Migrantendebatte völlig außen vor gelassen. Wenn sich aber der Deutsche als Minderheit fühlt ist Schluss mit Lustig und man verlangt nach strengeren Gesetzen. Ich kenne dunkelhäutige Menschen die sich nicht einmal getrauen eine Wohnung oder ein Haus im Berliner Umland zu mieten bzw. zu kaufen, da sie keine Lust haben auf unseren deutschen Alltags-Rassismus. Hier wäre auch einmel eine Art >Heinz Buschkowsky< wünschenswert.

  • A
    Arend

    Einer der schärfsten Kritiker des "dünkelhaften" Thilo Sarrazin? Weshalb dann die 5.000,- € Spende von Sarrazin? Im Gegenteil, Heinz Buschkowsky hat sich für den Verbleib von Thilo Sarrazin in der SPD eingesetzt und er wusste weshalb.

    Auch das hat ein Rolle gespielt beim schlechten Abschneiden der SPD in Charlottenburg-Wilmersdorf.

  • N
    Neuköllner

    Hui, die Autoren gehören entweder selber zur weißdeutschen Kolonie in Nordneukölln und waren noch nie ausserhalb dieser oder kennen Neukölln an sich nicht. Allein die Tatsache, dass viele Neuköllner Bürger immer noch nicht wählen dürfen, konterkarriert den unterstellt hohen Beliebtheitsgrad des durch rassistische Sprüche auffallenden Bezirkspatriarchen. Das dies in anderen Medien hinten runterfällt, mag nicht überraschen, in der TAZ tut es dies jedoch. Danke für den blöden Mainstream, dessen Politikanalyse nicht weiter als bis vor die eigene Haustür geht. Arme TAZ.