Revolution in Syrien: Zwei Journalisten sterben in Homs
Die Kriegsreporterin Marie Colvins und der Fotojournalist Remi Ochlik wurden von Granaten getötet. Bereits am Dienstag starb der Videoblogger Rami al-Sayyed.
BEIRUT taz | "Heute habe ich ein kleines Baby sterben sehen. Absolut schrecklich. Wohngegenden stehen unter permanentem Beschuss von Granaten, Raketen und Panzern, unnachgiebig." Dies waren die letzten veröffentlichten, am Dienstag von der BBC gesendeten Worte von Marie Colvin.
Die 54-jährige, die seit über zwei Jahrzehnten für die britische Sunday Times aus Kriegsgebieten berichtete, starb am Mittwoch, ebenso wie der erfahrene 28jährige französische Fotojournalist Remi Ochlik, als Granaten der syrischen Armee in ihr Versteck in einem Wohnhaus in Homs einschlugen.
Bereits am Dienstag starb der syrische Bürgerjournalist und Videoblogger Rami al-Sayyed, als er im vom Regime befreit deklarierten Homser Stadtteil Bab Amro eine Familie zu einem improvisierten Krankenhaus fuhr und dabei von einer Granate der syrischen Armee getroffen wurde.
Seit Wochen hatte er aus der belagerten Stadt berichtet und anhand von Videos die Gräueltaten des Regimes offengelegt. Das letzte Video auf al-Sayyeds Kanal "syriapioneer" auf youtube zeigt seine Leiche. Sein Bruder hatte das Video hochgeladen. Zuvor hatte al-Sayyed in einem Video seinen Tod antizipiert.
"Erster Entwurf des Zeitgeschehens"
Marie Colvin war eine vielfach ausgezeichnete Kriegs- und Krisenberichterstatterin der britischen Sunday Times, die sich vor allem mit Kriegsverbrechen gegen Frauen und Kinder beschäftigte. Sie bereiste seit über zwei Jahrzehnten Konfliktregionen von Jugoslawien über Tschetschenien und Sri Lanka. Oft ließ sie sich in die unruhigen Regionen, wie auch jetzt nach Homs, einschmuggeln, um die Zensurbemühungen der Staaten und der Kriegsparteien zu umgehen.
2001 verlor sie ein Auge, als sie in Sri Lanka über die tamilischen Unabhängigkeitsbestrebungen berichtete. Später beschrieb sie, dass sie bereit gewesen sei, diesen Preis zu zahlen, da die Öffentlichkeit ein Recht habe, den "ersten Entwurf des Zeitgeschehens" zu lesen, den nur frei agierende Journalisten erstellen könnten.
Da die syrische Regierung die letzten Journalistenvisa während der Reise der Beobachtermission der Arabischen Liga Anfang des Jahres ausgab und an der syrisch-libanesischen und der syrisch-türkischen Grenze derzeit nicht einmal Touristenvisa erhältlich sind, versuchen einige westliche Journalisten, sich nach Syrien schmuggeln zu lassen.
Aus gut informierten Kreisen in Beirut heißt es, dass die Schmugglerbanden, die in der nordlibanesischen Stadt Triopli agieren, bereits eine Warteliste für Journalisten hätten, die oder deren Redaktionen bereit seien, bis zu 5.000 US-Dollar für die einstündige Autofahrt in den Krieg zu bezahlen. (mit afp/rtr)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt