Religionen: "Zeigen, dass Religion keine Gewalt toleriert"
Junge Muslime, Christen, Juden und Bahai stellen am Samstag einen gemeinsamen "Code of Ethics" vor. Interview mit der Projektkoordinatorin Sawsan Chebli.
taz: Frau Chebli, wie gut klappt das friedliche Zusammenleben der Religionen in Berlin?
Sawsan Chebli: Besser, als es in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Natürlich läuft manches falsch, es gibt Vorurteile, die die Wahrnehmung negativ prägen. Aber in den vergangenen Jahren sind sehr viele gute interreligiöse Projekte entstanden. Gewalttaten wie jetzt der Überfall auf den Rabbiner sind natürlich eine harte Belastungsprobe.
Heute präsentieren Jugendliche verschiedener Religionen einen gemeinsamen „Code of Ethics“. Wie kam es dazu?
32, Politikwissenschaftlerin, ist Grundsatzreferentin für interkulturelle Angelegenheiten in der Senatsinnenverwaltung.
Die Idee entstand im Rahmen des von der Senatsinnenverwaltung geförderten Projekts JUMA – „jung, muslimisch, aktiv“. Die jungen Muslime, die sich bei Juma für die Akzeptanz ihrer Religion stark machen, wollten aber nicht mehr unter sich bleiben, sondern auch mit jungen Angehörigen anderer Religionen diskutieren. So entstand JUGA – „jung, gläubig, aktiv“. Gemeinsame Aktionen sollen nun zeigen, dass Religion nicht rückwärtsgewandt ist, keine Gewalt toleriert, sondern, richtig verstanden, dazu aufruft, offen und friedlich zu sein und andere anzuerkennen.
Wie viele machen mit?
Etwa 80 Muslime und 20 aus anderen Religionen.
Warum keine Religionslosen?
Unser Projekt richtet sich an Jugendliche, für die Religion einen wichtigen Bestandteil ihrer Identität bildet. Für sie gibt es wenige Plattformen, wo sie sich austauschen können. Aber es sollen auch Menschen angesprochen werden, die nicht religiös sind.
Diskutieren die Jugendlichen auch solche Vorfälle wie den Überfall auf den Rabbiner?
Natürlich wird diskutiert, und natürlich geht das nicht immer konfliktfrei, wenn man junge Leute verschiedener Religionen hat, von denen sich jede als einzig wahre sieht. Wir haben professionelle Trainer, die die Gruppe betreuen und moderieren. Nach dem Angriff hat mich eine junge Muslima aus der Gruppe angerufen und gesagt: Wir müssen etwas tun. Das ergab sich für sie auch aus dem Code of Ethics. Nach dem Angriff auf eine jüdische Schule in Toulouse im März haben die Jugendlichen eine jüdische Gemeinde besucht, um Solidarität zu zeigen.
Was beinhaltet denn der Code?
Es sind sieben Codes: Gerechtigkeit, Empathie, Verantwortung, Vergebung, Offenheit, Respekt und Wissen. Zu jedem erzählen die Jugendlichen persönliche Geschichten.
Wie werden Sie das auf dem Schlossplatz präsentieren?
Wir haben auf einer Großleinwand ein Gruppenbild, auf dem sich 30 Jugendliche darstellen, denen man die religiöse und ethnische Vielfalt ansieht. Ein Platz auf dem Bild ist frei: Die Besucher sollen sich dazustellen, Teil der Aktion werden und so die Vision eines respektvollen Zusammenlebens unterstützen. Am 20. Oktober wollen wir die Aktion mit einer großen Konferenz über den Code of Ethics beenden.
Erreichen Sie damit auch die, die lieber zuschlagen?
Es gibt in allen Religionsgemeinschaften Menschen, die Gewalt mit ihrer Religion rechtfertigen. Natürlich wollen wir auch die erreichen. Viele junge Muslime in Berlin hatten noch nie Kontakt zu Juden – und umgekehrt. Da muss Aufklärung geleistet, Kontakt hergestellt werden. Die Jugendlichen, die sich bei uns engagieren, sind hervorragende Vorbilder.
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