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Reaktionen auf Entlassung Röttgens„Bauernopfer“ der Regierung Merkel

Nach der Entlassung von Norbert Röttgen mehrt sich die Kritik an Merkels Entscheidung – auch in der CDU. Die Opposition wertet den Rauswurf als Verzweiflungsakt.

Dunkle Wolken ziehen auf: Harsche Kritik an Merkels Ministerentlassung. Bild: dpa

BERLIN/HANNOVER dapd/dpa/rtr/afp | Nach dem Rauswurf von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) rumort es in der CDU von Kanzlerin Angela Merkel. Vor allem aus dem größten Landesverband Nordrhein-Westfalen, der mit Röttgen als Spitzenkandidat ein Wahlfiasko erlebt hatte, kam Kritik an der harten Vorgehensweise der Parteichefin.

CDU-Landtagsfraktionschef Karl-Josef Laumann sagte am Donnerstag in Düsseldorf: „Ich verstehe nicht, dass Norbert Röttgen bis Sonntagabend 18 Uhr als der hervorragende Umweltminister galt, der er war, und heute entlassen wird.“

Auch der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach reagierte mit Unverständnis. Er sagte dem Kölner Stadt-Anzeiger: „Wenn jemand am Boden liegt, muss man nicht noch drauftreten.“ Bei Anne Will sprach Bosbach über sein Telefonat mit Röttgen kurz nach der Entlassung: „Röttgen habe es offensichtlich durch die Medien erfahren, dass er entlassen wird. So habe ich ihn verstanden.“ Der Unions-Obmann im Bundestags-Umweltausschuss, Josef Göppel, sagte der dpa: „So darf man in einer Partei mit dem C im Namen nicht miteinander umgehen.“

Bundestagspräsident Norbert Lammert nannte Merkels Entscheidung bedauerlich für Röttgen, das Ministerium und die CDU. „Ich hätte mir eine andere Konstellation gewünscht“, sagte Lammert am Mittwochabend am Rande einer CDU-Veranstaltung in Erfurt. Er habe Röttgen hoch angerechnet, dass er direkt nach dem CDU-Wahlfiasko in Nordrhein-Westfalen als Landesvorsitzender zurückgetreten sei und so den Weg für einen Neuanfang des Landesverbandes freigemacht habe.

Entlassung als Zeichen der Schwäche

Die Opposition wertete Röttgens Entlassung als Ausdruck der Dauerkrise der schwarz-gelben Koalition. Von Verzweiflungsakt und Gnadenlosigkeit war die Rede. Die SPD betitelte Röttgen als „Bauernopfer“ der Regierung Merkel. Die Kanzlerin habe sich damit selbst vor Kritik schützen wollen, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann am Donnerstag in Berlin.

„Die Entlassung ihres ehemaligen Vertrauten ist ein Zeichen der Schwäche. Angela Merkel gesteht damit ein, wie schlimm es um die Regierung steht“, sagte Oppermann. Bei genauer Betrachtung stelle man fest, „dass die Mehrzahl von Merkels Ministern mit ihren Vorhaben nicht vorankommen“. Die Probleme dieser Regierung seien strukturell und hingen nicht an einzelnen Personen.

Merkels Verteidiger

CSU-Chef Horst Seehofer, dessen harsche Attacke gegen Röttgen manche als einen Auslöser für die Entlassung sehen, sagte in der ARD zur Entscheidung der Kanzlerin: „Nach all dem, was sie mir gesagt hat, bestand Handlungsbedarf.“

Auch der niedersächsische Umweltminister Stefan Birkner trägt die Entlassung seines Amtskollegen im Bund, Norbert Röttgen (CDU), mit. „Einen Neuanfang im Bundesumweltministerium halte ich für konsequent“, sagte der FDP-Politiker am Mittwoch. Neben der Energiewende stehe auch das Thema Endlagersuche ganz oben auf der Agenda. Beide Themen seien für Niedersachsen von besonders hoher Bedeutung.

Reaktionen außerhalb der Politik

Die gemeinnützige Organisation Germanwatch kritisierte Merkels Entscheidung. „Röttgens Entlassung kommt zur Unzeit“, sagte ihr Geschäftsführer Christoph Bals in Bonn. Beim Umweltgipfel in Rio und in der EU stünden wichtige Entscheidungen an. Es dürfe nicht sein, dass Deutschlands Position „durch die Einarbeitungsphase des neuen Umweltministers geschwächt wird“. Deshalb solle die Kanzlerin sich selbst mit vollem Einsatz für die Klimaziele engagieren.

Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg hingegen sieht in Röttgens Ausscheiden „eine Chance, endlich die Energiewende zu forcieren und die überfällige Atommülldebatte offen und nicht taktisch zu führen“, wie ihr Sprecher Wolfgang Ehmke sagte. Ein wichtiger erster Schritt müsse die Aufgabe Gorlebens als potenzieller Standort für ein Atommüll-Endlager sein.

Merkel hatte Röttgen am Mittwoch - drei Tage nach dem CDU-Absturz bei der NRW-Wahl - gefeuert. Es war die erste Ministerentlassung in ihrer siebenjährigen Kanzlerschaft. Als neuer Umweltminister soll nun Unionsfraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier (CDU) die stockende Energiewende voranbringen.

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15 Kommentare

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  • HS
    Hari Seldon

    @waage:

     

    1. Bitte, ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich irgendwann eine 100%-ige Umstellung auf Atomkraft vorgeschlagen hätte.

     

    2. Bitte, klären Sie uns auf: Warum gibt es Atomhysterie nur in Deutschland? Wören die Grünen&Co in Deutschland im Besitz der einzigen und absoluten Wahrheit, und wären alle anderen Völker und Länder ohne Atomhysterie dumm, blöd, usw.?

     

    3. Sie haben noch die importierte Öl und Gas vergessen. Die bekannten Uranvorkommen könnten die Energiebedarf der Menscheit ca. noch 600 Jahre lang sichern. Eine Atomare Endlager ist eher eine politische als technische/fachliche Frage.

     

    4. Ganz Europe ist voll mit AKWs, und es ist sehr unwahrscheinhlich, dass andere europäischen (mitteleuropäischen) Länder die AKWs wegen der Atomhysterie in Deutschland aufgeben würden. Die Bevölkerungsdichte in China, India, usw. ist "etwas" höher als in Deutschland: Trotzdem werden AKW betrieben und gebaut.

     

    5. Bei der Atomkraft geht es um hauptsächlich um Macht. Es ist kein Zufall, dass die Atommächte keine neuen Atommächte dulden wollen (s. zum Beispiel der Fall von Iran). Zur Pseudoreligion Anti-AKW Bewegung, bitte, erlauben Sie mir eine Analogie. Vielleicht haben Sie schon von den Demonstrationen gegen Mutlangen, Atomraketen, usw. gehört. Damals war ich noch zu jung, und habe den Sachverhalt nicht verstanden. Dann kam die Wende in Osteurope, und auch einige sowjetischen Prominente haben Memoiren veröffentlicht. Ein ehemaliger KGB-General hat auch die Demonstrationen damals in Deutschland in seinem Buch erwähnt. Es hat sich herausgestellt, dass damals die Sowiets keine effektive Verteidigung gegen die atomaren Mittelstreckenraketen gehabt haben. Dann hat die KGB die Aufgabenstellung erhalten, dass man "geeignete" Gegenmaßnahmen finden sollte. Eine solche Maßnahme war die Mitwirkung bei Grossdemonstrationen gegen die Pershing-Raketen. Wissen Sie wie der ehemalige KGB-General die Demonstranten bezeichnet hat: "nützliche Idioten". Viele ehrliche Menschen wurden für fremde Interessen manipuliert. Es hat sich herausgestellt, dass die KGB bei der Initiierung der Demonstrationen sehr aktiv dabei war. Es wäre auch sehr interessent zu Wissen, welche Interessenlage hinter der Pseudoreligion "Anti-AKW-Bewegung" steht, und wer manipuliert wieder viele ehrliche Menschen? Hier geht es ganz sicher nicht um die Interessen von Deutschland, und der Bevölkerung in Deutschland.

  • W
    Waage

    @Hari Seldon,

     

    für alle Zukunft nur auf Atomkraft und Importkohle zu setzten ist dann doch

     

    a) einfallslos

    b) sehr kurzsichtig weil letztlich wesentlich teurer

     

    Wie groß sind denn die Uranvorkommen in Deutschland?

    Wie teuer wäre das Uran auf dem Weltmarkt wenn Deutschland voll auf Atomkraft (50-70 Akw) gesetzt hätte?

    Wie groß wäre dann das Entsorgungs- und die Sicherheitsprobleme im dicht besiedelten Mitteleuropa?

     

    ???

     

    Herr Seldon, Sie prangern (z.T. mit Recht) ideologische Engstirnigkeit an und sind dabei selbst ein Ideologe wie er im Buche steht!

  • HS
    Hari Seldon

    @isomatte: Die Zahlen (Preise) sprechen eine andere Sprache. Ökostrom ist nicht marktfähig, und ohne Subventionen (bezahlt durch die ganze Bevölkerung!) wären auch nicht überlebensfähig. Die Zahl der Nutznießer ist relativ gering, und durch die garantierten (und nicht marktkonformen) Einspeisungspreisen sahnen Extraprofit ab. Hier geht es eigentlich um ein Pyramidspiel und Ausschüttung der EEG-Umlagen für wenigen. Otto Normalverbraucher nur bezahlt, bezahlt, und nochmals bezahlt. Ganze Industriezweige (zum Beispiel die Solarzellenindustrie) hauen nach China ab: Dort sind die Energiepreise ca. 50% niedriger als hierzulande (es gibt kein EEG, es gibt keine Pseudoreligion gegen Atomstrom, usw.).

  • B
    bajuwarix

    wer sich in gefahr begibt, kann darin umkommen. Röttgen wußte doch vorher worauf er sich einließ und wie die subjekte aus der zone nun einmal zicken. da muß man dann eben mit leben wenn es schief geht.

  • C
    cba

    Da will mir nichts mehr einfallen. Ausgerechnet der Seehofer. Dieser Fremdschläfer im chritlichem Deckmantel, der seiner Partei das schlechteste Wahlergebnis seit 50 Jahren mit 18% Verlust verursacht hat. Dieser Mensch brüllt am lautesten. Am Röntgen Stelle würde ich mir eine neue Partei suchen.

  • DG
    Dirk Gober

    Die sog. "Opposition" scheint wohl ausschließlich aus paranoiden Insassen mit Kurzzeitgedächtnisverlust zu bestehen.

    Es ist kaum ein paar Tage her, da gröhlten diese unglaubwürdigen Politclowns herum, Röttgen sei nun auch als Umweltminister nicht mehr tragbar, Merkel solle ihn feuern, und heute zeihen sie sich selbst nonchalant der Lüge und "kritisieren" eben jene von ihnen selbst geforderte Entlassung.

    Halten diese parasitären Lebensformen ihre Wähler wirklich für so bescheuert oder sind sie einfach nicht in der Lage zu erkennen, was sie herumbrabbeln?

     

    Über die NRW-Mutter Beimer, diese Finanz-Griechin der deutschen Politik, möchte man lieber nicht nachdenken...aber wenn das die neue Hofnungsträgerin der SPD ist, kann (die dann ewige) Merkel schonmal den Sekt kalt stellen.

  • A
    Aldo

    Seit 30 Jahren , nämlich der geistig moralisch Wende der Kohl Regierung wird die BRD alten und neuen Typs von Kräften gelenkt , die nicht in der Lage sind eine Politik für die Mehrheit der Bevölkerung zu machen. Stattdessen wird eine Politik für eine Minderheit nämlich die Banken, Großkonzerne und Großaktionäre gemacht.

    Wie konnte es kommen, das in einem der reichsten Länder der Welt so viel Angst vor mehr Gerechtigkeit , nämlich Zugang ALLER Bevölkerungsschichten zu dem großen gesellschaftlichen Reichtum Deutschlands verwehrt wird?

  • I
    isomatte

    mein Gott, wie blind sind diese Leute, die stets behaupten, irgendeine Lobby sahnt ab bei den erneuerbaren Energien und die Armen dürfen nur dafür blechen!

     

    Ist es so schwer zu sehen, wie teuer Atomstrom auf Dauer für uns alle ist und dass er für kommende Generationen noch viel teurer werden wird!? Erfolgreiche Gehirnwäsche auf ganzer Linie!

  • M
    markus

    Die "Königin" wird dem Bauern folgen: welcome Francois, adios Angela :-)

    PS: Die SPD sollte schnell ihr Personal sortieren, damit klar ist, wer Merkel Paroli bietet. Ich bin für die neue Kraft ( Hannelore ). SPD, Grüne & notfalls auch Piraten sollten sich schnell "regierungsfit" machen. DIE LINKE wird als linkssozialistische Oppositionspartei gebraucht. Übergangsweise eher mit Lafontaine, als mit Bartsch. Eine zweite "SPD light" braucht keiner.

  • HS
    Hari Seldon

    @D.J.: Sie haben Recht. Die sogenannte "Energiewende" ist nicht mehr und weniger, als das Abkassieren der Bevölkerung für die Extraprofit von sehr wenigen Nutznießern. Die ganze Pseudoreligion "Energiewende" ist nicht mehr und weniger, als das ideologische Tam-Tam für die Tarnung der Absahnen. Was für Energiewende will Deutschland? Deutschland ist ohne Gas/Öl, die Kohlevorkommen sind begrenzt, Wasserkraftwerke gibt es hierzulande nur sehr wenig. Die Sonne und Wind sind nur begrenzt im Dienst. Was bleibt: Nur Atomkraft hier in Deutschland oder als Import. Die pseudoreligiösen Gläubiger sollten die Herstellkosten+Margin für Ökostrom bezahlen (und nicht die Bevölkerung durch EEG, usw.), und diese Gläubiger sollten Strom nur dann erhalten, wenn Ökostrom wirklich zur Verfügung steht. Dann würde die Begeisterung und die presudoreligiöse Eiferkeit etwar zurückhaltender sein. Es ist schon die höchste Zeit, dass die Bevölkerung von dieser Pseudoreligion sich befreien sollte.

     

    Röttgen:

     

    1. Der gute Mann hat ausser heißes Luft noch nicht allzu viel produziert.

     

    2. Landespolitik ist lokale Politik. Für solche Aufgaben braucht man Politiker, die vor Ort verwurzelt sind, und nicht hochfliegende Berufskarrieristen. Der Markt (das Volk) hat gezeigt, wie der wahre politische Marktwert von Herrn Röttgen aussieht.

     

    3. Mit Pseudogrün-Politik kann die CDU nie erfolgreich sein.

     

    Die traurigste ist in der Geschichte, dass Frau Kraft auch eine ausgesprochene Niete ist. Und gegen eine Niete ein solches Ergebnis ist wirlich eine Blamage. Die Frau Kraft konnte innerhalb ein Paar Monaten aus einem Geberland ein Nehmerland machen: Es war ein wirklicher "Achtungserfolg"....

  • JK
    Juergen K.

    Roettgen hat

     

    "über Merkels Sparkurs"

     

    abstimmen lassen.

     

    Sich jetzt an der Energiewende abzuarbeiten

     

    ist witzlos.

    Die Regierung Merkel muss weg !

  • HH
    Hergen Hillen

    Theater in NRW

     

    1. Akt

    NRW - Norbert Röttgen wählen!

    2. Akt

    NRW - Nicht Röttgen wählen!

    3. Akt

    NRW - Norbert Röttgen wirkungslos!

    4. Akt

    NRW - Norbert Röttgen wegwerfen!

  • G
    Gerda

    Ein erstaunlich radikaler Wandel in der CDU! So kenne ich die CDU gar nicht. Bis heute hat die CDU bei Kritik und Verlusten ihre Spitzenpolitiker und Minister immer verteidigt und immer in Schutz genommen. Jetzt aber trennt sich die CDU quasi über Nacht von ihren Ministern!

     

    Das kenne ich nur von der SPD, die sich immer blitzschnell von ihren Spitzenpolitikern und Ministern getrennt hat.

     

    Nicht Norbert Röttgen wurde in NRW zurückgewiesen und abgewählt, sondern das CDU-Programm selbst wurde von der Mehrheit der Bevölkerung in NRW abgelehnt und daher auch nicht gewählt.

  • BM
    Bodo Menschenfreund

    Man hört es auch munkeln, dass Röttgen das Ministerium mit einer Art Entscheidungsprozesse verzögernden Filteranlage ausgestattet habe, das aus persönlichen Freunden auf den oberen Posten bestehe. Ist da was dran?

  • D
    D.J.

    Ein Bauernopfer aufgrund der nur mit enormen Kosten verbundenen chaotisch-hysterischen Energiewende - die zur weiteren Verarmung von Geringverdienern beitragen wird (nicht dass das die grünen Gutverdiener_inninnen je interessiert hätte und interessieren würde).