Rassismus-Vorwurf an der Uni Leipzig: E-Mail-Wechsel mit unschöner Note
Eine Leipziger Professorin hat einem indischen Bewerber eine Absage für ein Praktikum erteilt. Die Form, die sie dafür wählte, sorgt für Kritik.
LEIPZIG taz | Die Universität Leipzig sieht sich mit einem Rassismus-Vorwurf konfrontiert. Eine Professorin hatte eine Praktikums-Bewerbung eines indischen Studenten abgewiesen, mit einer eigentümlichen Begründung. Die E-Mail der Biochemie-Professorin Annette Beck-Sickinger klingt eindeutig: „Leider biete ich männlichen indischen Studenten keine Praktikumsplätze an. Wir hören hier viel über das Vergewaltigungsproblem, was ich auf keinen Fall unterstützen kann. Gerade weil ich Studentinnen in meinen Kursen habe, kann ich eine derartige Einstellung nicht unterstützen.“
Dies schrieb die Hochschullehrerin am Wochenende einem indischen Studenten, der sich wie viele andere auf ein Laborpraktikum beworben hatte. Schnell stellte sich heraus: Die Worte sind wirklich gefallen, fraglich nur in welchem Zusammenhang, ob als erste Reaktion oder im Rahmen eines weiterführenden E-Mail-Wechsels.
Für ihre Wortwahl entschuldigte sich Beck-Sickinger später. Über die Universitätsleitung ließ sie mitteilen, sie sei „alles andere als rassistisch und fremdenfeindlich eingestellt“. Der eigentliche Grund der Absage für das Praktikum liege darin, dass es einfach keine Plätze mehr gebe. Die Mail, wie sie nunmehr dargestellt wird, sei in der Form verfälscht, dem Kontext enthoben. Denn im weiteren Mailverlauf habe es eine Diskussion um „das Problem der Vergewaltigungen von Frauen in Indien gegeben“.
Die Aussagen aus dem E-Mail-Austausch tauchten Montagvormittag im amerikanischen Online-Portal Quora auf. Schnell verbreiteten sie sich im Netz. Der anonyme Verfasser veröffentlichte einen Screenshot von Beck-Sickingers Antwort, ein weiterer unbekannter Autor eine Nachfrage an die Professorin, infolge derer sie auf das Problem der Verallgemeinerung eingeht. Darin betont sie, dass ihre Argumentation natürlich nicht für den Einzelfall gilt. Doch Beck-Sickinger legt auch nochmal nach, schreibt von vielen Professorinnen in Europa, die aufgrund der Probleme der indischen Gesellschaft nun „Konsequenzen“ ziehen müssten.
„Aber sowas ist Rufmord“
Die Kommentare unter dem Foreneintrag finden schnell eine Bezeichnung für ihre Argumentation. Diese sei sexistisch und rassistisch. Manche User fordern Proteste gegenüber der Universität Leipzig und sogar der deutschen Regierung. Mehrere indische Medien berichten über den Fall. Der deutsche Botschafter in Neu Delhi veröffentlichte seinen Protest via Twitter.
Gegenüber der taz sagte Beck-Sickinger: „Ich glaube, der Student war einfach sauer und wollte sich rächen. Aber sowas ist Rufmord“. Wichtig sei ihr zu betonen, dass sich ihr Vorwurf erst im Laufe der E-Mail-Konversation bildete und nicht direkt am Anfang stand. Den gesamten Austausch – er könnte Klarheit bringen – möchte sie jedoch nicht veröffentlichen.
Dass der Briefwechsel problematisch ist, schwante wohl auch Rektorin Prof. Beate Schücking, die sich in den Fall einschaltete. Sie begrüßte die Entschuldigung, mit der Beck-Sickinger „den richtigen, Missverständnisse ausschließenden Weg eingeschlagen“ habe. Weiterhin betonte sie, dass die Universität weltoffen und dort „für rassistische Gedanken und Äußerungen kein Platz“ sei, später wurde auch eine englischsprachige Pressemitteilung veröffentlicht.
Die Sache kam zeitlich äußerst ungelegen, denn am Montag Abend ging auch der Leipziger Pegida-Ableger Legida wieder auf die Straße. Dessen erste Demonstration am 8. Januar hatte Schücking mit Verweis auf „fremdenfeindliche, nationalistische und sexistische Positionen“ sowie „diffuse Ängste“ deutlich kritisiert. Wie sie damals weiter ausführte, benötigten die Leipziger Hochschulen „auch zukünftig den freien Austausch von Gedanken und die in unserer Stadt herrschende offene Atmosphäre, die eine angstfreie Beschäftigung mit dem Neuen möglich macht und Menschen aus aller Welt fasziniert.“ Unter indischen Studenten könnte diese Faszination nun einbüßen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers