Pussy Riot verurteilt: Rebellinnen müssen ins Straflager
Zwei Jahre Haft bekommen die Musikerinnen von Pussy Riot. Sie sind des „Rowdytums“ aus religiösem Hass schuldig gesprochen worden. Ihre Anwälte kündigen Revision an.
MOSKAU taz | Das Chamowniki Gericht in Moskau sprach die drei Frauen der Punkband Pussy Riot wegen Rowdytums schuldig. Sie hätten aus Motiven religiösen Hasses gehandelt, als sie am 21. Februar in der Moskauer Christi Erlöser Kirche ein Punkgebet veranstalteten.
Es sei eine „sorgfältig geplante“ Aktion gewesen, mit der sie die öffentliche Ordnung bewusst verletzt hätten, verlas die Richterin Marina Syrowa, die in ihrer Begründung fast wortwörtlich der Anklage der Staatsanwaltschaft folgte.
Die drei Frauen zwischen 20 und 30 Jahren wurden zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt. Damit blieb die Richterin beim Strafmass ein Jahr unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Auch Putin hatte in der letzten Woche für ein etwas „milderes“ Urteil plädiert.
Die drei jungen Frauen hatten in dem Gebet in der Moskauer Kathedrale vor den Präsidentschaftswahlen die Gottesmutter um Hilfe gebeten, eine Wiederwahl Wladimir Putins in den Kreml zu verhindern. Mit Strickmasken und in bunten Kleidern tanzten sie 40 Sekunden im Altarraum, bevor sie von Ordnungskräften aus der Kirche geworfen wurden. Was andernorts höchstens mit einer Ordnungsstrafe geahndet würde, brachte Nadeschda Tolokonnikowa, Maria Alochina und Jekaterina Samuzewitsch mehr als zwei Jahre Haft ein.
Die Inhaftierten lächeln
Als die Richterin den Schuldspruch verlas, schauten sich die Inhaftierten lächelnd an. Selbst die Handschellen waren den Angeklagten, die in einem Käfig saßen, vor der Urteilsverlesung nicht abgenommen worden, als handele es sich bei ihnen um Kapitalverbrecher. Die Anwälte der Frauen kündigten an, in Revision zu gehen. Nach Aussagen der Verteidigung hatten sich die Angeklagten innerlich auf eine längere Haftstrafe eingestellt.
Das Gericht fälle seine Entscheidung auf der Grundlage der „Aussagen der Angeklagten und anderer Beweise“, meinte die Richterin. Strafmildernd hätte sich ausgewirkt, dass zwei der Angeklagten noch kleine Kinder hätten. Die Besucher vor und im Gericht quittierten diese Einlassung und das Urteil mit lauten Rufen „Schande! Schande!“
Im Laufe der zehntägigen Verhandlung hatte die erfahrene Richterin erstaunlich viele Verfahrensfehler begangen und offen gegen das Reglement verstoßen. Beobachter vermuteten daher schon, dass das absichtlich geschehen sein könnte, um in einem Berufungsverfahren die Möglichkeit zu eröffnen, eine mildere Strafe zu verhängen.
Kasparow festgenommen
Morgens hatten sich vor dem Gericht Dutzende Anhänger beider Parteien versammelt. Am Nachmittag war die Menge auf mehre Hundert angewachsen. Die Polizei nahm auch Vertreter der Opposition fest, darunter den Ex-Schachweltmeister Kasparow.
Der Image Schaden für Russland lässt sich noch nicht genau bemessen. Er dürfte aber immens sein. Vor allem die orthodoxe Kirche habe einen Schaden davon getragen, von dem sie sich nur schwer erholen wird, meinen russische Beobachter.
Amnesty International nannte das Urteil einen harten „Schlag gegen die Meinungsfreiheit in Russland“. „Das Urteil ist nicht nur der Versuch, die drei Frauen zum Schweigen zu bringen. Es soll auch eine Warnung an alle anderen sein, die es wagen, Präsident Putin und seine Regierung zu kritisieren“, erklärte Amnesty.
In vielen Großstädten in Westeuropa und Nordamerika gingen Sympathisanten auf die Straße. Auch in Berlin und Hamburg kam es zu Kundgebungen.
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