Politikwerbung auf Steuerzahlers Kosten: Aus Angst vor Altona 21
Hamburgs Stadtentwicklungsbehörde plant einen Deckel über die A 7. Wegen der "kritischen Haltung" der Bevölkerung hat sie ein PR-Konzept bei Profis bestellt.
![](https://taz.de/picture/256268/14/cyberN2_Deckel_Computerbild_sw_3sp.jpeg)
HAMBURG taz | Für den geplanten Deckel über der Autobahn 7 nördlich des Elbtunnels hat die Hamburger Stadtentwicklungsbehörde eine PR-Strategie in Auftrag gegeben. Eine Werbeagentur entwarf ein "Kommunikationskonzept", das der "kritischen Haltung der Hamburger Bevölkerung gegenüber teuren Großprojekten" begegnen soll. Eine Bürgerinitiative, die die Verwandlung der Autobahn in einen Tunnel kritisch sieht, spricht nun von "Manipulation und Überwachung auf Kosten des Steuerzahlers".
Während die Proteste gegen "Stuttgart 21" in aller Munde sind, hat Hamburgs Senat seine eigenen unerfreulichen Erfahrungen mit Großprojekten: Die spektakuläre Elbphilharmonie wird um ein Vielfaches teurer und viele Jahre später fertig als geplant. Und die Grün-Alternative Liste (GAL) musste zur Zeit des schwarz-grünen Senats feststellen, dass auch Wunschprojekte auf heftigen Widerstand stoßen können. Die damalige grüne Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk erfuhr das, als sie eine Schnellstraße verlegen wollte, die den Stadtteil Wilhelmsburg zerschneidet.
Die noch von Hajduk beauftragte PR-Firma Fischer Appelt zieht daraus Konsequenzen: Die Kostensteigerungen bei der Elbphilharmonie seien per Salamitaktik enthüllt und nicht plausibel begründet worden. Und die Debatte um Stuttgart 21 bewege sich auf technischer, politischer und moralischer Ebene und mache eine sachliche Betrachtung fast unmöglich. "Der Gutachterstreit schließt die Öffentlichkeit aus und führt dazu, dass die publikumswirksam berichteten Themen nicht mehr von Land und DB beherrscht werden", stellen die PR-Leute mit Blick auf den Stuttgarter Bahnhofsstreit fest.
Die Überdachung der A 7 schlüge zwei Fliegen mit einer Klappe.
Lärmschutz: Die Autobahn wird um eine Spur verbreitert. Den fälligen Lärmschutz bezahlt der Bund.
Stadtentwicklung: Der Senat möchte dieses Geld verwenden, um Deckel zu bauen, die durch die Autobahn getrennte Stadtteile wieder miteinander verbinden.
Finanzlücke: Weil Deckel teurer sind als eine Lärmschutzwand, ist weiteres Geld nötig. Der Senat möchte dafür Kleingärten aus Altona auf die Deckel verlegen und die frei werdenden Grundstücke als Wohnungsbauland verkaufen.
Beim Autobahndeckel in Hamburg soll das nicht passieren: Der Senat, schreibt das Büro, solle "der Bevölkerung eine rationale, nachvollziehbare Begründung liefern". Die konstruktiven wie auch destruktiven Interessengruppen sollten beobachtet werden. Multiplikatoren - große Firmen, aber auch Taxifahrer - sollen ein rosiges Bild verbreiten, Journalisten in Gesprächen und Workshops für das Projekt gewonnen werden. Die Öffentlichkeit müsse durch Wiederholung der immer gleichen Botschaft bei der Stange gehalten werden. "Negative Nachrichten", heißt es in dem Papier weiter, "müssen unbedingt aktiv kommuniziert werden", bei gleichzeitiger Betonung der positiven Botschaften.
"Es ist nicht unüblich, dass man sich überlegt, wie man möglichst früh und umfassend die Öffentlichkeit einbindet", rechtfertigt Behördensprecher Frank Krippner die 14.500 Euro schwere PR-Studie. Im vergangenen Jahr habe die Behörde 120.000 Euro für die Öffentlichkeitsarbeit zum Deckel ausgegeben, im laufenden Jahr 2011 seien 60.000 veranschlagt.
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