Piratenpartei im Inhaltecheck: Was den Piraten wichtig ist
Anonymität im Netz, mehr Datenschutz, freie Software: Bei ihrem Kernthema ist die Piratenpartei fit. Trotzdem reagiert sie nur schwerfällig auf aktuelle Debatten.
BERLIN taz | Wenn man der Piratenpartei Inhaltslosigkeit vorwerfen will, ist die Netzpolitik ein schlechtes Themenfeld. In kaum einen anderen Bereich hat die junge Partei schon so viel Energie hineingesteckt wie in ihr Kernthema. So fordern sie in ihrem Grundsatzprogramm ein buntes Potpourri aus der festen Verankerung von digitaler Medienkompetenz in Schulen über die Förderung von freier Software bis hin dazu, dass sozial Schwache so gefördert werden, dass sie am digitalen Leben teilhaben können.
Natürlich nimmt auch das Dauerbrennerthema Datenschutz im Grundsatzprogramm eine prominente Rolle ein: Hier positionieren sich die Piraten entschieden gegen eine Vorratsdatenspeicherung und fordern, dass das Briefgeheimnis zu einem „generellen Kommunikationsgeheimnis“ erweitert werden solle – was bedeuten würde, dass zum Beispiel E-Mails und Skype-Telefonate einem ähnlich strengen Schutz unterliegen würden.
Außerdem fordern sie ein Recht auf Anonymität im Netz. In der Kurzdarstellung der Parteiziele auf ihrer Webseite regen sie zudem an, biometrische Pässe, Gesundheitskarten von Krankenkassen und den Einsatz von sogenannten RFID-Chips, kleinen Funkchips, die für Warenlogistik und anderes eingesetzt werden können, zu „überdenken“.
Die Piraten - nur eine Ein-Themen-Partei? Die taz hat sich die inhaltlichen Vorstellungen der Piratenpartei auf allen Feldern angeschaut. Zum Abschluss der Serie richten wir das Augenmerk auf ihr Kernthema: die Netzpolitik.
Derlei Forderungen mögen sich für Internetaffine relativ konsensmäßig lesen, gehen aber deutlich über das hinaus, was die etablierten Parteien in Datenschutzfragen verlangen.
Ein weiteres Lieblingsthema der Piraten ist natürlich das Urheberrecht in der digitalen Gesellschaft. Hierzu nehmen die Piraten Positionen ein, die viele etablierte Parteien, Rechteverwerter und Künstler auf die Palme bringen. So fordern sie in ihrem Grundsatzprogramm, das „nichtkommerzielle Kopieren, Zugänglichmachen und Nutzen von Werken nicht nur zu legalisieren, sondern explizit zu fördern“ – also ein sehr weitgehendes Recht auf private Kopien von Musik, Filmen und sonstigen Schöpfungen geistigen Eigentums.
Nach dem Tod des Urhebers
Parteiintern umstritten scheint hingegen überraschend zu sein, wie lange nach dem Tod eines Urhebers seine Werke überhaupt noch geschützt sein sollen. Nach derzeit geltendem Recht sind es 70 Jahre, was den Piraten zu lang zu sein scheint. Radikale Entwürfe, nach denen das vollkommen freie Kopieren und Verwenden von Werken schon zehn Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung möglich sein sollte, wurde aber parteiintern schon 2010 abgelehnt – ebenso wie jüngst ein Vorschlag, der die sogenannten Schutzrechte nach dem Tod des Urhebers auf 20 Jahre begrenzen wollte, nicht genug Aufmerksamkeit in ihrem internen Abstimmungstool generierte und darum auch versickerte.
Auf dem Parteitag im vergangenen Herbst einigte man sich dann auf eine wachsweiche Formulierung, die auch den Weg ins Programm für die Bundestagswahl 2013 finden könnte: Eine „mögliche Verkürzung“, heißt es da, lasse sich „realistisch abgeschätzt, erst zu dem Zeitpunkt erörtern, an dem auch eine Reform des Urheberrechts stattfindet“. Also: Nichts Genaues weiß man noch nicht.
Die tagesaktuelle politische Kommunikation dieser Positionen funktioniert bei den Piraten allerdings noch nicht reibungslos: Als 51 „Tatort“-Autoren in einem offenen Brief unter anderem die Piratenpartei für ihre Positionen zum Urheberrecht attackierten, brauchte die Partei ganze sechs Tage, um eine offizielle Antwort zu formulieren. Einer ihrer Urheberrechtsexperten, Andreas Popp, betonte darin das „sehr konstruktive Niveau“ der parteiinternen Urheberrechtsdiskussion und lud die Drehbuchautoren ein, sich daran zu beteiligen. Zum Vergleich: Der ehrenamtlich arbeitende Chaos Computer Club benötigte für eine Replik nur wenige Stunden.
Und derartige Kommunikationspatzer, selbst in ihren eigentlichen Kernthemen, sind bei den Piraten kein Einzelfall. So brauchte die Partei auch im vergangenen Herbst einige Anlaufzeit, um auf die Enthüllungen zum Staatstrojaner, einer staatlichen Spähsoftware, angemessen zu reagieren – zum Ärger der Parteibasis und Erstaunen von Beobachtern.
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