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Piraten-Vorstand Schlömer über Parteitag"Das Auspfeifen gehört dazu"

Bernd Schlömer sitzt im Bundesvorstand der Piraten. Für ihn machen leidenschaftliche Debatten einen Parteitag erst lebhaft. Er erzählt, wie sie zukünftig die vielen Mitglieder versammeln wollen.

"Wir haben 700 bis 800 mehr Teilnehmer als wir das dachten." Bild: dapd
Interview von Svenja Bergt

taz: Herr Schlömer, Ihr Vorstandskollege Sebastian Nerz meint, dass Fehler gerade in der Anfangszeit zur Spaltung einer Partei führen können. Sehen Sie diese Gefahr auch?

Bernd Schlömer: Nein, ich glaube, da wir in der Partei auf Meinungsvielfalt setzen, wird es nicht zu einer Spaltung kommen. Dieses Modell wird von allen akzeptiert.

Bei der Debatte um ein bedingungsloses Grundeinkommen standen sich Befürworter und Gegner ziemlich unversöhnlich gegenüber.

Es gab eine ausreichende Zweidrittelmehrheit dafür. Wir können eben nicht alle Entscheidungen mit einer Mehrheit von 80, 90 Prozent treffen. Ich glaube, die Legitimation ist da und das reicht.

Das reicht?

Wichtig ist - und das wird auch passieren -, dass wir jetzt die Gegner und ihre Argumente nicht einfach beiseite wischen, sondern trotzdem ernst nehmen und die Leute mitnehmen. Dafür muss umgekehrt auch das Mehrheitsergebnis toleriert werden. Und ich muss sagen, dass ich alle Diskussionen, die ich bislang bei den Piraten erlebt habe, sehr ausgewogen und rücksichtsvoll fand.

Bild: Piratenpartei
Im Interview: BERND SCHLÖMER

40, ist Sozialwissenschaftler und Kriminologe und arbeitet als Beamter. Seit drei Jahren ist er im Bundesvorstand der Piratenpartei und seit 2011 stellvertretender Vorsitzender.

Wenn, wie auf dem Parteitag geschehen, Redner ausgepfiffen werden, ist das nicht sehr rücksichtsvoll.

In der politischen Diskussion muss es möglich sein, etwas emotionaler zu diskutieren. Die Menschen gehen ja nicht aufeinander los, sondern sie versuchen, ihre Argumente gewinnbringend einzusetzen: Und da wird ab und zu gepfiffen. Das trägt zur Lebhaftigkeit des Parteitags bei.

Seit dem Wahlerfolg in Berlin hat Ihre Partei immensen Zulauf. Beim Parteitag standen immer wieder Piraten vor der Tür. Wird es beim nächsten Mal doch Delegierte geben?

Das Wachstum trägt natürlich zu einer programmatischen Erweiterung bei, und das ist gut. Ich glaube aber nicht, dass wir ein Delegiertensystem haben werden, denn das würde uns zu weit in die Richtung der etablierten Politik führen, von der wir uns gerne abgrenzen wollen.

Aber wenn Leute draußen bleiben müssen, ist das doch auch keine Lösung, oder?

Wir machen gerade Erfahrungen. Wenn wir wissen, dass anderthalb bis zweitausend Piraten kommen, können wir uns darauf einstellen. Bei der Planung des Parteitags konnten wir den Berlin-Hype nicht voraussehen. Wir haben 700 bis 800 mehr Teilnehmer als wir das dachten. Und beim nächsten Parteitag werden wir größere Räume buchen.

Und wieder nicht wissen, ob die ausreichen werden.

Als Perspektive werden wir wahrscheinlich einen Weg gehen, der uns zu dezentralen Parteitagen führt. Ich halte das für zwingend notwendig. Dann werden wir an mehreren Orten in Deutschland parallel einen Bundesparteitag durchführen.

Und dann heben parallel in Hamburg und München die Leute ihre Arme zu einer Frage?

Das wird das Ziel sein. Wir werden es im kleinen Modell in Berlin ausprobieren, in Gebietsversammlungen. Und sofern das rechtlich möglich ist, wird das der Weg sein.

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5 Kommentare

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  • SR
    Sibylle Ringlstetter

    Ich habe am Parteitag der Piraten in Offenbach teilgenommen.Als die Buhrufe einsetzten wurden diese vom Wahlleiter sofort unterbrochen und unter Applaus der Teilnehmer festgestellt dass diese Gesprächskultur hier keinerlei Raum haben wird.

    Die Pfiffe galten den unfairen Buhrufern.

    Danach gab es keine Vorkommnisse mehr dieser Art.

     

    eine 52-jährige Piratin

  • H
    hucky

    Parteitg der Piraten in Offenbach links von den Linken

     

    Hallo,

     

    erstaunlich was man so alles im Presseecho über den Parteitag der Piraten in Offenbach vom 3./4.12.2011 lesen kann. Eigentlich ist die Resonanz durchweg positiv. Aber wie kommt das nur, das eine kleine Partei gleich von anfang an mit soviel Lorbeeren bedacht wird ?

     

    Ging es um Basisdemokratie, oder gar neue Themen die die Mehrzahl der Bürger berühren, oder ging es mehr um die Generation der Kinder der 68 iger, die ja vor allem an sich selber gedacht haben, sonst würde unser Wirtschaftssystem und unsere Energiepolitik heute eine andere sein. Den Atomausstieg haben nicht die 68 iger erreicht sondern vor allem viele Bürgerinnen und Bürger durchaus bei den Grünen zu finden, die vor allem mit Konsumverzicht ihren Beitrag geleistet haben, vor allem im mobilen energetischen Bereich.

     

    Auf diesem Parteitag ging es um die Egoismen dieser Generation die vor allem erst sich sehen, dann schöne, schnöde Worte die bar jeder Vernunft sind in die Welt setzen, von denen Sie sofort wissen das diese niemals Realität werden können, wie kostenlosen öffentlichen Nahverkehr oder das BGE, was einfach so nicht geht, sondern einer anderen Wirtschaftsordnung bedarf.

     

    Und dann bootet man Altgediente aus wie einen Herrn aus Rosenheim, der den weiten Weg gemacht hat, damit über seinen Antrag zwecks der Energiepolitik entschieden wird, der bereits vom vorherigen Parteitag stammt, und überstimmt ihn einfach "deomkratisch" das dieses Themenpaket nach hinten verlagert, bzw. ein anderes vorgezogen wird.

     

    Dieser Mann ist umsonst gekommen denn sein Thema und sein Antrag wurde nicht mehr bearbeitet. Was hat das mit Demokratie oder gar Basisdemokratie zu tun ? Wer zuerst kommt mahlt zuerst, darum ging es, oder wer die stärksten Truppern mitbringt. Gut das ich mir die Fahrt gespart habe und mehrere Stunden aufmerksamer Beobachter war.

     

    Atheistisch modern und bar jeder Vernunft, dazu kommt noch die Zensur, das am nächsten Tag der IRC Chat nicht mehr ging und seit neuestem auch keine Kommentare auf der Seite der Piratenpartei mehr veröffentlicht werden. Das einzige was bei den Piraten transparent ist, ist deren purer Egoismus und/oder im Falle des Euros, ein Hilfeschrei aus dem Piratendeck und das verzweifelte Andienen an das Establishment, doch bald gnädigst in ihren Reihen aufgenommen zu werden. Schleimscheisser allererster Güte.

     

    Gut das ich noch selbst denken, handeln und entscheiden kann und von diesem Defätismus Abstand nehme. Die Linkspartei wird sich ins Fäustchen lachen, das sie so viel ungewohnten Beistand erhält. Oder sieht jemand von euch einen Unterschied zu deren Inhalten ?

     

    Hucky

  • MN
    mein Name steht nicht hier

    Man hebt keinen Arm. Man votet seine Frage in sein Handy oder PAD. Von zu Hause oder dem lokalen Partei-Büro oder landes-Büro.

    Und wisst Ihr was das bestze ist: Die anderen Parteien werden gegen ihren retroiden Willen gezwungen, auch per Pad und Handy an jedem ihrer Parteitage per Internet verfügbar zu sein.

    Das wäre Internet-Basiert und direkter als alles andere.

    Und die Rede ist sofort per Transkript im Netz und man kann ++,+,-,--,?, +/-,0 jeden Satz bevoten.

    Technisch trivial aber man will ja seinen Job nicht verlieren oder seine DrStelle. Nur weil mal Parteien demokratisiert.

  • RM
    Reimar Menne

    Mein erstes Auswahlkriterium für eine Partei: Ob sie den Skandal der verbreiteten und zunehmenden Armut zur Kenntnis nimmt und sich aktiv damit befasst. Freiheit (ob im Netz oder sonstwo) endet ganz gewiss, wo es vorkommen kann, dass unverschuldet Stromzugang abgeschaltet wird, Krankenversicherung abgemeldet wird, Lebensmitteleinkauf und Mietzahlung unmöglich werden. Harz vier ist immer noch offener Strafvollzug ohne Tat und Verurteilung und verletzt das Grundrecht auf Teilhabe am öffentlichen Leben. Wenn die Piraten die Position beibehalten, sich für eine Grundabsicherung für jeden (über dem Existenzminimum) einzusetzen, haben sie trotz vieler Unschärfen des Profils meine Stimme!

  • NK
    Nils Kaczenski

    Also, ich hab ja mit Bernd studiert, damals in Osnabrück. Weiland nannte er seine Studenten-Partei "Erasurehead", während ich der "Wichtigsten Partei" angehörte. Leidenschaft haben wir schon damals geteilt, nicht nur im Studierendenparlament, sondern auch in Flugblattschlachten in der Mensa (welche übrigens den Hintergrund bildete für Harald Kellers taz-Kolumne).

     

    Wie klein die Welt doch ist.