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Pegida-Führung zerlegt sichUntergang der Abendländler

Vier Mitglieder der Pegida-Führung, darunter Sprecherin Kathrin Oertel, haben ihre Ämter niedergelegt. Sie sprechen von „beruflichen Nachteilen“.

Ist nicht mehr Pegida-Sprecherin: Kathrin Oertel Bild: dpa

BERLIN taz | Pegida zerlegt sich. Die Sprecherin des islamfeindlichen Protestbündnisses Kathrin Oertel und vier weitere Mitglieder des zwölfköpfigen Organisationsteams haben ihre Ämter niedergelegt. Auf seiner Internetseite bestätigte Pegida am Mittwoch die Rücktritte. Am Abend zuvor soll es laut Stern, der als erstes Medium über das Zerwürfnis der Führungsriege berichtet hatte, bei einer Sitzung des Vereinsvorstands Streit über Lutz Bachmann gegeben haben. Entgegen seinen offiziellen Ankündigungen wollte sich der Pegida-Mitbegründer offenbar doch nicht aus dem Führungszirkel der „Patriotischen Europäer gegen eine Islamisierung des Abendlands“ zurückziehen.

Oertel wolle „aufgrund massiver Anfeindungen, Drohungen und beruflicher Nachteile“ eine „Auszeit“ nehmen, teilte Pegida offiziell mit. Auch der frühere CDU-Stadtrat von Meißen, Thomas Tallacker, habe in letzter Zeit „zu viele berufliche Nachteile“ gehabt, heißt es als Grund für seinen Rücktritt.

Pegida-Mitbegründer Bachmann war vor einer Woche wegen rassistischer Beiträge und einem Hitler-Foto auf Facebook als Vereinschef zurückgetreten. Neben Oertel, die in der ARD-Talkshow bei Günther Jauch für Pegida auftrat, war Bachmann das bekannteste Gesicht der Protestbewegung. Nachdem seine Facebook-Entgleisungen bekannt geworden waren, hatte er sich entschuldigt und bedauert, „dass ich damit den Interessen unserer Bewegung geschadet habe“.

Pegida-Demo abgesagt

Das islamkritische Bündnis Pegida hat seine nächste Kundgebung in Dresden für diesen Montag abgesagt. Zu den Gründen wurden keine Angaben gemacht. (dpa)

In seinen Reden auf den Pegida-Kundgebungen in Dresden hatte er sich offiziell gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ausgesprochen. Nun heißt es aus dem Kreis seiner Gefährten, er habe einer Neuausrichtung der Bewegung im Wege gestanden. Ein neuer Vorstand soll in den nächsten Tagen in einer Sondersitzung gewählt werden.

US-Reisewarnung für Dresden

Auch der Wirtschaftsberater Bernd-Volker Lincke zog sich aus der Führungsriege zurück. „Ich kann und will mich mit den Äußerungen von Lutz Bachmann nicht identifizieren“, gab er an. Auch das AfD-Mitglied Achim Exner und Vereinsvize René Jahn sollen ausgestiegen sein. Ein Grund sei auch die mangelnde Abgrenzung zum Leipziger Ableger „Legida“, der als gewalttätiger und rechtsextremer als das Dresdener Vorbild gilt.

Noch am Montag hatte sich Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) mit Kathrin Oertel und Achim Exner getroffen. Er habe an beide appelliert, den Weg von der Straße in die Dialogforen zu suchen, erklärte Ulbig am Mittwoch im Sächsischen Landtag in Dresden. Die sächsische Landesregierung aus SPD und CDU hatte Gespräche mit den „Pegida“-Organisatoren bisher abgelehnt. Mit seinem Treffen war Ulbig von dieser Linie abgewichen und hatte dafür heftige Kritik bezogen. Dresdens SPD-Vorsitzender Christian Avenarius warf Ulbig vor, „sich auf Dauer als zivilgesellschaftlicher Geisterfahrer zu profilieren“.

Das US-Außenministerium hatte am Montag für Dresden und eine Reihe anderer Städte eine Reisewarnung herausgegeben. Unklar ist, ob das nötig war – und weiter nötig sein wird. Die Pegida-Demonstration für kommenden Montag wurde jedenfalls erst mal abgesagt.

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11 Kommentare

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  • Na bitte, hat Gabriel doch richtig gehandelt.

     

    Welche Gruppierung würde auch nicht sofort das Weite suchen oder in sich selbst zerfallen, wenn Gabriel mit denen das Gespräch suchen würde.

     

    Vorschlag:

    Als nächstes redet Gabriel nacheinander mit der AfD, der NPD, dem IS und mit der Deutschen Bank. Und die Probleme der Welt werden immer kleiner.

  • Die Probleme die es gibt müssen trotzdem angepackt werden. Aber wenn keiner mehr Druck macht, kann ja alles beim Alten bleiben.

    • @Christiana:

      Druck machen immer gut.

      Aber das hat Pegida nicht gemacht. Stattdessen haben sie die Regierenden unterstütz. Europa grenzt sich immer stärker ab, egal ob da Menschen an den Grenzen sterben. Aber dank Pegida kann sich Merkel und Kollegen als die Guten darstellen. Das ist doch absurd. Mein Vorschlag, vernünftig informieren (und zwar weder Presse noch Facebook). Vielleicht mal ein Buch lesen und dann informiert und organisiert engagieren. Möglichkeiten gibt's genug. Hier gibt's ein paar Vorschläge http://www.mvgida.de/ Aber da muss man natürlich richtig was tun. Auf der Straße mit dummen Parolen glänzen ist natürlich einfacher.

  • Haben "Herbert" und Co. etwa doch (so schnell) gewirkt? Kann es kaum glauben...

     

    Nächste Frage: Was machen die "Spaziergänger" nun montagabends stattdessen? Und so generell? Zu Parteitreffen ihrer Wahl gehen? Abendschule oder "Integrationskurs für Sachsen in Deutschland"?

     

    Ich freue mich besser nicht zu früh, werde mir vor Ort weiter die Ergebnisse im Alltag ansehen und -hören! Nur weil PEGIDA möglicherweise seinen Horizont überschritten und sich in der Führung zerstritten hat, ist in Dresden nicht plötzlich alles demokratische Blümchenwiese. Das wird ein langer Weg bleiben - mit oder ohne PEGIDA!

    • @Hanne:

      "Nächste Frage: Was machen die "Spaziergänger" nun montagabends stattdessen? Und so generell? Zu Parteitreffen ihrer Wahl gehen? Abendschule oder "Integrationskurs für Sachsen in Deutschland"?"

      Na das wär doch dein Anfang. Weitere Vorschläge: Im Elternrat der Schule aktiv werden, Bürgeriniativen gründen, Sozial engagieren, ein Buch lesen...

      Liegt eigentlich alles auf der Hand, aber dumm rum blöken ist halt einfacher. Da muss man nicht auch denken.

      Hanne, schön dass sie wachsam bleiben wollen, das sollten auch aus der Ferne viele unterstützen.

  • Besiegen durch Umarmen.

  • Ich, Hitolf Adler und mein Bruder, Görman Hering, sind Eure neuen Führer.

    Wir werden Euch mit all unserem zur Verfügung stehenden Lachgas vor den Kümmelbrüdern schützen!

     

    Auf dass Eure Kultur niemals wieder von Leuten verschandet wird, die "Asylant" nicht mit "n" schreiben können.

  • "....wegen massiver Anfeindungen, Drohungen und beruflicher Nachteile."

     

    Na ja, dann weiß sie jetzt wenigstens, wie es vielen Muslimen in Deutschland geht.

    • @Izmir Übül:

      Bravo!

  • Meine Frage angesichts von Demos und Gegendemos, angesichts von Rücktritten und Streitigkeiten in der Bewegung wie überall beschäftigt meinen Blog-Bild-Bericht

     

    http://n0by.blogspot.de/2015/01/sich-solidarisieren-statt-sich-spalten.html

     

    "Sich solidarisieren statt spalten zu lassen"?! Viel Spass damit