Ökokontrollstellen warnen: Pestizide in Bioware aus China
Kontrolleure halten das Betrugsrisiko bei Ökolebensmitteln aus der Volksrepublik China für besonders hoch. Insbesondere Goji-Beeren sind betroffen.
BERLIN taz | Biolebensmittel aus China sind oft gar nicht bio. Mehrere Ökokontrollstellen stufen die Volksrepublik als Risikoland ein und müssen dort die Einhaltung der Ökoregeln strenger als anderswo überprüfen. Das erklärten mehrere Kontrollstellen auf Anfrage der taz.
"Die Gefahr, dass es Betrug oder andere Unregelmäßigkeiten gibt, ist in China besonders hoch", erklärte beispielsweise Peter Schaumberger, Leiter des Instituts für Marktökologie (IMO), einer der weltweiten Branchenführer. In chinesischer Ware hätten die Inspekteure etwa Pestizide gefunden, die im Ökolandbau verboten sind. Deutschland importiert unter anderem Tee, Sonnenblumenkerne und Knoblauch aus China. Genaue Zahlen liegen zwar nicht vor, Marktexperten gehen aber davon aus, dass die Mengen stark zunehmen.
Die international tätige Kontrollstelle Ceres mit Sitz im bayerischen Happburg weigert sich wegen des hohen Risikos neuerdings sogar, eine ganze Produktgruppe aus China als bio zu zertifizieren. "Ceres hat entschieden, die Zertifizierung von Goji-Beeren 2011 abzubrechen", erklärte die Organisation in einer Mitteilung an Behörden und andere Kontrollstellen. Goji ist der englische Name des Nachtschattengewächses Gemeiner Bocksdorn. Die roten Früchte des Strauches werden meist getrocknet oder als Saft verkauft und aus China importiert. Manche Verbraucher versprechen sich von ihnen eine gesundheitsfördernde Wirkung.
Doch umweltfreundlich und pestizidfrei - eben bio - sind die Früchte seltener, als die Händler versprechen. "Der Einsatz von chemischen Insektiziden und Düngern sowie die Vermischung von Bio- und konventionellen Produkten waren die häufigsten Probleme", schreibt Ceres. Trotz Kontrollen seien pestizidverseuchte Beeren nach Europa gelangt. Erst dann seien sie von den Behörden aus dem Verkehr gezogen worden. Wie weit verbreitet das Problem ist, belegt die Kontrollstelle auch mit Zahlen: Demnach erhielten das Biosiegel nur zwei der insgesamt 13 Goji-Farmen, die 2010 bei Ceres die Zertifizierung beantragt hatten.
"Es gibt natürlich auch Goji-Beeren in Bioqualität, zum Beispiel aus Wildsammlung", sagt Ceres-Chef Bernhard Schulz. "Aber im Moment wird um Goji ein ziemlicher Hype als Nahrungsergänzungsmittel gemacht, sodass die Nachfrage größer als das Angebot ist." Deshalb sei das "Betrugspotenzial bei diesem Produkt extrem hoch".
Ganz so schlimm ist die Lage bei anderen Lebensmitteln aus China nicht - aber doch ziemlich schlimm. Ceres etwa hat in 15 bis 20 Prozent aller untersuchten Proben so hohe Pestizidrückstände gefunden, dass die Produkte nicht als Bioware anerkannt wurden. Dann liegt der Verdacht nahe, dass die vermeintlichen Ökobauern selbst Chemikalien benutzt haben und das Gift nicht nur von konventionellen Nachbarfeldern abgedriftet ist.
"Das Bewusstsein, was bio ist, ist in China deutlich weniger ausgeprägt als etwa in Deutschland", sagt IMO-Chef Schaumberger. "Da ist die Bereitschaft einfach höher, konventionell als bio zu verkaufen, wenn von der richtigen Ware gerade nichts mehr da ist." Die chinesische Botschaft in Berlin äußerte sich auf Anfrage der taz nicht zu den Vorwürfen.
Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) in Bonn sieht dennoch keine Grundlage, die für Bioimporte nötigen Genehmigungen für den Verkauf von Ökoprodukten aus China zu entziehen. Dafür seien konkrete und belastbare Hinweise mit Firmennamen nötig, sagte die BLE-Agraringenieurin Margit Backes. "Sonst haben wir keine rechtliche Handhabe. Die Unternehmen können gegen unsere Entscheidungen auch klagen." 2010 habe die BLE von rund 1.900 erteilten Vermarktungsgenehmigungen für Bio-Produkte aus dem Ausland 21 widerrufen.
Manche Importeure haben die Sache inzwischen selbst in die Hand genommen. Die Bremer Kloth & Köhnken Teehandel GmbH, deren Produkte zum Beispiel unter der Marke "Heuschrecke" verkauft werden, beschäftigt nach eigenen Angaben einen Berater für die Bauern in China. "Sonst wissen die oft gar nicht, wie Biolandbau funktioniert", sagt Prokurist Wolfgang Wilhelm. Damit Vermischungen mit konventioneller Ware schwieriger werden, arbeite er mit Verarbeitungsfabriken zusammen, die nur bio produzierten.
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