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Neues Waffengesetz in TexasMit der Waffe im Hörsaal

Bald dürfen in Texas StudentInnen und ProfessorInnen verdeckt Schusswaffen tragen. Sie sollen die Universitäten sicherer machen.

Nach dem texanischen Gesetz müssen alle öffentlichen Universitäten das verdeckte Waffentragen erlauben. Foto: dpa

NEW YORK taz | Wer an eine Universität in Texas geht, sollte die kugelsichere Weste nicht vergessen. Denn ab Sommer 2016 dürfen StudentInnen und Beschäftigte mit Schusswaffen ins Seminar, in die Bibliothek und in das Wohnheim kommen, zumindest verdeckt. So hat es in dieser Woche auch die zweite Kammer an der Spitze des zweitgrößten Bundesstaates der USA entschieden. Die Schusswaffenlobby feiert einen weiteren Sieg. Und der republikanische Gouverneur Greg Abbott hat bereits angekündigt, dass er das Gesetz unterzeichnen will.

Mit gemeinsamen Kräften haben ProfessorInnen, StudentInnen, Mütter und der Chef der Navy-Seals, die 2011 den Al-Kaida-Gründer Osama bin Laden erschossen haben, versucht, das Gesetz zu verhindern. Der ehemalige Navy-Seal William McRaven, heute Chef des University of Texas System, zu dem 15 Hochschulen gehören, beschreibt sich selbst als „Typen, der Schusswaffen liebt“. Aber er bezweifelt, dass sie Universitäten sicherer machen. Ende Mai hat er ein Schreiben an die texanischen Abgeordneten geschickt, in dem er sie warnte, die Legalisierung würde wegen zusätzlicher Sicherheitsvorkehrungen auch zu höheren Studiengebühren führen und die Anwerbung von ProfessorInnen würde schwieriger werden.

Unter Letzteren sind viele besorgt, dass ihre Gespräche mit StudentInnen, die durch Prüfungen gefallen sind, heikler werden könnten, wenn sie befürchten müssen, dass ihr Gegenüber bewaffnet ist. Auch die Polizei hat sich gegen das Gesetz ausgesprochen. Sie befürchtet, dass Einsätze an Universitäten, wo die Polizei zwischen „guten“ und „bösen“ Schützen unterscheiden muss, schwieriger werden.

Doch die Schusswaffenlobby – darunter die NRA (National Rifle Association), die auf nationaler Ebene und in zahlreichen Bundesstaaten ständig versucht, das Recht auf Schusswaffen auszubauen, aber auch studentische Gruppen wie „Concealed Carry“ – war stärker. In Texas haben sie seit 2009 drei Anläufe gemacht, um das Gesetz zu bekommen. Dabei beriefen sie sich auf das Grundrecht, eine Waffe zu tragen. Und behaupteten, Schusswaffen würden die Universitäten „sicherer“ machen. Der Autor des Gesetzes, der texanische Senator Brian Birdwell, spricht von einem „gottgegebenen Recht auf Selbstverteidigung“. Im Vorfeld der texanischen Abstimmung benutzte die Tea Party auch zurückliegende Schulmassaker, um das Gesetz zu rechtfertigen.

Private Unis können selbst entscheiden

Nach dem Massaker von Columbine in Colorado im Jahr 1999 hatte auch die NRA noch vertreten, dass Schusswaffen nicht in Unterrichtsräume gehören. Doch inzwischen vertritt die NRA nach jedem neuen Schulmassaker, dass es nicht passiert wäre, wenn die LehrerInnen bewaffnet gewesen wären. Ende Mai veröffentlichte die Tea Party, die in der texanischen Debatte stark involviert war, einen offenen Brief von Schießlehrer Phil Graf, in dem er den Eltern der im Dezember 2012 in Newtown in Connecticut ermordeten Kinder vorwarf, dass sie selbst eine Verantwortung für die toten trügen. Begründung: Sie hätten den LehrerInnen das Recht verweigert, eine Waffe zu tragen.

Nach dem texanischen Gesetz müssen alle öffentlichen Universitäten das verdeckte Waffentragen erlauben. Nur in Sonderfällen können sie gut begründete einzelne waffenfreie Zonen beantragen. Private Universitäten hingegen können selbst entscheiden, ob sie Waffen zulassen oder nicht. Voraussetzung für das Recht auf Tragen einer verdeckten Waffe ist, dass die TrägerInnen einen Waffenschein besitzen. Diesen Schein kann in Texas jeder über 21 Jahre machen. Die Zahl der nötigen Unterrichtsstunden ist erst kürzlich auf 6 gesenkt worden.

Die meisten Colleges und Universitäten in den USA verbieten das Schusswaffentragen. Doch die Zahl der Bundesstaaten, die es in ihren öffentlichen Universitäten zulässt, wächst. Nach Colorado, Idaho, Kansas, Mississippi, Oregon, Utah und Wisconsin wird Texas jetzt der achte Bundesstaat, in dem sich StudentInnen und Lehrpersonal bewaffnen dürfen.

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4 Kommentare

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  • Das ist eine super Vorstellung:

    wie so die Studierenden ihre schweren Waffen, Motorsägen und Raketenwerfer neben sich auf die Tische legen.

    Das klappert und rumst.

     

    Und der Prof ruft mit Gunfire auf.

    Das Foto erinnert übrigens an ein wunderbares Motiv in dem Band von feministischen Ökonominnen:

    mit Mascha Madörin:

     

    eine Spielzeugpistole und darunter die Forderung:

    Streikrecht am Arbeitsplatz Kind!

    Genau passend zum Streik der ErzieherInnen

  • Logik a la USA – Cholera mit Pest bekämpfen.

    Die können wirklich stolz sein ...

    • @Index:

      Was genau meinen Sie? Legalwaffenbesitzer sind selbst in den USA nicht statistisch deliktrelevant?

  • Problematisch.

    Die Mehrzahl von Mehrfachtötungen mit unklarem Motivationshintergrund fanden in "gun-free zones" statt.

     

    Aus sicht der Gefahrenabwehr sind die im Artikel geäußerten Bedenken was einen "Sicherheitsgewinn" angeht, nachvollziehbar. Ist in einer solchen Lage doch schon ohne legal bewaffnete Zivilisten die zeitnahe Identifikation eines Täters nicht wirklich trivial.

     

    Grundsätzlich spricht wenig gegen verdecktes Tragen, nur sind dazu vielleicht doch mehr als schmerzlose Minimallehrgänge erforderlich? Die Unterschiede zwischen der Handlungskompetenz langjähriger Berufswaffenträger und der Anscheinskompetenz von Mimimallehrgängen sind eigentlich selbst erklärend.

     

    Auch problematisch: Aus dem möglichen Nicht-Eintritt von Ereignissen auf eine Wirksamkeit von Maßnahmen ohne Kausalitätsanalyse zu schließen.

    Das gilt auch umgekehrt für die Behauptung das eine "gubn-free zone" sicherer sei!

    Zudem muss ein möglicher Täter im universitären Umfeld sicher nicht schießen, einfach die Phosgenflasche aufgedreht oder in wenigen Minuten eine USBV zusammengebastelt und schon steht der Deliktverwirklichung nichts mehr im Weg.

     

    Andererseits ist die geäußerte Befürchtung von Prüfern auch irrwitzig realitätsfremd.

     

    Denn eine illegale Waffe jeder Machbart kann sich doch auch bisher schon jeder mitbringen...