Neuer Tablet-Computer „Surface“: Microsoft bietet Angriffsfläche
Bei Tablets und den nächsten Betriebssystemen geht es offenbar um viel: Microsoft baut nun eine eigene Gerätelinie. Und beschwört damit Konflikte mit Partnern.
Es kommt selten vor, dass Microsoft vor einer Ankündigung einen regelrechten Netzhype auslöst – das bleibt normalerweise Apple oder vielleicht Samsung vorbehalten. Und doch hat das bei der Vorstellung des hauseigenen Tablets „Surface“ geklappt: Kaum ein Branchenbeobachter hätte damit gerechnet, dass der Softwarekonzern selbst unter die Computerhersteller geht.
Doch am späten Montagabend deutscher Zeit wurde in Los Angeles genau das zur Gewissheit. Zwei verschiedene Modelle mit Strom sparendem ARM-Prozessor oder Standard-PC-Chip von Intel wird es geben, jeweils in verschiedenen Speichergrößen. Auf den Geräten läuft Microsofts neues Betriebssystem Windows 8, das zwischen Tablet- und PC-Welt vermitteln soll.
Bewerten lässt sich die Bedeutung von Surface derzeit nur schemenhaft. Das liegt vor allem daran, dass Microsoft zwar diverse Hardware-Details zu seinem neuen „Surface“-Tablet genannt hat, aber weder Erscheinungsdatum (wichtig) noch Preise (wichtiger). „Wettbewerbsfähig“ werde man sein, sagten die anwesenden Manager unter Führung von Firmenboss Steve Ballmer nur.
Klar ist aber schon jetzt, dass Microsoft voll auf Risiko geht. Der IT-Konzern wagt sich erstmals seit dem (total gefloppten) MP3-Spieler Zune und der (nach Jahren der roten Zahlen endlich erfolgreichen) Spielekonsole Xbox ins ganz große Hardware-Geschäft. Sogar Smartphones mit dem hauseigenen Windows-Phone-Betriebssystem wollte die Firma bislang nicht fertigen, stattdessen überlässt man das dem finnischen Partner Nokia.
Doch bei Tablets und der nächsten Windows-Version 8 geht es nun offenbar so sehr um die Wurst, dass Microsoft gleich eine eigene Gerätelinie baut. Das ist auch deshalb mutig, weil der Softwarekonzern damit seinen langjährigen Partnern direkte Konkurrenz macht. Firmen wie Dell, Toshiba, Acer oder Hewlett-Packard bauen eigene Maschinen mit der Ende des Jahres erscheinenden Software – und nun macht es Microsoft einfach selbst. Da wird es spannend, wie die Branche reagiert, die teures Geld für Windows-8-Lizenzen zahlen werden muss.
Auf der Höhe der Zeit
In Sachen Technik ist Surface den bisherigen Erkenntnissen nach auf der Höhe der Zeit: Ein Vierkern-Prozessor von Nvidia soll im ARM-Modell, ein neuer Core-i5-Chip von Intel im Intel-Modell stecken. Dazu gibt es allerlei nette Kleinigkeiten: Ein offensichtlich angenehm anzufassendes Gehäuse aus einem Magnesium-Material, ein eingebauter „Kickstand“, um das Gerät in Arbeitshaltung zu bringen, sowie zwei Kameras.
Wer den berührungsempfindlichen Bildschirm nicht direkt nutzen möchte und lieber tippt, kann eines von zwei sogenannten „Covers“ nutzen, die als Tastaturen fungieren. Der Bildschirm entspricht mit 10,6 Zoll ungefähr dem des neuen iPad, allerdings ist die Auflösung wesentlich geringer. Praktisch sind der eingebaute Micro-SD-Kartenslot für Speichererweiterungen oder Fotoweitergabe und der USB-Anschluss – Adapter oder „Dockkabel“ wird man hier vermutlich nicht brauchen.
Ob sich der Schritt für Microsoft tatsächlich lohnt, werden aber erst die nächsten Monate zeigen. So muss Microsoft dringend konkurrenzfähige Preise und Akkuzeiten liefern. Hinzu kommt die Frage, ob die Nutzer die Neuerungen in Windows 8 annehmen. Das neue Betriebssystem hat unter einigen langjährigen PC-Nutzern bereits Ablehnung hervorgerufen. Der Unterschied zwischen der alten Oberfläche und dem neuen „Metro“-Design gilt als zu groß – obwohl man auch auf die gewohnte Desktop-Oberfläche wechseln kann.
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