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Neue App in Frankreich verboten"Jude oder Nichtjude" geht nicht

In Frankreich muss Apple eine umstrittene App vom Markt nehmen. Sie legt offen, wer Jude ist und verstößt damit gegen Antirassismusgesetze. Nicht jeden Betroffenen stört's.

In Frankreich dürfen diese Suchfunktionen nicht mehr auf dem Smartphone-Display erscheinen. Bild: AP

PARIS taz | "Juif ou pas juif" ("Jude oder Nichtjude"), das war der Name ein iPhone-App, die nun in Frankreich von Apple nach einer heftigen Debatte aus dem Verkehr gezogen werden musste.

"Idiotisch oder nicht idiotisch", spottete die Zeitung Libération über eine Polemik, die in Frankreich allerdings ganz grundsätzliche Überlegungen zum Datenschutz und zur Frage der Erfassung von Angaben über Herkunft und Religion ausgelöst, aber auch empfindliche Erinnerungen an die Vergangenheit berührt hat.

Entsprechend negativ waren die Reaktionen, die nun das amerikanische Internetunternehmen zum Eingreifen gezwungen haben. Zensur oder nicht Zensur?

Für die bescheidene Summe von 0,79 Euro war ab Anfang August für französische iPhone-Benutzer im "Store" eine "App" zu haben, die es ihnen erlauben sollte, im Nu herauszufinden, wer nun Jude und Jüdin sei oder eben nicht. Vor allem sollte diese Anwendung ermöglichen, dank der gespeicherten Daten zu prüfen, welche Prominenten jüdischer Herkunft oder Glaubens sind.

Und der Clou bestand in einer Hitliste der populärsten Juden, die am meisten Abfragen von Neugierigen auf sich vereinen würden. Wie so manche neue Entwicklung blieb - unter mehr als 425.000 anderen - diese App eines angeblich in Großbritannien lebenden 35-jährigen französischen Ingenieurs namens Johann Levy zunächst unbemerkt. Vielleicht gab es ja gar keine Nachfrage dafür?

Natürlich hätte man damit wenigstens feststellen können, dass er selbst auch Jude ist. Levy sagte nachträglich, es sei ja in der jüdischen Gemeinschaft durchaus üblich, dass man sich frage, ob diese oder jene Persönlichkeit auch Jude sei oder nicht. Er wollte also nur zeitgemäß diesen Klatsch aufs iPhone verlegen.

Lange dauerte es aber nicht, bis in Frankreich Antirassisten diese Neuheit im App Store entdeckten und per Twitter dagegen protestierten. Sie hegten wohl den Verdacht, dass da ein Rassist mit antisemitischen Hintergedanken am Werk gewesen wäre.

Klarer Verstoß gegen Antirassmusgesetz

Von Vorneherein war indes klar, dass die App eindeutig gegen die französischen Antirassismusgesetze verstößt. Die verbieten es, Listen oder Datenbanken von Mitbürgern nach ethnischer Herkunft oder religiöser Zugehörigkeit einzurichten und zur Verfügung zu stellen. Wer dagegen verstößt, riskiert bis zu fünf Jahre Haft und 300.000 Euro Geldbuße.

Das hat seine historische Berechtigung: Während des Zweiten Weltkriegs führten die französischen Kollaborationsbehörden das Tragen des Judensterns ein und deportierten zusammen mit der deutschen Gestapo 76.000 Juden in die Konzentrationslager. Dabei stützten sie sich auf existierende Register.

Die "Juden-App" sei darum "nicht nur schockierend, sondern auch illegal", erklärte Richard Prasquier, der Vorsitzende des Rats Jüdischer Institutionen in Frankreich. Er wies darauf hin, dass in Frankreich gerade wegen der tragischen Vorgeschichte ein klare Trennung zwischen privater und öffentlicher Sphäre gemacht wird, und dass religiöse Zugehörigkeit oder Herkunft nicht zu öffentlich zugänglichen Informationen zählen. Mit Klagen drohten Apple in der Folge der Jüdische Studentenverband, die Organisation "SOS Racisme" sowie die Sozialisten.

Betroffene bleiben gelassen

Was aber meinten die Betroffenen? David Abiker, Rundfunkjournalist bei Radio Europe-1, ist nicht empört darüber, dass man ihn da ungefragt öffentlich als Jude kenntlich gemacht habe: "Diese Manie gewisser Juden, Register anzulegen, ist ebenso unerträglich wie die antisemitischen Obsessionen anderer im Internet."

Das scheint im Vergleich mit anderen Ländern sogar eine französische Besonderheit zu sein. Macht aber das Tabu des gesetzlichen Verbots die Suche nach den jüdischen Wurzeln vielleicht erst interessant? Im Onlinelexikon Wikipedia finden sich problemlos Seiten zu den jüdischen Autoren oder Filmregisseuren in den USA, Großbritannien oder den Niederlanden.

Nicht so für Deutschland und für Frankreich. Abiker verweist aber darauf, dass diese Manie der "Judensuche" in spezieller Weise auch bei Googles französischer Suchmaschine existiert. Es reicht, den Namen eines bekannten Politikers wie beispielsweise des Sozialisten François Hollande oder eines Schauspielers wie Yves Montand einzugeben: Unter den zehn ergänzenden Suchwörtern schlägt Google "juif" vor.

Das ist nicht die Schuld von Google, sondern entspricht nur der statistischen Häufigkeit der bereits eingegebenen Suchanfragen. Aber ein Geschäft darf Johann Levy, der seine App als "Unterhaltung" verteidigte, damit nicht machen.

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14 Kommentare

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  • I
    Immigrant

    Wenn man keine ethnischen Datenbanken anlegen kann, dann kann man auch detaillierte Immigrantenpolitik machen.

     

    Alles würde bei den Kategorien Migrant oder Menschen mit Migrationshintergrund bleiben.

     

    Es wäre überhaupt keine quantitative Forschung möglich zu den geographischen Sende- und Empfängerregionen von Rücküberweisungen. Ökonomische Zusammenhänge bleiben verborgen.

     

    Es wäre auch nicht möglich festzustellen, wie stark die Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt ist nach Gruppen unterteilt.

     

    Es wäre auch schwer nachzuweisen, auf welche Weise und wer auf dem Wohnungmarkt diskriminiert wird.

     

    Man braucht diese Daten, aber sie gehören in den Besitz der UNO, der Weltbank und des Herkunftsregion. Nur immigrantische Forscher sollen sie abrufen können.

  • M
    Max

    @ witzig

     

    Irgendwo, glaub bei Kischon, habe ich gelesen das jeder der ne jüdische Momme hat auch jüdisch ist. Muss aber noch andere Wege geben, mein Mittbewohner hat z.B. nur nen jüdischen Vater und is trotzdem Jude (is grad nicht da, sonst würde ich ihn fragen). Bei den reformierten kann mensch auch übertreten, aber ich glaub generell is es die "Mama-Regel".

     

    Exkurs:

    Irgendwelche Fundi-Rabbis hatten damals auch Stress gemacht als die äthiopischen Juden nach Israel kamen, da die der Legende nach ja aus der Liason von der Königin von Saaba und den König Salomon hervorgegangen sind. Die Königin von Saaba war nicht jüdisch also waren die Beta -Istael angebliuch auch keine Juden. Lag zwar alles 3000 Jahre zurück aber hey, Mama Regel muss eingehalten werden

     

    Einfach in Wikipedia nachlesen...

  • N
    Nico

    Jüdisch zu sein ist weder eine Schande noch ist es keine. Es ist einfach...eine Religion bzw. Herkunft.

     

    In etwa genauso bedeutend wie die Haarfarbe oder Schuhgröße. Irrelevant. Außer für Spinner. Die brauchen's für ihre Weltanschauung.

  • SA
    Schlomo Abraham

    Anstatt das "Ich bin stolz ein Jude zu sein" kommt.

    Nein,psssst nicht petzen das ich ein Jude bin.

    Alle regen sich auf,nur der normale Jude lacht sich eins.

    Ist wieder ein peinlicher Auftritt der Politik und Lobbyverbände.

    Die als Entwickler einen Verwandten von Adolf Eichmann vermuten.

    Diese penetrante Überempfindlichkeit ist lästig.

    Das sage ich als JUDE.

  • S
    Steffi

    @ Witzig:

    nach dem Alten Testament und deswegen auch nach orthodox-jüdischem Verständis die Abstammung von einer jüdischen Mutter;

    is übrigens nicht sooooo schwer rauszufinden

     

    Allgemein:

    Nun, die Gefahr, aufgrund der Zugehörigkeit zum Judentum deportiert zu werden, dürfte ja heutzutage eher gegen Null tendieren.

    Eher macht sich doch wohl jemand lächerlich, der Vorbehalte gegen jemanden hegt, nur weil er oder sie jüdisch ist.

     

    Das scheinen ja auch die Juden so zu sehen.

    Wär ja ansonsten auch lächerlich, wenn sie es selber für etwas Ehrenrühriges hielten, jüdisch zu sein.

     

    Ich schätze, da regen sich nur mal wieder jede Menge stellvertretend Betroffene auf, die zwar keinen Juden im Bekanntenkreis haben, dafür aber umso besser wissen, was alles Rassismus ist.

  • E
    Elias

    @von witzig:

     

    Jude ist wer eine jüdische Mutter hat oder vor einem anerkannten Rabbinat zum Judentum übergetreten ist...

  • K
    Kurtrichard

    Christ, oder nicht Christ, Muslime, oder nicht Muslime, Hindu, oder nicht Hindu, Buddhist, oder eben nicht. DAS ist die Aussage. Deshalb hat Jude, oder Nichtjude nichts mit Rassismus zu tun. Wer das heutzutage immer noch nicht begriffen hat, ist einfach nur Weltfremd. Das sind ALLES Religionen, die nichts mit RASSEN zu tun haben. Trotzdem finde ich so ein APP natürlich Hirnlos. kurtrichard

  • D
    deviant

    Sehr geehrter Herr Balmer,

    ich glaube, Sie machen einen großen Denkfehler, wenn Sie ein Register (ohne Kenntnis der App selbst und wie sich diese nun genau benutzen lässt) mit Googles Suchvorschlägen vergleichen - es ist nämlich ein gravierender Unterschied, ob ich vorgefertigte Listen bekomme oder jede Person einzeln überprüfen muss.

     

    Zudem mag es ein interessantes Detail sein, aber sicher kein Argument für das Eine oder Andere, dass der Autor der App ein Jude ist.

    Ich darf an dieser Stelle daran erinnern, dass auf der ganzen Welt orthodoxe Jude verstreut sind, die Israel zurück ins Meer treiben wollen, weil Gott ihnen das Land am Tage des Jüngsten Gerichts versprochen habe und jede frühere Inbesitznahme darum Blasphemie sei.

    ____________

     

    Abgesehen davon finde ich die App generell geschmacklos; wenn Sie gegen Gesetze stößt, gehört sie gelöscht. Keine Diskussion notwendig. Ob es Teile der Betroffenen nicht stört, ist dafür völlig unerheblich - Geschwindigkeitsübertretungen stören auch viele nicht; spätestens wenn dann wieder ein Kind überfahren wird, sind diese Leute dann aber ganz anderer Ansicht.

  • D
    Djibrila

    @Josef Švejk

    Sie sagen: "Früher war es klar, da war Ethnie und religiöse Gemeinschaft ein und dasselbe."

    Das ist auch heute noch so.

    Man kann nämlich nur Jude sein wenn man eine jüdische Mutter hat, und Juden dürfen nur Juden heiraten. Daher der ethnische Aspekt.

     

    In der Diskussion um die Apps geht es aber wohl weniger um thoratreue Juden (z.B. Neturei Karta), als um Zionisten (die ganz und gar nicht jüdisch leben). Die Ziele der Weisen von Zion sollte man ihnen aber nicht unterstellen.

  • J
    Josef Švejk

    @ witzig

    Ich empfehle:

    Aleksander Solschenizyn, "200 Jahre zusammen"

    Im ersten Kapitel verwendet der Autor fast 20 Seiten, um die existierenden Definitionen zu referieren.

  • D
    Djibrila

    Wieso verstoßen die Apps gegen die französischen Antirassismusgesetze?

    Listen oder Datenbanken von Mitbürgern nach ethnischer Herkunft oder religiöser Zugehörigkeit richten die Behörden doch sowieso ein, und sie stellen sie auch zur Verfügung. Nur so ist zu erklären, daß über Muslime immer wieder veröffentlicht wird wer welche Moschee besucht hat.

     

    Werden da auch bis zu fünf Jahre Haft und 300.000 Euro Geldbuße fällig?

  • J
    Josef Švejk

    Der Verweis auf "tragische Vorgeschichte" mag ja eine gewisse Berechtigung haben. Ebenso ist das französische Recht eine tatsache.

    Aber spiegelt beides die realität in den westlichen Gesellschaften wider?

    Was hat es mit dem "Jüdischsein" überhaupt auf sich? Früher war es klar, da war Ethnie und religiöse Gemeinschaft ein und dasselbe.

    Aber wie ist das in der modernen westlichen Gesellschaft?

    Wenn man über die christlichen Kirchen redet, da kann vielen gesellschaftlichen Wortführern deren Rückzug aus dem öffetnlichen Leben garnicht schnell genug gehen.

    Gilt das für andere religiöse Bekenntnisse auch?

    Gibt es dann außer dem religiösen Bekenntnis weitere Merkmale für das "Jüdischsein"?

    Ich unterstelle mal, daß - sofern kein religiöses Bekenntnis vorliegt - dieses Persönlichkeitsmerkmal in spätestens der nächsten Generation vergessen sein wird. Häufig ist es ja das schon in der Gegenwart. (....worin würde sonst der "Markt" für diese App bestehen..... )

    (ggf schaue man sich auch Artikel zu Personen in der wikipedia an. "jüdische Herkunft" wird bei Personen der Vergangenheit erwähnt - für die gegenwart ist es i.d.R. irrelevant.)

    (Cohn-Bendit? Gisy?.....?.....)

    Insofern ist diese App politisch ungefährlicher popkultureller Tand. Das französische Recht kämpft an dieser stelle gegen Gegner, die lange unter der Erde sind.

    Im übrigen: in dem amerikanischen "to be jewish..." würd ich auch im wesentlichen nix weiter als popkultur sehen.

    Interessant wird es, wenn der Zionismus dazukommt. Aber das ist eine andere Geschichte.

  • W
    witzig

    Äh wie definiert man einen Juden? Ich mein die Frage ernst. Was macht jemanden jüdisch?

    MfG

    Witzig

  • I
    Informant

    Jude zu sein ist doch keine Schande! Was soll so schlimm daran sein daß diese Zugehörigkeit bekannt wird?