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Nachruf Lutz SchulenburgEiner der letzten Selbstdenker

Lutz Schulenburg, Verleger und Steuermann der Edition Nautilus, ist gestorben. Seine sperrige und widerspenstige Art wird fehlen.

R.I.P., Lutz Schulenburg. Bild: imago / sammer

Vor zehn Tagen feierte er seinen 60. Geburtstag, in einer Rehaklinik in Mecklenburg. Alles schien auf einem sehr guten Weg zu sein, und Mitarbeiter wie Autoren freuten sich auf Lutz Schulenburgs baldige Rückkehr in die Edition Nautilus, die er zusammen mit Hanna Mittelstädt und Pierre Gallissaires in den siebziger Jahren gegründet hatte und die die dogmatischen Irrwege der Linken jener Zeit von Anfang an nicht mitmachte.

Das lag ganz gewiss auch daran, dass Lutz Schulenburg selbst aus einer „echten“ Arbeiterfamilie in Hamburg-Bergedorf kam. Heute ist der Verlag längst aus der anfänglichen Nischenexistenz herausgetreten, und sein literarisches wie sein Sachbuchprogramm werden gleichermaßen geschätzt.

Dazu haben vor allem das Durchhaltevermögen, das literarische Gespür und das verlagskaufmännische Geschick von Lutz und der „Crew“ der Nautilus beigetragen. Ich selbst war deshalb auch glücklich, vor fünf Jahren als Autor selbst an Bord gehen zu können.

Nicht zuletzt wegen der durchaus sperrigen und widerspenstigen Gestalt des Verlegers. Lutz Schulenburg zeichnete sich vor allem durch eine Eigenschaft aus, die dringend gebraucht und doch schon Kindern möglichst ausgetrieben wird: Eigensinn. Er gehörte zur rar gestreuten Gattung der Selbstdenker, und man konnte sich mit ihm wunderbar streiten, ohne dass je auch nur eine Spur Rechthaberei dabei aufkam.

Lakonisch und sarkastisch

Auf beiden Seiten nicht: Lutz war ein großartiger Zuhörer, und er war zugleich ein Vertreter der Verfertigung der Gedanken beim Reden und zwang einen deshalb selbst zum genauen Zuhören.

Sein Eigensinn war jederzeit mit Freundlichkeit und Aufmerksamkeit für den Anderen gepaart. Sein lakonischer – und manchmal auch sarkastischer – Humor war bekannt; ganz zutreffend hat ihn der Verlegerkollege Dietrich zu Klampen in seinem Börsenblatt-Glückwunsch zum Sechzigsten einen „fröhlichen Anarchisten“ genannt.

Zusammen mit diesem fröhlichen Anarchisten, der am frühen Morgen des 1. Mai gestorben ist, hatten die Mitarbeiter der Edition Nautilus und alle Autorinnen und Autoren noch unendlich viel vor. Wie groß dieser Verlust ist, hat bis jetzt vermutlich noch keiner von uns wirklich begriffen.

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3 Kommentare

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  • TV
    Tjebbe van Tijen

    "einer de letzten Selbstdenker" (one of the last independent thinkers) is a gross overstatement. The author of the 'Nachruf' (obituary) may have the wrong circle of acquaintances. In my memory - both as librarian and member of a collective bookshop in Amsterdam - of the circle of the German publishers and distributors of which MAD and Nautilus Verlag were a part, the adjective to describe their characters would be better 'Eigensinnig', 'Widerspenstig' und 'Hartnäckig' (opiniated, hardheaded, obstinate). Their yearly congregration in Frankfurt was called at first 'Gegenbuchmesse' (anti-book fair) developed because the real Buchmesse was too expensive and/or thought to be too capitalistic....

    Over the years 'schizophrenia' developed as more and more 'alternative publishers' became mainstream, something that was spatially expressed by several - once radical publishers - having a stand both at the Gegenbuchmesse elsewhere in Frankfurt and on the official Buchmesse. What was interesting about Nautilus is their ability to exist in both domains as a publishing house with a front door on the main road and also a door on the back street. I am sure that the genius of Lutz Schulenburg is alive in many more Selbstdenker und Selbstmacher!

  • MS
    Michael Seibert

    Ahoi.

     

    Ich kannte Lutz Schulenburg seit 1957. Durch Nachbarschaft entstand Freundschaft und Kontakt bis vor einigen Monaten.

    Wie kommen Sie auf die Idee seine Familie sei eine Arbeiterfamilie gewesen?

    Dazu noch eine "echte"?

    In anderen Blättern kann man es ebenso lesen. Ebenso falsch. Ebenso irgendwo abgeschrieben. Ebenso passt es ja so schön in das Bild dieses "Querdenkers". Ebenso schade.

     

    Mit wahren Grüßen aus Hamburg-Bergedorf

    Michael Seibert

  • R
    radikal

    Danke.

     

    Bleibt zu hoffen, daß sich jemand findet,

    der's kann.